Einleitung
Kaum ein Rechtsgebiet genießt dieser Tage so viel Aufmerksamkeit wie das Urheberrecht. Denn sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene hat das Urheberrecht zuletzt durch höchstrichterliche Entscheidungen für Aufsehen gesorgt. Zu nennen ist beispielsweise die über zwei Jahrzehnte andauernde gerichtliche Auseinandersetzung wegen eines Samplings einer zweisekündigen Rhythmussequenz zwischen der Band Kraftwerk und dem Musikproduzenten Moses Pelham, die in die vielbeachtete „Metall auf Metall“-Entscheidung des EuGH mündete (EuGH, Urteil vom 29.07.2019 (C‑476/17)). Ein weiterer Grund für das wachsende Interesse am Urheberrecht ist die geplante Urheberrechtsreform, die sowohl von Juristen, aber auch von Nichtjuristen heiß diskutiert wurde. Bei Letzteren führte insbesondere die Diskussion rund um die „Upload-Filter“ oder das „Overblocking“ teilweise zu lautstarken Protesten.
Der am 03.02.2021 erschienene Regierungsentwurf zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarkts verfolgt das Ziel, das Urheberrecht im europäischen Binnenmarkt an die im kontinuierlichen Wandel befindlichen Technologien anzupassen. Mit dem Entwurf sollen zum einen die beiden zeitgleich verabschiedeten Richtlinien (EU) 2019/790 über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt (Digital Single Market, im Folgenden: DSM-RL) und die Richtlinie (EU) 2019/789, die Online-SatCab-Richtlinie (im Folgenden: Online-SatCab-RL), bis zum 07.06.2021 in nationales Recht umgesetzt werden. Zum anderen reagiert der Regierungsentwurf auf die bereits genannte Entscheidung des EuGH („Metall auf Metall“) zur Unvereinbarkeit des § 24 UrhG (freie Benutzung) mit dem Unionsrecht.
Da sich das Gesetzesvorhaben nun auf der Zielgeraden befindet, soll dies zum Anlass genommen werden, um einen Überblick über die geplante Reform zu geben.
Die wichtigsten Änderungen im Überblick
Neue Rechtsinstrumente: Die Verantwortlichkeit von Upload-Plattformen im neuen UrhDaG-E
Eine der Hauptaufgaben des Urheberrechts ist die Herstellung der Balance zwischen den verschiedenen Interessen der Urheber und den Interessen der Nutzer sowie der Allgemeinheit. Da Nutzer und die Allgemeinheit immer mehr in den Genuss von Werken von Urhebern über Upload-Plattformen („Diensteanbieter“) kommen, die Urheber aber in den allermeisten Fällen nicht entlohnt werden, hat sich zusehends ein Ungleichgewicht zulasten der Urheber entwickelt. Um das Gleichgewicht wiederherzustellen, sollen nun die Intermediäre, also die Diensteanbieter, in die Pflicht genommen werden. Die Bundesregierung hat sich in ihrem Entwurf entschlossen, den wohl umstrittensten Aspekt der Urheberrechtsreform, die in Art. 17 DSM-Richtlinie geregelte Verantwortlichkeit der Upload-Plattformen, im Rahmen eines neuen eigenständigen Gesetzes umzusetzen.
Der neue § 1 UrhDaG-E sieht vor, dass Diensteanbieter für die Wiedergabe von Inhalten nun grundsätzlich urheberrechtlich verantwortlich sind. Sie können sich nur von ihrer Haftung befreien, wenn sie den im Gesetz geregelten Sorgfaltspflichten nachkommen. Hierzu zählt zum einen die Pflicht, bestimmte Lizenzen für die öffentliche Wiedergabe urheberrechtlich geschützter Werke zu erwerben (§ 4 UrhDaG-E). Sind geschützte Inhalte nicht lizenziert und ist die Nutzung nicht gesetzlich oder vertraglich erlaubt, so ist der Diensteanbieter verpflichtet, nach einer Information des Rechteinhabers die entsprechenden Inhalte zu blockieren (§§ 7, 8 UrhDaG-E).
Besonders hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang auch § 10 UrhDaG-E. Hinter dieser, mit der Überschrift „Geringfügige Nutzungen“ versehenen, Vorschrift verbirgt sich die sogenannte. Bagatellschranke, die insbesondere bei Rechteinhabern für Unmut gesorgt hat. Inhaltlich geht es dabei um eine gesetzliche Erlaubnis für Nutzer, auf Werke Dritter zurückzugreifen, sofern sie nichtkommerziellen Zwecken oder nur zur Erzielung unerheblicher Einnahmen dienen. Demnach gelten Nutzungen bis zu 15 Sekunden je eines Filmwerks oder Laufbilds, Nutzungen bis zu 15 Sekunden je einer Tonspur, Nutzungen bis zu 160 Zeichen je eines Textes und Nutzungen bis zu 125 Kilobyte je eines Lichtbildwerks, Lichtbilds oder einer Grafik als geringfügig und wären damit gesetzlich erlaubt. Immerhin sieht § 12 Abs. 1 UrhDaG-E einen Vergütungsanspruch des Urhebers gegen den Dienstanbieter vor, der jedoch von einer Verwertungsgesellschaft geltend zu machen ist.
Zugunsten der Nutzer und zur Stärkung der Kunstfreiheit enthält das neue Gesetz aber noch weitere Schranken. So ist insbesondere die Nutzung von Zitaten (nach § 51 UrhG-E), Karikaturen, Parodien und Pastiches (§ 51a UrhG-E) erlaubt, so dass Diensteanbieter mit automatisierten Verfahren zunächst verpflichtet werden, Uploads, die unter diese Kategorien fallen, öffentlich wiederzugeben (siehe § 5 Abs. 1 UrhDaG-E). Sollte sich aus Beschwerdeverfahren ergeben, dass die Nutzung nicht gestattet war, ist der Inhalt wieder zu entfernen.
Zwar enthält der Regierungsentwurf – im Interesse der Diensteanbieter – einen klaren Anwendungsbereich § 3 UrhDaG-E (nicht gewinnorientierte Online-Enzyklopädien etwa sind ausgenommen) und ebenso klare Sorgfaltspflichten. Ob dies aber wirklich dazu führt, dass das befürchtete Overblocking durch die Diensteanbieter verhindert wird, bleibt abzuwarten.
Neues Lizenzsystem: Kollektive Lizenzen mit erweiterter Wirkung (englisch: Extended Collective Licences – ECL)
Eine weitere wirkliche Neuerung enthält § 51 VGG-E mit den sogenannten kollektiven Lizenzen mit erweiterter Wirkung. Nach diesem neuen Modell können Verwertungsgesellschafen nicht nur die Nutzungsrechte an den Werken ihrer Mitglieder einräumen, sondern auch Nutzungsrechte an Werken von Außenstehenden, also Personen, die nicht in einem Wahrnehmungsverhältnis mit der Verwertungsgesellschaft stehen (§ 7a VGG-E). Da dies jedoch ein erheblicher Eingriff in die Vertragsfreiheit des Außenstehenden ist, bedarf es weitreichender Instrumente, um den Eingriff in die Vertragsfreiheit des Außenstehenden auszugleichen. Zu diesem Zweck kann dieser jederzeit widersprechen und die Nutzung gegenüber der Verwertungsgesellschaft versagen (§ 51 Abs. 2 VGG-E). Zum Schutz der Außenstehenden dürfen zudem nur sogenannte repräsentative Verwertungsgesellschaften, die unter der Aufsicht des Deutschen Patent- und Markenamts (DPMA) stehen, treuhänderisch über Nutzungsrechte des Außenstehenden verfügen. Widerspricht der Außenstehende hingegen nicht, hat er die gleichen Rechte und Pflichten wie bei einer Wahrnehmung auf vertraglicher Grundlage (§ 51 Abs. 3 VGG-E).
Weitere wichtige Änderungen im UrhG und im VGG
Besserstellung einzelner Akteure
Die neuen Änderungen im UrhG-E sehen Anpassungen und Stärkungen von verschiedenen Akteuren vor. Zum einen soll die Rechtsposition der Urheber gestärkt werden. So soll der Urheber unter anderem in finanzieller Hinsicht über § 32 UrhG-E angemessen an der Verwertung seines Werks beteiligt werden. § 32a UrhG-E senkt zudem die Schwelle zur Geltendmachung einer weiteren Beteiligung, indem nicht mehr ein „auffälliges Missverhältnis zu den Erträgen und Vorteilen aus der Nutzung des Werkes“ verlangt wird, sondern nunmehr eine bloße Unverhältnismäßigkeit ausreicht.
Daran anknüpfend erhalten Verleger gemäß § 63a UrhG-E einen Beteiligungsanspruch, was sich auch wieder positiv auf die Urheber auswirkt, da diese über § 27b VGG-E eine Mindestbeteiligung von 2/3 der Einnahmen erhalten können, sofern die Verwertungsgesellschaft keine andere Verteilung festlegt.
Eine weitere Neuerung ist die Einführung eines Leistungsschutzrechts des Presseverlegers, das in den §§ 87f–87k UrhG-E geregelt ist und letztlich der Umsetzung des Artikels 15 DSM-RL dient. Der Hintergrund für die Einführung dieses Leistungsschutzrechts ist die zunehmende Schwierigkeit der Presseverleger, ihre wirtschaftliche Existenz zu sichern. Rückläufige Umsatzzahlen und der bisher unzureichende Schutz für Presseerzeugnisse sollen nun mit Hilfe dieses Leistungsschutzrechts abgefedert werden.
§ 87g UrhG-E enthält wiederum eine Konkretisierung des Schutzbereichs und setzt gleichzeitig Grenzen. Demnach sind etwa die Nutzung einzelner Wörter oder kurzer Auszüge aus der Presseveröffentlichung nicht vom Leistungsschutzrecht umfasst. Auch das Setzen eines Hyperlinks auf eine Presseveröffentlichung wäre kein Eingriff in das Leistungsschutzrecht des Presseverlegers. Im Übrigen erhalten die Urheber auch hier einen Beteiligungsanspruch aus den Erlösen des Presseverlegers, vgl. § 87k UrhG-E.
Reaktion auf die „Metall auf Metall“-Entscheidung des EuGH
Der langjährige Rechtsstreit zum Sampling zwischen Moses Pelham und der Band Kraftwerk mündete letztlich in die „Metall auf Metall“-Entscheidung des EuGH. Beruhend auf dieser Entscheidung wird § 24 UrhG aufgehoben und die darin enthaltene Schutzbereichsbegrenzung auf § 23 UrhG-E übertragen, der vorsieht, dass keine – und somit eine zustimmungsfreie – Bearbeitung oder Umgestaltung des Werks nur dann vorliegt, wenn das neu geschaffene Werk einen hinreichenden Abstand zum benutzten Werk wahrt.
Ausblick
Der Regierungsentwurf enthält mit der Einführung der Verantwortlichkeit von Upload-Plattformen und der kollektiven Lizenz mit erweiterter Wirkung interessante Neuerungen. Obwohl gerade die Kreativen digitaler Inhalte/Werke von der neuen Rechtslage profitieren dürften, bedeutet die in § 10 UrhDaG-E vorgeschriebene Bagatellschranke eine nicht unerhebliche Einschränkung für die Rechteinhaber. Diese Einschränkung wird aber immerhin mit einem Vergütungsanspruch gegen den Dienstanbieter abgefedert. Den Dienstanbietern, wie insbesondere YouTube, werden wiederum nicht unerhebliche Pflichten auferlegt. Ob diese Sorgfaltspflichten zu einer erhöhten Rechtssicherheit führen, bleibt abzuwarten. Denn die Gefahr eines Overblockings lässt sich mit der jetzigen Regelung – aufgrund einer drohenden Inanspruchnahme – immer noch nicht vollständig beseitigen.