Wenn sich Verwalter und Geschäftsführer täglich streiten

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Die Situation ist vielen Insolvenzverwaltern aus eigener (leidiger) Erfahrung bekannt: Bereits das erste Kennenlernen mit dem geschäftsführenden Gesellschafter des insolventen Unternehmens verläuft nicht harmonisch. Drohende Organhaftungsansprüche belasten das Verhältnis zusätzlich und motivieren den Geschäftsführer nicht gerade zu einer Kooperation, was die Betriebsfortführung erschwert.

Im besten Fall kostet ein solcher Konflikt nur viel Zeit, Geld und Nerven. Im schlechtesten Fall scheitert dadurch eine mögliche Sanierung, und es schließen sich langjährige Rechtsstreitigkeiten an.

Im ersten Abschnitt dieses Beitrags wird anhand eines anonymisierten Falls aus der Praxis gezeigt, wie ein Konflikt zwischen Insolvenzverwalter und Geschäftsleiter eskalieren kann. Anschließend werden kurz die wesentlichen Gründe dargestellt, die zur Eskalation führten. Der letzte Abschnitt enthält praxisnahe Anregungen, wie solche Konflikte durch Einbindung eines Mediators effizienter und nervenschonender gelöst werden können.

Praxisfall: Ein Konflikt zwischen Insolvenzverwalter und Geschäftsführer eskaliert

Ein mittelständisches Familienunternehmen mit langer Tradition und über 200 Mitarbeitern geriet nach vielen erfolgreichen Jahrzehnten in Liquiditätsschwierigkeiten und meldete schließlich Insolvenz an. Während der rund zweijährigen Krise hatte der geschäftsführende Gesellschafter seinem Unternehmen mehrfach Darlehen gewährt, um die Produktion vorzufinanzieren und die Gehälter pünktlich bezahlen zu können. Dabei ging er fatalerweise davon aus, dass er keinen Insolvenzantrag stellen muss, solange sein Unternehmen alle Rechnungen bezahlen kann; die erhebliche Überschuldung hatte er als Insolvenzgrund nicht im Blick.

Bereits in dem ersten Gespräch zwischen dem vorläufigen Insolvenzverwalter und dem Geschäftsführer kam es zu erheblichen Spannungen, nachdem ihm der Verwalter eröffnet hatte, dass eine Insolvenzverschleppung von über einem Jahr im Raum stehe. Der gut gemeinte Ratschlag des Verwalters, aufgrund der drohenden persönlichen Haftung schnell anwaltliche Beratung einzuholen, wurde von dem Geschäftsführer als „Kriegserklärung“ missverstanden.

Der vorläufige Verwalter mit langer Insolvenzerfahrung war seinerseits brüskiert, da ihn der Geschäftsführer wie einen Angestellten behandele und ihm Gesprächstermine „diktiere“. Er war es gewöhnt, als Autorität aufzutreten, und daran, dass sein Wort respektiert wird. Der Geschäftsführer betonte wiederum gern, dass er sein Leben lang selbständig war und sich bisher von niemandem habe sagen lassen, wie seine Geschäfte zu führen seien.

Besondere Schwierigkeiten bereitete dem Insolvenzverwalter eine bestehende Betriebsaufspaltung. Das insolvente Unternehmen hatte als Betriebsgesellschaft sämtliche Produktionsmittel von einer anderen Besitzgesellschaft gepachtet, deren Geschäftsanteile sich ebenfalls in der Hand des Geschäftsführers befanden. Der Geschäftsführer drohte damit, den Vertrag wegen rückständiger Pachtzahlungen zu kündigen, was eine Betriebsfortführung oder eine übertragende Sanierung unmöglich gemacht hätte. Der Verwalter drohte seinerseits damit, die in den letzten Jahren geleisteten Pachtzahlungen sofort nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens anzufechten. Darüber hinaus kündigte er Haftungsansprüche gegen den Geschäftsführer wegen Zahlungen nach Insolvenzreife an; ebenso Anfechtungsansprüche aufgrund der in der Krise ausgereichten und zurückgezahlten Gesellschafterdarlehen.

Insgesamt betrugen die Haftungs- und Anfechtungsansprüche nach der Schätzung des vorläufigen Verwalters mehr als 10 Millionen Euro, was die Kooperationsbereitschaft des Geschäftsführers gegen null sinken ließ. Er bewertete alle Sanierungsvorschläge des vorläufigen Verwalters als unsinnig und nicht realisierbar, was er auch innerhalb des Betriebs kundtat. Regelmäßig wies er seine leitenden Mitarbeiter an, nicht mit dem vorläufigen Verwalter zu sprechen und seine Aussagen zu ignorieren.

Vor diesem Hintergrund verlief die Betriebsfortführung schwierig und war von regelmäßigen nervenaufreibenden (Streit-)Gesprächen zwischen dem vorläufigen Verwalter und dem Geschäftsführer geprägt, die zu immer größerem wechselseitigem Unverständnis und persönlicher Abneigung führten.

Der von dem Geschäftsführer eingeschaltete Rechtsanwalt befand sich in einer schwierigen Position. Einerseits hatte er die Interessen seines Mandanten gegenüber dem (vorläufigen) Verwalter zu vertreten; andererseits musste er seinem Mandanten erklären, warum der Verwalter viele seiner Forderungen aufgrund zwingender insolvenzrechtlicher Vorschriften nicht akzeptieren kann.

Darüber hinaus war es dem Geschäftsführer schwer zu vermitteln, dass der Verwalter die wohl weitgehend begründeten Haftungs- und Anfechtungsansprüche kraft seines Amtes verfolgen muss und es sich dabei nicht um einen feindseligen Akt handelt. Der Geschäftsführer hatte wenig Verständnis dafür, dass seine Darlehen und regulären Warenbestellungen zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs nun zu einer persönlichen Haftung in Millionenhöhe führen sollten.

Der Insolvenzverwalter beschwerte sich wiederum regelmäßig bei dem Rechtsanwalt über die „neuesten Eskapaden“ seines Mandanten, die er nicht mehr lange ertragen könne. Er drohte daher, eine vorläufige starke Insolvenzverwaltung anordnen zu lassen. Nach langen Diskussionen einigte man sich schließlich darauf, dass der Geschäftsführer für die restliche Zeit des vorläufigen Verfahrens durch einen Interimsgeschäftsführer ersetzt wird und sich auf seine Rolle als Gesellschafter beschränkt. Der Geschäftsführer erhielt ein Hausverbot für den Betrieb, und die Kommunikation zwischen dem Geschäftsführer und dem Verwalter fand nur noch über den Rechtsanwalt als Boten statt.

Mit großer Mühe und auch etwas Glück konnten am Tag der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Haftungsvergleich mit dem Geschäftsführer sowie ein neuer Pachtvertrag mit der Besitzgesellschaft abgeschlossen werden, um die Fortführung des Betriebs zu sichern und eine Sanierung zu versuchen. Diese scheiterte nach einigen Monaten, da es neben wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu Streitigkeiten zwischen dem Verwalter und dem Geschäftsführer im Zusammenhang mit dem neuen Pachtvertrag kam, die schließlich in einen Rechtsstreit mündeten. Darüber hinaus gab es einen komplizierten Rechtsstreit mit dem D&O-Versicherer des Geschäftsführers, der die Vergleichssumme nicht zahlen wollte.

Sowohl der Insolvenzverwalter als auch der Geschäftsführer und seine Familienmitglieder waren am Ende nervlich arg strapaziert. Schließlich waren den Beteiligten durch die zeitraubenden Streitereien und anwaltlichen Beratungen erhebliche Kosten entstanden.

Analyse der Konfliktursachen

Die Eskalation des Konflikts beruhte im Kern darauf, dass sich der Geschäftsführer und der Insolvenzverwalter wechselseitig missverstanden und nicht wertgeschätzt fühlten.

Beide waren es gewöhnt, sich mit ihren Positionen durchzusetzen und auf die Interessen der übrigen Beteiligten wenig Rücksicht nehmen zu müssen. Dabei übersahen sie, dass eine Lösung des Konflikts nur miteinander und nicht gegeneinander möglich war, da beide auf die Kooperation des anderen angewiesen waren und diese nicht erzwingen konnten. Die missglückte Kommunikation führte schließlich zu massiven emotionalen Spannungen und zur Eskalation.

Der anwaltliche Berater des Geschäftsführers konnte bei seinem Mandanten nur begrenzt Verständnis für die Interessen und rechtlichen Pflichten des Verwalters erzeugen, da er dabei in den Verdacht geriet, die Interessen „des Gegners“ zu vertreten. Vertrauliche Gespräche mit dem Insolvenzverwalter ohne Beisein des Geschäftsführers waren für den Anwalt heikel; er konnte daher bei dem Insolvenzverwalter kaum Verständnis für das Verhalten des Geschäftsführers schaffen. Damit war der Rechtsanwalt als Vermittler in dem Konflikt von vornherein ungeeignet.

Effiziente Konfliktlösung durch Einschaltung eines Mediators

Natürlich lässt sich im Nachhinein nicht sicher sagen, wie der zuvor dargestellte Konflikt bei Einschaltung eines Mediators genau ausgegangen wäre. Erfahrungsgemäß spricht jedoch viel dafür, dass der Konflikt für die Beteiligten weniger nervenaufreibend verlaufen wäre und es zu einem besseren Verständnis für die wechselseitigen Interessen, Pflichten und Bedürfnisse gekommen wäre. Auf dieser Basis wäre die Wahrscheinlichkeit für eine effiziente Lösung des Konflikts – anstelle der unkontrollierten Eskalation – deutlich höher gewesen.

Dies liegt entscheidend daran, dass ein Mediator unparteiisch ist und als neutraler Verhandlungsberater beider Konfliktparteien agiert, um mit ihnen eine individuelle Lösung des Konflikts zu erarbeiten (zur Vertiefung: Schubert, „Prädikat mediationsgeeignet: Restrukturierungs- und Sanierungsverfahren“, in RestructuringBusiness, Ausgabe 02/2022, Seite 28 ff., siehe hier).
In dem geschilderten Praxisfall hätte dies folgendermaßen ablaufen können:

Nach dem ersten Kennenlerngespräch zwischen dem vorläufigen Insolvenzverwalter und dem Geschäftsführer, das nicht harmonisch verlief, hätte der Verwalter einen fachlich erfahrenen Wirtschaftsmediator bitten können, mit dem Geschäftsführer direkten Kontakt aufzunehmen, um diesem auf neutralem Weg eine Begleitung des weiteren Insolvenzverfahrens durch einen Mediator vorschlagen zu lassen. Fachlich geeignete und schnell einsatzfähige Mediatoren empfiehlt der Bundesverband Mediation in Restrukturierung & Insolvenz e.V. (siehe hier), dessen Mitglieder aus erfahrenen Sanierungsberatern, Insolvenzverwaltern und Rechtsanwälten für Insolvenzrecht bestehen, die zugleich als Wirtschaftsmediator tätig sind.

Bei der Kontaktaufnahme mit dem Geschäftsführer ist es wichtig, dass der Mediator direkt klarstellt, nicht im Auftrag des Insolvenzverwalters zu handeln, und dass eine Mediation auf Freiwilligkeit sowie Neutralität und Allparteilichkeit des Mediators beruht. Zudem kann der Mediator die Chancen einer Mediation und die beiderseitigen Risiken einer Eskalation des Konflikts aus objektiver Sicht ansprechen.
In dem vorliegenden Fall erscheint es vor einer ersten Mediationsverhandlung zweckmäßig, dass der Mediator zunächst mit dem Geschäftsführer und anschließend mit dem vorläufigen Verwalter ein vertrauliches Einzelgespräch führt, wenn beide damit einverstanden sind.

Bei einer bereits emotional stark belasteten Atmosphäre helfen vorbereitende Einzelgespräche erfahrungsgemäß dabei, die Parteien auf die folgende Mediationsverhandlung vorzubereiten, indem der Mediator als „Agent of Reality“ unrealistische Forderungen benennt und die jeweiligen Konsequenzen eines Rechtsstreits – der die Alternative zu Verhandlungen („BATNA“: Best Alternative to a Negotiated Agreement) wäre – mit den Parteien beleuchtet. Häufig erhöht sich nämlich die Gesprächs- und Vergleichsbereitschaft, wenn die Parteien selbst erkennen, dass eine gerichtliche Auseinandersetzung die schlechteste Lösung des Konflikts darstellt.

Dies trifft auch auf den vorliegenden Fall zu: Der (vorläufige) Verwalter war darauf angewiesen, dass der Geschäftsführer den Pachtvertrag zwischen der insolventen Betriebsgesellschaft und der Besitzgesellschaft nicht kündigt beziehungsweise einem neuen Vertrag mit reduzierter Pacht zustimmt, um eine Sanierung zu ermöglichen. Außerdem hing der Erfolg einer Betriebsfortführung entscheidend von der Kooperationsbereitschaft des geschäftsführenden Gesellschafters ab. Beide Ziele konnte er durch eine Klage nicht erreichen, sondern nur durch Verhandlungen. Umgekehrt war der Geschäftsführer auf eine Vergleichsbereitschaft des Insolvenzverwalters angewiesen, um die drohenden Haftungsansprüche angemessen zu erledigen und jahrelange kostenintensive Rechtsstreitigkeiten mit dem Risiko einer anschließenden Privatinsolvenz zu vermeiden.

Aufgrund des dynamischen Prozesses eines (vorläufigen) Insolvenzverfahrens und einer Betriebsfortführung mit neu aufkommenden Konflikten bietet sich eine verfahrensbegleitende Mediation an, die sich nicht in einer einmaligen Mediationsverhandlung erschöpft. In der ersten Verhandlung können von dem Mediator mit den Parteien die wechselseitigen Interessen herausgearbeitet und erste Lösungsansätze erarbeitet werden.

Vorliegend hätten die Parteien dabei erkennen können, dass sie auf wechselseitige Kooperation angewiesen sind, um ihre Interessen umzusetzen und ein gutes wirtschaftliches Ergebnis zu erreichen. Ein Lösungsansatz hätte darin bestehen können, dass der Geschäftsführer die Betriebsfortführung und eine Sanierung kooperativ begleitet; im Gegenzug hätte der Verwalter ihm (soweit rechtlich vertretbar) bei einem Haftungsvergleich wirtschaftlich entgegenkommen können, beispielsweise durch Einbeziehung von Leistungen der Besitzgesellschaft.

Zudem wäre es hilfreich gewesen, bereits in der ersten Mediationsverhandlung eine Vereinbarung darüber zu treffen, wie der Verwalter und der Geschäftsführer zukünftig miteinander umgehen und kommunizieren. Bei stark gestörten Beziehungen ist es zweckmäßig, dass die Parteien nur noch in Anwesenheit des Mediators miteinander verhandeln und im Extremfall ausschließlich Einzelgespräche mit dem Mediator führen, der anschließend der anderen Partei berichtet und dabei jeweils vermittelt (sogenannte Shuttle Mediation).

In dem geschilderten Praxisfall wäre es außerdem denkbar gewesen, im Rahmen der Mediation auch einen Vertreter des D&O-Versicherers einzubeziehen, um einen dreiseitigen Haftungsvergleich mit Leistungen des Versicherers und des Geschäftsführers zugunsten der  Insolvenzmasse zu erreichen. Damit wäre der anschließende Rechtsstreit zwischen dem Geschäftsführer und seinem Versicherer vermieden worden.

In der abschließenden Vergleichsvereinbarung zwischen dem Geschäftsführer und dem Insolvenzverwalter, in der die Ergebnisse der Mediationsverhandlungen festgehalten werden, hätte schließlich geregelt werden können, dass die Parteien bei Streitigkeiten über die Umsetzung der Vereinbarung eine erneute Mediation durchführen, bevor sie Klage erheben. Dies hätte den Rechtsstreit über die Regelung des Pachtvertrags möglicherweise überflüssig gemacht, zumal dieser maßgeblich auf dem ungeklärten Grundkonflikt und der wechselseitigen Abneigung beruhte, was durch eine Mediation nachhaltig beseitigt worden wäre.

Fazit

Bei Konflikten zwischen Insolvenzverwalter und Geschäftsleiter sind die beiderseitigen Interessen meistens eng miteinander verwoben. Eine gerichtliche Klärung ist keine Option. Dadurch sind solche Konflikte besonders mediationsgeeignet.

Die frühzeitige Einbindung eines Mediators erhöht die Chancen deutlich, den aufkommenden Konflikt wirtschaftlich sinnvoll zu lösen. Das steigert die Sanierungschancen und schont zugleich die Nerven. Die Kosten sind gering, und mehr als drei Viertel aller Mediationen verlaufen erfolgreich. Falls die Mediation ausnahmsweise fehlschlägt, können sich die Parteien immer noch gerichtlich streiten.

 

christoph.schubert@hausfeld.com

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