Auf den diskriminierungs- und bedingungsfreien Bieterprozess kommt es an

Beitrag als PDF (Download)

Im Gegensatz zu einem Share-Deal werden bei einem Asset-Deal grundsätzlich nur die Wirtschaftsgüter und Verbindlichkeiten übernommen, die einzeln und hinreichend konkret benannt sind. In Ausnahmefällen wird dieser Grundsatz jedoch durchbrochen. Im beihilferechtlichen Kontext kann dies dazu führen, dass von einem Unternehmen (rechtswidrig) gewährte Beihilfen zurückgefordert werden, das die fraglichen Beihilfen nie erhalten hat.

Wurden in der Vergangenheit rechtswidrig gewährte staatliche Mittel in Form von zum Beispiel Betriebshilfen gewährt, stellt dieses Haftungsrisiko die Akteure staatlicher Hilfen und den potentiellen Investor vor besondere Herausforderungen.

Beihilferechtskonformes Bieterverfahren

Eine mögliche Haftungserstreckung auf die Erwerbergesellschaft kann durch ein beihilferechtskonformes Bieterverfahren vermieden werden.

Ein beihilfekonformes Bieterverfahren muss gemäß den Vorgaben der Praxis der Europäischen Kommission und der Rechtsprechung des EuGH den nachfolgenden Kriterien entsprechen:

Offenheit

Zur Herstellung einer größtmöglichen Publizität und Transparenz der Veräußerungsabsicht muss allen potentiellen Interessenten die Möglichkeit eingeräumt werden, Kenntnis von der Veräußerung und über das Veräußerungsobjekt zu erlangen. So sollen diese durch die Verkaufsanzeige in die Lage versetzt werden, ein Kaufangebot abgeben zu können. Ziel der Offenheit ist die Schaffung eines Teilnahme- bzw. Nachfragewettbewerbs.

Transparenz und Diskriminierungsfreiheit

Allen potentiellen Bietern ist Zugang zu den für die Bewertung des Veräußerungsobjekts wesentlichen Informationen zu ermöglichen. Allen Interessierten ist ausreichend Zeit zur Prüfung der Verkaufsunterlagen im Wege einer Due Diligence zu geben. Ziel ist die Veräußerung an den Höchstbietenden, wobei nur solche Angebote berücksichtigt werden, die eine hinreichende Transaktionssicherheit im Prozess gewährleisten.

Bedingungsfreiheit

Das Verfahren muss bedingungsfrei ablaufen. Dem potentiellen Bieter dürfen keine Investitionsverpflichtungen oder die Verpflichtung zum Erhalt von Arbeitsplätzen aufgetragen werden. Dies würde den Kreis der potentiellen Bieter in diskriminierender Weise beschränken (Kommission vom 11.04.2000, Entscheidung L 265/15 – Centrale del Latte di Roma).

Wettbewerbsverzerrungen, die durch die erhaltenen rechtswidrigen staatlichen Mittel entstanden sind, sollen durch die Übertragung auf einen potentiellen Investor vermieden werden. Herangezogen wird daher auch das Merkmal der wirtschaftlichen Kontinuität.

Das Bieterverfahren

Unter Beachtung der vorbenannten Entscheidungen der Europäischen Kommission empfiehlt sich die Gliederung des Bieterverfahrens in die nachfolgenden Stadien:

Marktansprache/Interessenbekundung

Zur Schaffung einer Offenheit ist die Aufforderung zur Abgabe von Interessenbekundungen in überregionalen/internationalen Zeitungen, Fachpublikationen und im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union zu veröffentlichen. Jeder Interessierte ist darin aufzufordern, eine Interessenbekundung einzureichen. Nach Empfang der Interessenbekundung ist den Interessierten ein „Teaser“ mit weiteren Informationen zur Verfügung zu stellen. Sinnvollerweise ist bereits mit der Interessenbekundung von den Interessenten eine unterzeichnete Vertraulichkeitserklärung zu verlangen. In der Marktansprache ist zum Erhalt identischer Teilnahmebedingungen eine für alle Interessenten verbindliche Frist zur Abgabe von Interessenbekundungen zu setzen.

Vorprüfung/Indikatives Angebot

Interessenten, die eine Interessenbekundung abgegeben haben, erhalten zusätzliche Unterlagen, wie eine Liste der zu veräußernden Vermögensgegenstände, sowie einen Prozessbrief, der das weitere Verfahren darlegt. Auf Basis dieser Informationen kann jeder Interessent ein indikatives Angebot erstellen. Bestandteil des indikativen Angebots sollten die folgenden Informationen und Unterlagen sein: Bieterprofil, Grund für den Erwerb, Transaktionsstruktur, zu erwerbende Vermögenswerte, Kaufpreis, Finanzierung (Finanzierungsstruktur), Angaben zu fusionskontrollrechtlichen Fragen und ein Erwerberkonzept in Bezug auf Mitarbeiter.

Due Diligence/Bestätigendes Angebot

Allen Bietern, die ein indikatives Angebot eingereicht haben, ist sodann die Gelegenheit zur Durchführung einer Due-Diligence-Prüfung mit detaillierteren Informationen und das Angebot von Vor-Ort-Besichtigungen und Treffen mit dem Management einzuräumen. Um den Bieterprozess zeitlich nicht zu lange zu beanspruchen, kann in diesem Stadium auch bereits der erste Entwurf eines Kaufvertrags übermittelt werden. Mit den Bietern ist auf Basis des Kaufvertragsentwurfs, welcher neben der Erwerberstruktur auch noch weitere Gesichtspunkte berücksichtigen kann, zur Frage des Erwerbs ganz grundsätzlich zu sprechen. Ziel ist die Abgabe eines bestätigenden Angebots durch die Bieter. Mit diesem Angebot sollen alle Bieter einen Finanzierungsnachweis vorlegen.

Verhandlung/Vertragsabschluss

Die bestätigenden Angebote sind auf Grundlage des Zuschlagskriteriums des Verkaufs an den Höchstbietenden unter Berücksichtigung der Transaktionssicherheit zu prüfen. Auf Basis der bestätigenden Angebote ist mit den Bietern über einen finalen Kaufvertragsentwurf zu verhandeln. Zu beachten ist der Grundsatz der identischen Teilnahmebedingungen für die Bieter am Prozess bei den Verhandlungen. Die Bevorzugung einzelner Bieter bei den Verhandlungen ist zu vermeiden.

Gremienentscheidung

Die finalisierten Angebote sind der Gläubigerversammlung bzw. dem Gläubigerausschuss zur Annahme eines der Angebote vorzulegen. Das Gremium entscheidet dann über den Zuschlag.

Zusammenfassung

Die Übertragung wesentlicher Vermögensgegenstände von Beihilfeempfängerinnen in der Insolvenz schafft Fragestellungen, deren sich die Akteure im Insolvenzverfahren von Anfang an bewusst sein müssen. Frühzeitig gilt es, einen diskriminierungs- und bedingungsfreien Bieterprozess aufzusetzen, um einen potentiellen Bewerber vor Beihilferückforderungsansprüchen zu schützen und im Ergebnis so auch die Attraktivität der zu verwertenden Vermögensgegenstände herzustellen.

Die beihilferechtlichen Vorgaben unterscheiden sich im Wesentlichen nicht von dem im Insolvenzverfahren ohnehin einzuhaltenden Vorgehen, wonach dem wirtschaftlichsten Angebot unter Berücksichtigung der Gesamtumstände der Zuschlag zu erteilen ist.

 

c.enkler@brinkmann-partner.de

a.park@brinkmann-partner.de

Aktuelle Beiträge