Im Blickpunkt: Aktuelles zum wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz des § 4 Nr. 3 UWG
Von Dr. Daniel Kaboth
Der in § 4 Nr. 3 UWG normierte Schutz vor unlauterer Nachahmung von Leistungsergebnissen ist eine der interessantesten Unlauterkeitsregelungen des Wettbewerbsrechts überhaupt. Denn ausgehend vom Grundsatz der Nachahmungsfreiheit begründet er – anders als die Sonderschutzrechte (Patente, Gebrauchsmuster, Marken, Designs, Urheberrechte) – kein subjektives Ausschließlichkeitsrecht. Geschützt werden somit nicht die Leistungsergebnisse als solche. Vielmehr werden Unternehmer vor der unlauteren Vermarktung ihrer Leistungsergebnisse durch ihre Mitbewerber geschützt. Diese Prämisse löst eine ganze Reihe von spannenden Fragen zur richtigen Anwendung der Regelung aus.
Die beiden wichtigsten grundlegenden Fragestellungen sind einerseits das Verhältnis des lauterkeitsrechtlichen Nachahmungsschutzes zum Sonderrechtsschutz. Hier wird schon seit einigen Jahren die These vom Vorrang des Sonderrechtsschutzes durch Rechtsprechung und Literatur richtigerweise zunehmend zugunsten der These vom Gleichklang oder einer Anspruchskonkurrenz eingeschränkt, was § 4 Nr. 3 UWG als Anspruchsgrundlage in vielen Anwendungsbereichen immer interessanter macht.
Andererseits ist für jede Anwendung des § 4 Nr. 3 UWG grundlegende Voraussetzung, dass ermittelt wird, ob die Leistungsergebnisse wettbewerbliche Eigenart aufweisen. Die Rechtsprechung zur Ermittlung der wettbewerblichen Eigenart entwickelt fortlaufend weiter, welche Merkmale für die Begründung der wettbewerblichen Eigenart herangezogen werden können oder wodurch die wettbewerbliche Eigenart auch verlorengehen kann. Dies zeigt einmal mehr eine Entscheidung des OLG Köln vom 26.04.2019 (6 U 164/18) zur Nachahmung von Rotationskopfrasierern.
Grundlegendes zur wettbewerblichen Eigenart
Allgemein ist Voraussetzung für die Annahme wettbewerblicher Eigenart, dass die konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale des Erzeugnisses geeignet sind, die angesprochenen Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen. Hierfür ist nicht erforderlich, dass der Verkehr den Hersteller der Ware namentlich kennt. Er muss aber annehmen, dass die Ware von einem bestimmten Hersteller stammt, wie auch immer dieser heißt, oder von einem mit diesem verbundenen Unternehmen in Verkehr gebracht worden ist.
Das erforderliche Abheben des Produkts im Markt kann sich nur aus äußeren Gestaltungsmerkmalen ergeben, wobei auf den Gesamteindruck des Erzeugnisses abzustellen ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nicht zwingend einzelne Gestaltungsmerkmale die Eigenart begründen müssen, sondern auch allein das Zusammenwirken mehrerer, für sich genommen nicht wettbewerbliche Eigenart begründender Gestaltungsmerkmale im Verkehr auf die Herkunft des Produkts aus einem bestimmten Unternehmen hinweisen kann.
Technisch notwendige Gestaltungsmerkmale, also solche, die bei vergleichbaren Produkten aus technischen Gründen zwingend verwendet werden müssen, können unter Berücksichtigung des Grundsatzes des freien Standes der Technik keine wettbewerbliche Eigenart begründen. Anders ist dies jedoch dann, wenn die technischen Merkmale nicht notwendig, also frei austauschbar sind, ohne dass damit Qualitätseinbußen verbunden sind, der Verkehr mit ihnen aber gleichwohl die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen oder gewisse Qualitätserwartungen verbindet.
Die Bejahung wettbewerblicher Eigenart setzt im Übrigen nicht die Neuheit oder die Bekanntheit des Produkts voraus. Aber sowohl die Neuheit als auch die Bekanntheit können den Grad der wettbewerblichen Eigenart steigern. Auch nachgewiesener Werbeaufwand oder umfangreiche Werbekampagnen in den Medien wie auch Designpreise und/oder andere Auszeichnungen und veröffentlichte Produktbewertungen können den Grad der wettbewerblichen Eigenart erhöhen. Gleiches gilt, wenn der Anspruchsteller nachweislich aktiv und erfolgreich gegen Nachahmer vorgeht.
Abgeschwächt wird demgegenüber der Grad der wettbewerblichen Eigenart, wenn im Produktumfeld andere Produkte nicht nur einzelne übereinstimmende Gestaltungselemente, sondern einen vergleichbaren Gesamteindruck aufweisen. Entfallen kann die wettbewerbliche Eigenart schließlich, wenn die prägenden Gestaltungsmerkmale des nachgeahmten Originals etwa durch eine Vielzahl von Nachahmungen Allgemeingut geworden sind, so dass sie der Verkehr nicht mehr einem bestimmten Hersteller, einem bestimmten Unternehmen und/oder einer bestimmten Ware zuordnet.
Entscheidung des OLG Köln
Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das OLG Köln in seiner Entscheidung die wettbewerbliche Eigenart der Rotationskopfrasierer des Unternehmens Philips bejaht. Interessant sind hierbei insbesondere die Ausführungen des OLG Köln dazu, wie der Kläger die wettbewerbliche Eigenart darzulegen hat oder wie das Gericht sie ermittelt. Die Klägerin habe die Merkmale, welche die wettbewerbliche Eigenart begründen, konkret vorzutragen. Hierfür müsse das Produkt detailliert beschrieben und in der Regel vorgelegt werden. Ausgehend davon könne das Gericht selbst die Merkmale bestimmen, welchen wettbewerbliche Eigenart zukomme. Diese Merkmale müssen in der Klageschrift somit nicht ausdrücklich genannt werden, soweit der Kläger das Produkt selbst vorlegt und sich der Einschätzung des Gerichts zu den die wettbewerbliche Eigenart des Produkts begründenden Merkmalen anschließt.
Dies erleichtert den Vortrag und Begründungsaufwand für den Kläger in entscheidender Weise. Wenn der Kläger das Produkt vor Gericht mit seiner Klage vorlegt, kann also auch das Gericht selbst maßgebliche, die wettbewerbliche Eigenart begründende Merkmale – unabhängig vom Klagevortrag – identifizieren. Dies gilt jedenfalls dann, wenn für die Ermittlung der wettbewerblichen Eigenart nur der optische Gesamteindruck eines Produkts zu berücksichtigen ist und sich die Produkte an ein allgemeines Publikum richten. Genau mit dieser Argumentation hat das OLG Köln die wettbewerbliche Eigenart der aus seiner Sicht „joystickartigen“ Rotationskopfrasierer von Philips bejaht.
Wichtig sind daneben auch die Ausführungen des Gerichts zum etwaigen Entfallen wettbewerblicher Eigenart. Wie eingangs dargelegt, kann eine Vielzahl von Nachahmungen dazu führen, dass der Verkehr die prägenden Gestaltungsmerkmale eines Produkts nicht mehr einem bestimmten Hersteller zuordnet. Dies gilt jedoch nicht schon dann, wenn andere Nachahmer mehr oder weniger gleichzeitig auf den Markt kommen. Ansonsten könnte sich jeder Nachahmer auf die Gestaltungsform weiterer Nachahmer berufen und damit dem Hersteller des Originals rechtliche Abwehrmöglichkeiten abschneiden. Um den Einwand erfolgreich vorzubringen, muss der Anspruchsgegner vielmehr im Einzelnen dartun und beweisen, dass die maßgeblichen – die wettbewerbliche Eigenart begründenden – Merkmale bereits vorbekannt oder mittlerweile üblich geworden sind.
„Nicht geeignet für den Nachweis der Marktbedeutung von Nachahmerprodukten ist dagegen ein bloßer Verweis auf den Verkaufsrang der Nachahmerprodukte bei Amazon.“
Hierzu hat der Anspruchsgegner insbesondere auch zum Markteintritt und zur Marktbedeutung der Produkte vorzutragen, mit denen er die wettbewerbliche Eigenart des nachgeahmten Produkts in Frage stellen will. Soweit er diesbezüglich keine Absatzzahlen vorlegen kann, könnte er sich beispielsweise auch auf Werbeanstrengungen der weiteren Nachahmer stützen. Nicht geeignet für den Nachweis der Marktbedeutung von Nachahmerprodukten ist dagegen ein bloßer Verweis auf den Verkaufsrang der Nachahmerprodukte bei Amazon. Dies gilt jedenfalls dann, wenn nicht dargelegt wird oder nachvollzogen werden kann, wie der Verkaufsrang bei Amazon ermittelt wird.
Im Ergebnis hat das OLG Köln in seinem Urteil nach Bejahung einer hohen wettbewerblichen Eigenart und unter der Annahme einer erheblichen Bekanntheit des Produkts von Philips eine vermeidbare mittelbare Herkunftstäuschung bejaht. Während die Übernahme von Merkmalen, die dem freien Stand der Technik angehören, grundsätzlich nicht unlauter sei, ist die Übernahme ästhetischer Gestaltungsmerkmale, mit denen die angesprochenen Verkehrskreise Herkunftsvorstellungen verbinden, regelmäßig nicht gerechtfertigt.
Fazit und Ausblick
Das OLG Köln hat in seiner Entscheidung die umfangreiche Rechtsprechung zum wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz weiter ausdifferenziert und interessante Aspekte zu den Anforderungen an Vortrag sowie zur Ermittlung der wettbewerblichen Eigenart durch das Gericht und die Darlegungslast in Bezug auf ein mögliches Entfallen der wettbewerblichen Eigenart herausgearbeitet. Unter Berücksichtigung des sich durchsetzenden Gleichrangs von wettbewerbsrechtlichem Leistungsschutzrecht und Sonderschutzrechten wird § 4 Nr. 3 UWG eine immer interessantere Anspruchsgrundlage zur Abwehr von Waren- und Dienstleistungsnachahmern.