Kosten- und Risikomanagement in M&A-Verträgen

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Carve-outs, klassisches Outsourcing und andere Veräußerungen von Unternehmensbereichen werden häufig als sogenannte Asset-Deals strukturiert. Dabei kommt es oft – in der Regel gewollt – zu einem Betriebsübergang. Die praktische Folge: Die Arbeitskräfte als häufig wichtiger Faktor folgen anderen Assets wie Immobilien, Produktionsmitteln oder Kundenverträgen. In den jeweiligen M&A-Verträgen besteht erheblicher Regelungsbedarf zu den Mitarbeiterübergängen – beginnend bei der Übernahme der laufenden Gehälter bis hin zum Umgang mit sogenannten Widersprechern. Besonders interessant im Fall von Widersprüchen kann ein jüngst höchstrichterlich abgesichertes „Verleihmodell“ sein, das Zusatzkosten vermeidet und das operative Geschäft absichert.

Ausgangspunkt: Der Betriebsübergang

Überträgt ein Unternehmen einen seiner Betriebe oder Betriebsteile und führt der Erwerber diese Einheit unter Wahrung seiner betrieblichen Identität fort, gehen die zugehörigen Arbeitnehmer nach § 613a BGB auf den Erwerber über. Ab einem definierten Stichtag des Übergangs besteht das Arbeitsverhältnis mit dem Erwerber. Den betroffenen Arbeitnehmern steht bis zu einem Monat nach Zugang einer leider fehleranfälligen Unterrichtung über den Betriebsübergang ein Widerspruchsrecht zu. Üben sie dieses aus, besteht ihr Arbeitsverhältnis weiterhin zum Betriebsveräußerer. Die Arbeitnehmer müssen über den Betriebsübergang vollständig und richtig unterrichtet werden, ansonsten beginnt die einmonatige Frist zum Widersprechen nicht zu laufen. Diese Unterrichtung kann der Veräußerer oder der Erwerber vornehmen.

Arbeitsrechtlicher Schwerpunkt in M&A-Verträgen: Wer zahlt was ab wann?

Auch wenn der Übergang der Arbeitsverhältnisse bereits gesetzlich erfolgt, enthalten die Kaufverträge in der Regel klarstellende Bestimmungen, um insbesondere die im Einzelnen betroffenen Arbeitnehmer aufzulisten. Der Schwerpunkt der arbeitsrechtlichen Regelungen in M&A-Verträgen liegt jedoch bei der Verteilung der Kosten. Die Einzelheiten der Haftungsverteilung werden von der Verhandlungsmacht der Parteien abhängen, wobei es gewisse Üblichkeiten gibt und manche Regelungen ohnehin im wechselseitigen Interesse der Parteien sind.

Gewollte Arbeitnehmer

Insbesondere bei Carve-outs oder Outsourcingmaßnahmen sind oft die Arbeitskräfte ein erhebliches Asset und elementar für die Fortsetzung des operativen Geschäfts. Nicht selten sind dann die betroffenen Business Units zunächst „zuzuschneiden“. Beispielsweise durch Versetzungen wird sichergestellt, dass die richtigen Arbeitnehmer übergehen. Umgekehrt können Erwerber und Veräußerer ein Interesse daran haben, bestimmte Arbeitnehmer nicht übergehen zu lassen. Auch hier kann ein richtiger Zuschnitt vorab helfen, oder die übergehenden Arbeitnehmer werden anhand eines sogenannten Erwerberkonzepts definiert.

Für die gewollt übergehenden Arbeitnehmer ist die Verteilung der Verbindlichkeiten zwischen Veräußerer und Erwerber zu regeln. Im Verhältnis zum Arbeitnehmer tritt der Erwerber in alle offenen Ansprüche ein. Im Verhältnis zum Veräußerer wird sich der Erwerber häufig von Verbindlichkeiten freistellen lassen, die die Arbeitnehmer bereits vor dem Übergangsstichtag angesammelt haben (wie etwa anteilige Jahresboni). Besondere Betrachtung finden stets Ansprüche aus betrieblicher Altersversorgung. Hier ist eine präzise Regelung im Zusammenspiel mit versicherungsmathematischen Gutachten wichtig.

Ungewollt übergehende oder verbleibende Arbeitnehmer, insbesondere Widersprecher

Gleichzeitig sind bei jedem Betriebsübergang Regelungen zu Arbeitnehmern zu treffen, die nicht dem vorgesehenen Weg folgen. Dies können einerseits Arbeitnehmer sein, die sich auf einen Betriebsübergang berufen, obwohl Veräußerer und Erwerber übereinstimmend nicht von einem Übergang ausgingen. Insoweit wären Lohn- und gegebenenfalls Abfindungskosten, Gerichts- und Anwaltskosten, gegebenenfalls die Kosten einer Interessenausgleichs- und Sozialplanverhandlung zu verteilen, falls der Erwerber aufgrund eines entstehenden Personalüberhangs Abbaumaßnahmen einleiten muss.

Andererseits ist an die sogenannten Widersprecher zu denken, die fristgemäß dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf den Erwerber widersprechen. Zu allererst ist zu prüfen, ob eine allzu hohe Widersprecherquote den Verkauf in Frage stellt. Eine „Maximalquote“ werden die Parteien nicht schriftlich fixieren wollen, um sich gegenüber Betriebsrat und Belegschaft nicht erpressbar zu machen. Verhandlungspflichten für den Fall hoher Widerspruchsquoten, verbunden mit einer vertrauensvollen Absprache, können gleichwohl helfen.

Zudem sind gegebenenfalls anfallende Kosten zu verteilen. Widersprecher werden beim Veräußerer meist keinen geeigneten Arbeitsplatz mehr vorfinden. Die Folge wäre eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit damit zusammenhängenden Kosten wie Abfindungen und Prozesskosten. Sind geeignete Arbeitsplätze vakant, sind Fortbildungskosten und Ausgleichszahlungen für Gehaltseinbußen zu bedenken. Auf der Seite des Erwerbers ist an eine möglicherweise erforderliche Neubesetzung der vakant gewordenen Stellen und an die damit verbundenen Recruiting- und Ausbildungskosten zu denken. In Summe können erhebliche Kosten entstehen, die sich jedoch durch das nachfolgend skizzierte Modell begrenzen lassen:

Verleihmodell als Begrenzung des Kostenrisikos

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) bestätigte zuletzt einen Mechanismus in M&A-Verträgen, der die Kosten von Widersprüchen begrenzen kann. Ist der Widersprecher nicht mehr sinnvoll beim Veräußerer einsetzbar, wird dieser oft eine betriebsbedingte Kündigung aussprechen wollen. Auch wenn die Kündigung wirksam ist, fällt Annahmeverzugslohn für die Dauer der Kündigungsfrist an. Dieser ist ausgeschlossen, wenn eine anderweitige Verdienstmöglichkeit böswillig unterlassen wird – der Widersprecher also eine andere zumutbare Tätigkeit nicht angenommen hat.

Um diese Verdienstmöglichkeit von vornherein zu schaffen, können sich Veräußerer und Erwerber auf einen Verleih der Widersprecher verständigen. Die durch den Widerspruch beim Erwerber entstehenden Vakanzen werden durch einen Rückverleih der Widersprecher im Wege der Arbeitnehmerüberlassung aufgefüllt. Ein Widersprecher darf den Verleih an den Erwerber zwar verweigern, unterlässt dann jedoch böswillig eine zumutbare Verdienstmöglichkeit. Er muss sich damit den ausgefallenen Verdienst anrechnen lassen und erhält während der Kündigungsfrist in der Regel keinen Lohn. Mit diesem Verleihmodell wird ein erhebliches Kostenrisiko auf die Widersprecher abgewälzt.

Das Verleihmodell hat weitere Vorteile. Ohne den Verleih entstünden zum Übergangsstichtag einige Vakanzen beim Erwerber. Mit dem Verleih bleiben diese vorübergehend besetzt, und der Erwerber kann mit etwas mehr zeitlichem Vorlauf Ersatz rekrutieren. Je nach Menge der Widersprecher kann damit sogar eine eventuell eintretende Gefährdung des operativen Geschäfts vermieden werden. Die Aussicht auf einen Verleih zum Erwerber kann zudem die Widersprecherquote senken. Denn die Aussicht auf Verzugslohn mag manche zusätzlichen Widersprüche provozieren. Nicht zuletzt aus präventiven Gründen sollte ein geplanter Verleih an den Erwerber in dem Unterrichtungsschreiben angekündigt werden.

Das Verleihmodell sollten die Parteien dennoch nicht unüberlegt einsetzen. Zum einen setzt der Verleih eine behördliche Erlaubnis voraus. Zum anderen ist je nach betroffener Belegschaft und Anzahl der Widersprecher zu prüfen, ob die verliehenen Arbeitnehmer tatsächlich einen Mehrwert darstellen. Widersprecher zeigen in aller Regel eine geringe Motivation. Ist der Einsatz der Widersprecher operativ verzichtbar, sollten die Parteien daher sorgfältig erwägen, ob sie den Einsatz der Widersprecher benötigen.

Fazit

In M&A-Verträgen ist aus arbeitsrechtlicher Sicht an die Verteilung der Kosten der Arbeitnehmer, gewollte wie ungewollte, zu denken und zu einer Mehrzahl an Szenarien eine einigungsfähige vertragliche Lösung vorzusehen. Das Verleihmodell dient dabei zugleich sowohl der Kostenminimierung als auch der Abschreckung und sollte somit standardmäßig Eingang in die Vertragsverhandlungen finden.

 

christoph.seidler@kliemt.de

tobias.lamss@kliemt.de

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