In unserer Rubrik „Inhouse-Top-5“ stellen wir Ihnen im Online-Magazin IntellectualProperty in loser Folge alle wichtigen und praxisrelevanten Themen vor, die bei führenden IP-Unternehmensjuristen in Deutschland ganz oben auf der Agenda stehen. Mit Inhouse-Top-5 wollen wir weiter zu einer verbesserten Transparenz im deutschen Rechtsmarkt beitragen, übrigens auf der Nachfrager- und auf der Anbieterseite: bei Unternehmen, Sozietäten und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften sowie Dienstleistern. Inhouse-Top-5 ergänzt die in IntellectualProperty seit langem eingeführte praxisbezogene Berichterstattung. Und weil der Faktor Zeit Geld (wert) ist, haben wir unsere Berichterstattung hierzu in eine möglichst kompakte Form gebracht – „In a Nutshell“. In dieser Ausgabe lesen Sie die Top-5-Themen unseres Fachbeirats Marcus Ehnle.
Meine Top-5-Themen für 2022
(1) IP-Compliance als Teil der Corporate-Social-Responsibility-Strategie eines Unternehmens
- Die Corporate-Social-Responsibility(CSR)-Strategie umfasst die gesellschaftliche Verantwortung eines Unternehmens in ökologischer, ökonomischer und sozialer Hinsicht. Ein Hauptziel einer solchen Strategie ist es, ethisch verantwortungsvoll zu agieren. Dies bedeutet im Wesentlichen, dass die Gesellschaft durch das Unternehmen vor negativen Einflüssen geschützt wird und dieses positiv zur Weiterentwicklung der Gesellschaft beiträgt. In diesem Rahmen ist die IP-Compliance zu sehen. Sie beschreibt die Definition von Organisation, Zuständigkeiten, Regelungen und Kontrollmechanismen zur Einhaltung gesetzlicher Regelungen im IP-Recht. Insbesondere soll durch die Implementierung einer IP-Compliance und der damit verbundenen Struktur in einem Unternehmen verhindert werden, dass Schutzrechte Dritter verletzt werden, zum Beispiel durch entsprechende IP-rechtliche Abklärungen im Produktentwicklungsprozess. Nach herrschender Rechtsprechung muss ein Unternehmen vor Aufnahme geschäftlicher Tätigkeiten prüfen, ob seine Erzeugnisse oder Verfahren in den Schutzbereich fremder Rechte fallen. Diese Verpflichtung beruht nicht allein auf der allgemeinen Pflicht zum Schutz fremder Rechtsgüter. Sie ist vielmehr Ausdruck der gesteigerten Gefährdungslage, der technische Schutzrechte typischerweise ausgesetzt sind. Kraft seiner Verantwortung für die Organisation und Leitung des Geschäftsbetriebs und der damit verbundenen Gefahr, dass dieser so eingerichtet wird, dass die Produktion oder Vertriebstätigkeit des Unternehmens die fortlaufende Verletzung technischer Schutzrechte Dritter zur Folge hat, ist der gesetzliche Vertreter einer Gesellschaft deshalb grundsätzlich gehalten, die gebotenen Überprüfungen zu veranlassen oder den Geschäftsbetrieb so zu organisieren, dass die Erfüllung dieser Pflicht durch dafür verantwortliche Mitarbeiter gewährleistet ist. Er muss insbesondere dafür sorgen, dass grundlegende Entscheidungen über die Geschäftstätigkeit der Gesellschaft nicht ohne seine Zustimmung erfolgen und dass die mit Entwicklung, Herstellung und Vertrieb betrauten Mitarbeiter der Gesellschaft die gebotenen Vorkehrungen treffen, um eine Verletzung fremder Patente zu vermeiden (BGH, Glasfaser II, Urteil vom 15.12.2015, Az.: X ZR 30/14). Die IP-Compliance umfasst aber auch Regelungen und Strukturen, die die Einhaltung von Rechtsvorschriften gewährleisten sollen, namentlich Regelungen bezüglich Vergütungsverpflichtungen für Arbeitnehmererfindungen oder solche für den Umgang mit anvertrauten vertraulichen Informationen. Die Einreichung von Erfindungen und technischen Verbesserungen stellt in einem (globalen) Unternehmen einen wichtigen Aspekt dar und entsprechend müssen Prozesse und Systeme zur Sicherung von eigenem IP und Know-how eingerichtet werden. Von einer wirksamen IP-Compliance sind auch Regelungen in Bezug auf Verträge mit IP-rechtlichen Vereinbarungen zu erwarten, um insbesondere Haftungsrisiken durch die Geschäftsführung zu minimieren, denn nach herrschender Rechtsprechung werden alle Fragen der Produkt- und Sortimentsgestaltung auf Geschäftsführerebene entschieden (BGH GRUR 2014, 883). Für (internationale) Unternehmen ist deshalb eine IP-Compliance unerlässlich für den Aufbau eines funktionierendes IP-Risikomanagements und die Sicherung von eigenen Schutzrechten und Know-how.
(2) Die richtige IP-Strategie und ein darauf aufbauendes IP-Management als Schlüsselfaktoren für den Geschäftserfolg
- Eine für eine Firma maßgeschneiderte IP-Strategie bildet das Rückgrat sämtlicher IP-Aktivitäten; sie ist essentiell für Organisation, Governance und IP-Management eines gewählten IP-Ansatzes eines Unternehmens.
- Durch die richtige IP-Strategie kann etwa die Generierung und Sicherung von IP als „intangible assets“ optimiert werden, was zur Steigerung des Firmenwerts im Allgemeinen beiträgt. Potentielle Risiken können hinsichtlich der IP-Strategie betrachtet und entsprechend behandelt werden.
- Die IP-Strategie definiert den strategischen Stellenwert einer IP-Funktion innerhalb eines Unternehmens und gibt den Rahmen für die Einordnung innerhalb des Organisationsgefüges des Unternehmens vor. In vielen Firmen stellt IP eine strategische und essentielle Funktion dar, die häufig direkt beim Vorstand oder in Vorstandsnähe organisiert ist.
- Die richtige IP-Strategie hilft einen modernen und effizienten IP-Ansatz innerhalb einer Firma zu etablieren, so dass etwaigen zukünftigen Herausforderungen entgegengetreten werden kann.
(3) IP und Digital/IoT
- Internet of Things (IoT) und intelligente Digitallösungen stellen eine Herausforderung für viele IP-Funktionen und Unternehmen dar.
- Die Digitalisierung wird in vielen Firmen als essentiell für die Zukunft betrachtet, umso wichtiger sind der Schutz von digitalen Lösungen und die Freiheit, digitale Produkte und Dienstleistungen anbieten und Businessmodelle absichern zu können.
- Herausforderungen sind dabei häufig Standard Essential Patents (SEP) und eine Lizenznahme nach FRAND.
- Der Umgang mit „Erfindungen“, die nicht von natürlichen Personen stammen, sondern vielmehr durch AI generiert werden, erfordert ein Umdenken hinsichtlich des klassischen Erfinders.
(4) Europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung und Einheitspatentgericht (UPC)
- Für den Patentschutz in Europa werden dem Anmelder eines Patents künftig nationale Patente, ein EP-Bündelpatent, aber auch das Europäische Patent mit einheitlicher Wirkung sowie eine Kombination davon zur Verfügung stehen.
- Mit Inkrafttreten der Übereinkommen und Verordnungen zum Europäischen Patent mit einheitlicher Wirkung (nur für alle teilnehmenden EP-Mitglieder) und zum Einheitspatentgericht (UPC) entstehen neue Möglichkeiten für die Inhaberin von Patenten.
- Die sachliche Zuständigkeit des neuen Einheitspatentgerichts als gemeinsames Gericht der Vertragsmitgliedsstaaten umfasst grundsätzlich sowohl europäische Patente ohne einheitliche Wirkung als auch solche mit einheitlicher Wirkung (und zugehörige ergänzende Schutzzertifikate).
- Als Vorbereitung auf das Inkrafttreten des EPGÜ sollte jeder Anmelder für sich klären, ob für seine Zwecke ein Europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung oder ein Bündelpatent sinnvoller ist. Gegebenenfalls sollte die Erteilung verzögert werden. Ist ein Europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung beabsichtigt, kann ein sogenannter früher Antrag auf einheitliche Wirkung ab dem Tag der Hinterlegung der Ratifikationsurkunde durch die Bundesrepublik Deutschland gestellt werden, sofern eine Mitteilung nach R. 71 (3) EPÜ ergangen ist. Wobei die einheitliche Wirkung nur für solche europäischen Patente eintritt, die am oder nach dem Tag des Inkrafttretens der Europäischen Verordnung zum Einheitspatent 1257/2012 erteilt werden. Zu beachten ist, dass ein früher Antrag auf ein Europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung keine aufschiebende Wirkung der Entscheidung über die Erteilung des Europäischen Patents hat.
- Eine andere Möglichkeit bildet ein Antrag auf Verschiebung der Entscheidung über die Erteilung einer Europäischen Patentanmeldung, sofern dieser fristgerecht gestellt wird, die Mitteilung gemäß R. 71 (3) EPÜ ergangen ist und die Anmelderin sich noch nicht mit der Erteilungsfassung einverstanden erklärt hat. Der Antrag kann an dem Tag gestellt werden, an dem die Bundesrepublik Deutschland ihre Ratifikationsurkunde zum EPGÜ hinterlegt hat. Die Möglichkeit endet mit Inkrafttreten des EPGÜ. Separat muss zusätzlich noch ein Antrag für die Erteilung eines Europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung gestellt werden.
- In Bezug auf das Europäische Einheitspatentgericht ist zu entscheiden, ob dieses für eine Patentstreitigkeit sachlich zuständig sein soll. Hier sollte die Anmelderin innerhalb der Fristen das Opt-out für das betreffende Patent bei der UPC-Kanzlei beantragen, wobei ein Opt-out nur für solche Europäischen Patente ohne einheitliche Wirkung möglich ist, die vor Ablauf der Übergangszeit erteilt/beantragt worden sind. Auch darf noch keine Klage vor dem UPC erhoben oder anhängig sein. Ein Widerruf des Opt-out ist zwar möglich, jedoch ist dann kein weiterer Opt-out-Antrag für das betreffende Europäische Patent mehr möglich. Nach einer Übergangszeit von sieben Jahren ist dann das Europäische Einheitsgericht ausschließlich für Klagen wegen Verletzung beziehungsweise auf Nichtigerklärung eines Europäischen Patents oder Schutzzertifikats zuständig, Art. 83 (1) EPGÜ.
(5) China und sein Datenrecht
- Daten sind für digitale Business-Modelle essentiell und für eine Firma Know-how. Der Zugang zu Daten, deren Nutzung, die Möglichkeit der Datenduplikation und die Geheimhaltung von Daten können ausschlaggebend für den Geschäftserfolg eines Unternehmens sein.
- China hat seinen rechtlichen Rahmen zum Thema Daten weiter ausgebaut; er besteht aus dem Cyber Security Law (CSL), dem Data Security Law (DSL), dem Privat Information Protection Law (PIPL), der Personal Information Security Specification (PISS) und der Internet Content Provider License (ICP-License).
- Für einige Daten kann das bedeuten, dass die grenzüberschreitende Übertragung zu unterlassen ist; dazu könnten insbesondere sogenannte wichtige Daten (CSL, DSL) (etwa GPS-Daten neben Militärbasen), sensitive personenbezogenen Daten (etwa Zahlungsdaten, Ortsdaten), personenbezogene Information (z.B. E-Mail, Telefonnummer), Finanzdaten von Kunden oder auch Standortdaten eines Kundengebäudes gehören.
- Die eingeschränkten Möglichkeiten zum grenzüberschreitenden Datenverkehr mit China könnten eine Neuausrichtung der digitalen Business-Modelle eines Unternehmens erfordern.