Aus der Praxis für die Praxis

Beitrag als PDF (Download)

In unserer Rubrik „Inhouse-Top-5“ stellen wir Ihnen im Online-Magazin IntellectualProperty in loser Folge alle wichtigen und praxisrelevanten Themen vor, die bei führenden IP-Unternehmensjuristen in Deutschland ganz oben auf der Agenda stehen. Mit Inhouse-Top-5 wollen wir weiter zu einer verbesserten Transparenz im deutschen Rechtsmarkt beitragen, übrigens auf der Nachfrager- und auf der Anbieterseite: bei Unternehmen, Sozietäten und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften sowie Dienstleistern. Inhouse-Top-5 ergänzt die in IntellectualProperty seit langem eingeführte praxisbezogene Berichterstattung. Und weil der Faktor Zeit Geld (wert) ist, haben wir unsere Berichterstattung hierzu in eine möglichst kompakte Form gebracht – „In a Nutshell“.

In dieser Ausgabe lesen Sie die Top-5-Themen unseres Fachbeirats Dr. Dennis Amschewitz.

(1) Künstliche Intelligenz (KI) als Erfinder von Patenten

Schon seit einigen Jahren gibt es Diskussionen zu der Frage, wie mit Erfindungen umzugehen ist, die von einer KI geschaffen wurden. Eine der Kernfragen ist dabei, ob die KI in einer Patentanmeldung als Erfinder genannt werden kann. In den letzten Monaten gab es hierzu vermehrt – auch auf europäischer Ebene – relevante Gerichtsentscheidungen. So hat die Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes in einer Entscheidung vom 21. Dezember 2021 entschieden, dass nach dem Europäischen Patentübereinkommen (EPÜ) ein in einer Patentanmeldung benannter Erfinder ein Mensch sein muss und nicht eine KI sein kann (J 8/20 und J 9/20). Anders entschied bspw. für Australien im Juli 2021 der Federal Court of Australia. Demnach enthielten die Bestimmungen des australischen Patentgesetzes nichts, was es ausschließe, dass ein Erfinder ein „Nicht-Mensch“ sei (VID 108 of 2021). Auch vor dem Hintergrund der schnell voranschreitenden Entwicklung der KI wird das Thema weiterhin beachtenswert bleiben.

(2) Neufassung der Gruppenfreistellungsverordnung Forschung und Entwicklung (F&E-GVO)

Die aktuelle F&E-GVO verliert zum Ende des Jahres 2022 ihre Gültigkeit. Die EU-Kommission arbeitet an einer Neufassung der F&E-GVO und hat zum 1. März 2022 einen ersten Entwurf hierzu vorgelegt, mit der Bitte um Stellungnahme interessierter Kreise. Unter anderem führt der Entwurf mit „undertaking competing in innovation“ und „R&D pole“ bislang in der F&E-GVO nicht enthaltene Begriffe ein, deren Mehrwert nicht unmittelbar erkennbar ist. Es bleibt abzuwarten, ob die Kommission im Rahmen des Gesetzgebungsprozesses insoweit noch Klarheit schafft und zudem weitergehende, im aktuellen Entwurf nicht adressierte Themen angeht, wie bspw. das vielfach als problematisch angesehene Erfordernis des Zugangs zu den Entwicklungsergebnissen für alle Parteien, auch im Falle der Auftragsforschung.

(3) Geplante EU-Verordnung zu standardessentiellen Patenten (SEP)

Die EU-Kommission hat am 15. Februar 2022 eine Sondierung sowie eine öffentliche Konsultation zu SEP eröffnet. Wie in ihrem Aktionsplan 2020 zum geistigen Eigentum angekündigt, will die EU-Kommission die richtigen Voraussetzungen für ein transparentes, berechenbares und effizientes SEP-System schaffen. Konkret ist das Ziel der Initiative die Verabschiedung einer EU-Verordnung, mit der die EU-Kommission unter anderem folgende Fragen adressieren will: Welche Patente sind wirklich entscheidend für Normen? Wer besitzt die Lizenzen dafür? Wie viel Geld sollen Unternehmen für den Erwerb solcher Rechte zahlen oder damit verdienen? Bis zum 9. Mai 2022 können interessierte Parteien ihre Ansichten und Erfahrungen zum Thema SEP einbringen. Nicht zuletzt aufgrund der zunehmenden Bedeutung der SEP – etwa auch in der Automobilbranche, Stichwort Kommunikationsstandards 4G und 5G – ist von einem sehr kontrovers begleiteten Gesetzgebungsverfahren auszugehen.

(4) „Data Act“ der Europäischen Kommission

Das Thema Zugang zu nicht-personenbezogenen Daten wird aufgrund seiner strukturellen Nähe zu den klassischen IP-Themen (bspw. Lizenzfragen, GeschGehG) regelmäßig zumindest auch von IP-Unternehmensjuristen betreut. Am 23. Februar 2022 hat die Kommission einen Vorschlag für eine Verordnung zu harmonisierten Vorschriften für einen fairen Zugang zu Daten und deren Nutzung (Data Act) vorgestellt. Die wesentlichen Themen des Data Act sind Zugang zu und Nutzung von Daten, die Bedingungen für den Zugang durch öffentliche Einrichtungen, Cloud-Switching, internationale Datenübertragungen sowie Interoperabilität. Einer der Kerngrundsätze des Verordnungsvorschlags ist, dass Verbraucher und Unternehmen Zugang zu solchen Daten haben sollen, zu deren Erzeugung sie beigetragen haben. Auch sollen Verbraucher und Unternehmer die Daten für sich anschließende Dienste (wie etwa vorausschauende Wartung) verwenden können. Insbesondere von Industrieseite regt sich zu einigen Themen bereits Widerstand, so dass abzuwarten bleibt, wie der Data Act in seiner finalen Fassung aussehen wird.

(5) Einsatz von Legal-Tech-Tools in den IP-Rechtsabteilungen

Auch im Jahr 2022 wird die Bedeutung von Legal-Tech-Tools in den IP-Rechtsabteilungen weiter zunehmen. Dabei geht es nicht nur um Organisationstools, die zum Beispiel agileres, flexibleres Arbeiten in den Teams ermöglichen (wie bspw. Kanban Boards) oder die Kommunikation mit externen Rechtsanwälten vereinfachen sollen. Vielmehr kommen nicht zuletzt aufgrund der häufig knapper werdenden Ressourcen in den Teams vermehrt auch Tools zum Einsatz, die bei der rechtlichen Beratung von Mandanten unterstützen. Mögliche Anwendungsfelder hierfür sind etwa Vertraulichkeitsvereinbarungen oder einfach strukturierte Entwicklungsverträge. Ob zukünftig darüber hinaus auch bei komplexeren rechtlichen Themen Legal-Tech-Tools zum Einsatz kommen werden, scheint jedenfalls zum gegenwärtigen Zeitpunkt eher zweifelhaft zu sein.

 

dennis.amschewitz@de.bosch.com

Aktuelle Beiträge