Welche Fehler Unternehmen beim Personalabbau vermeiden sollten

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Energiekrise, hohe Inflation, steigende Zinsen und anhaltende Störungen in Lieferketten: Die wirtschaftlichen Aussichten verdüstern sich für viele Unternehmen. Auch Kapitalgeber sind in diesem Umfeld zurückhaltend – und zwingen so manches Start-up zur Konsolidierung. So erlebt die Kostensenkung durch Personalabbau eine Renaissance.

Nach mehr als zweieinhalb Jahren pandemiebedingter Transformation sind hiervon zunehmend Remote Worker betroffen, also Arbeitnehmer, die mehr oder weniger vollständig mobil bzw. im Homeoffice arbeiten. Wir zeigen, in welche typischen Fallen Arbeitgeber hierbei nicht tappen sollten.

1. Fehler: Kündigungsschutz von Remote Workern übersehen

Bekanntermaßen kann sich auf allgemeinen Kündigungsschutz nur berufen, wer in einem Betrieb mit mehr als zehn Arbeitnehmern beschäftigt ist. Aber: Gehört der Remote Worker einem Betrieb an, und wenn ja, welchem? Oder ist er sein eigener „Ein-Mann-Betrieb“?

Die Zuordnung liegt nicht immer auf der Hand. Denn Remote Worker sind häufig gar nicht in den Räumlichkeiten des Unternehmens tätig, sondern erbringen ihre Arbeitsleistung an einem weitgehend beliebigen Ort mit mobilen Arbeitsmitteln.

Der kündigungsschutzrechtliche Betriebsbegriff ist allerdings nicht nur räumlich, sondern primär auch funktional zu verstehen. Damit können auch Beschäftigte, die ortsungebunden agieren, einem Betrieb zugeordnet werden, wenn sie in die arbeitstechnische Organisation eingebunden sind und es eine einheitliche Leitung und Organisation der Einheit gibt.

Entscheidend ist danach, wo schwerpunktmäßig über Arbeitsbedingungen und Organisationsfragen, die den Remote Worker betreffen, entschieden wird – d.h., von wo aus er seine Weisungen erhält sowie in personellen und sozialen Angelegenheiten gesteuert wird.

Folglich dürfte grundsätzlich jeder Remote Worker einem „Betrieb“ im klassischen Sinne zuzuordnen sein und damit – Kleinbetriebe ausgenommen – Kündigungsschutz beanspruchen können.
Daher empfiehlt sich, schon im frühen Vorbereitungsstadium zu ermitteln, welchen Betrieben die zu kündigenden Remote Worker zuzuordnen sind, ob damit Kündigungsschutz besteht und wie die Voraussetzungen für z.B. eine betriebsbedingte Kündigung erfüllt werden können.

2. Fehler: Remote Worker bei der Ermittlung von Schwellenwerten falsch zuordnen

Bei Personalabbau im größeren Stil ist in Unternehmen mit bestehendem Betriebsrat essentiell, zuverlässig zu ermitteln, ob eine Betriebsänderung vorliegt – und damit über Interessenausgleich und Sozialplan verhandelt werden muss.

Dies hängt davon ab, ob die maßgeblichen Schwellenwerte überschritten sind oder nicht, was betriebsbezogen zu berechnen ist. Gibt es im Unternehmen mehrere Betriebe, kommt es darauf an, welchem Betrieb die jeweiligen Remote Worker zuzuordnen sind.

Ähnlich wie bei der Frage des Kündigungsschutzes kommt es hier somit auf die richtige Zuordnung an. Der betriebsverfassungsrechtliche ist zwar nicht identisch mit dem kündigungsschutzrechtlichen Betriebsbegriff. In der Regel kann jedoch zunächst auf dieselben Kriterien zurückgegriffen werden.

Nur so lässt sich belastbar ermitteln, ob die Schwellenwerte mit dem geplanten Personalabbau überschritten werden.

3. Fehler: Sich vom „analogen“ Betriebsrat ausbremsen lassen

Sind Verhandlungen über Interessenausgleich und Sozialplan erforderlich, gehört nicht selten zu den taktischen Zielen des Betriebsrats, die Verhandlungen und damit letztlich auch die Umsetzung der geplanten Maßnahmen möglichst lange hinauszuzögern.

Besteht der Betriebsrat (auch) aus Remote Workern, können neben den üblichen „Terminfindungsschwierigkeiten“ mitunter auch An- und Abreisezeiten für Präsenzverhandlungen vorgeschoben werden.
Damit muss man sich nicht vertrösten lassen. Denn der Betriebsrat kann nicht nur Verhandlungen, sondern auch seine Sitzungen remote, also per Video- bzw. Telefonkonferenz abhalten. Dies war während der Coronapandemie zeitlich befristet vorgesehen, ist nun aber permanent etabliert worden.

Sollten die Verhandlungen in eine Sackgasse geraten und eine Einigungsstelle notwendig werden, kann das ebenfalls noch – zumindest bis einschließlich zum 07.04.2023 – remote durchgeführt werden.

4. Fehler: Keine Berücksichtigung von Remote Workern bei der Massenentlassungsanzeige

Ist eine Vielzahl von Kündigungen/Aufhebungsverträgen innerhalb von 30 Tagen vorgesehen, kann dies eine Massenentlassung darstellen, die vorab bei der zuständigen Agentur für Arbeit angezeigt werden muss.
Die korrekte Feststellung, ob eine Massenentlassung vorliegt und, wenn ja, welche Arbeitnehmer davon betroffen sind, kann mitunter knifflig werden, wenn Remote Worker beschäftigt werden.

Denn bereits für die Ermittlung der „Ist“-Beschäftigtenzahl muss für jeden einzelnen Remote Worker geprüft werden, welchem Betrieb er oder sie angehört. Dies unabhängig davon, ob überhaupt ein Remote Worker entlassen werden soll oder nur reguläre andere Mitarbeiter.

Denn werden Remote Worker gar keinem oder nicht dem richtigen Betrieb zugeordnet und wird aufgrund dessen keine oder eine fehlerhafte Massenentlassungsanzeige erstellt, sind alle ausgesprochenen Kündigungen (nicht nur die der Remote Worker) unwirksam.

5. Fehler: Vergleichbarkeit von Remote Workern im Rahmen der Sozialauswahl falsch definieren

Bevor man sich in die Sozialauswahl im engeren Sinne stürzt, stellt sich die Frage, mit wem der zu kündigende Remote Worker überhaupt potentiell vergleichbar ist.

 

joern.klimburg@kliemt.de

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