BGH: Auskunftsansprüche gegen Schutzrechtsverletzer und Plattformbetreiber

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Immer wieder bedienen sich Anbieter von schutzrechtsverletzenden Waren und Dienstleistungen für deren Vertrieb an Internetmarktplätzen und bezahlten Anzeigen in Internetsuchmaschinen. Während die Betreiber der Markplätze und Suchmaschinen inzwischen wohl eingespielte Verfahren eingeführt haben, solche Angebote spätestens auf Anforderung des Schutzrechtsinhabers von dem Marktplatz oder der Suchmaschine zu entfernen (sogenannte Take-Down-Verfahren), stellt sich oft die Frage, inwieweit der Betreiber des Marktplatzes beziehungsweise der Suchmaschine gegenüber dem Schutzrechtsinhaber haftet. Unter anderem geht es darum, welche Auskünfte der Betreiber dem Schutzrechtsinhaber gegenüber zu erteilen hat, damit der Schutzrechtsinhaber Schadensersatzansprüche gegenüber dem Anbieter der verletzenden Waren oder Dienstleistungen als Besteller der Werbeanzeige (nachfolgend kurz Besteller genannt) berechnen und geltend machen kann. Einen solchen Fall hatte der Bundesgerichtshof (BGH) im vergangenen Juli zu entscheiden (BGH I ZR 121/21 – Google-Drittauskunft).

Der Entscheidung zugrunde liegender Sachverhalt

Die Klägerin ist Inhaberin einer deutschen Wortmarke, welche unter anderem für die Dienstleistungen Entsorgung und Verwendung von Abfall durch Recycling eingetragen ist. Das Wortzeichen wird von der Klägerin ferner als Unternehmenskennzeichen für ihren Geschäftsbereich genutzt.

Unter Nutzung dieses Zeichens hatte ein Besteller bei Google eine AdWords-Anzeigenkampagne geschaltet und darüber Entsorgungsdienstleistungen angeboten. Wurde also in die Suchmaschine von Google das in Rede stehende Zeichen als Suchbegriff eingegeben, wurde der Suchende unmittelbar auf das Angebot des Bestellers aufmerksam gemacht und konnte durch einen Link auf die Landingpage des Bestellers gelangen. Auf einen Take-Down-Antrag durch die Klägerin ist die Werbung sogleich von Google entfernt worden. Strittig blieben jedoch Auskunftsansprüche, sodass die Klägerin Google gerichtlich auf Auskunft zu Folgendem in Anspruch nahm:

a) dem Namen und der Anschrift des Bestellers,
b) dem Zeitpunkt, ab dem die Anzeige bei Google sichtbar war,
c) Anzahl der Klicks, mit denen über die Anzeige zugängliche Internetseiten aufgerufen worden sind, und
d) den Preis, den der Besteller für diese Anzeige an Google gezahlt hat.

Nachdem Google während des laufenden Verfahrens die unter a) geforderte Auskunft über den Namen und die Anschrift des Bestellers erteilt hat, haben die Parteien diesen Klageantrag übereinstimmend für erledigt erklärt. Strittig blieben jedoch die obigen Anträge unter b) bis d).

Entscheidung des BGH

Während die Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren und im Berufungsverfahren noch teilweise erfolgreich war, hat der Bundesgerichtshof die Entscheidung des Berufungsgerichts insoweit aufgehoben, wie die Klägerin erfolgreich war, und hat die Klage insgesamt abgewiesen. Die noch im Streit befindlichen Auskünfte stünden der Klägerin nicht zu.

§ 19 Abs. 1 Satz 1 Markengesetz (MarkenG) ermöglicht es, dem Inhaber einer Marke oder einer geschäftlichen Bezeichnung von einem Markenverletzer unverzügliche Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg von widerrechtlich gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu verlangen. Bei offensichtlicher Rechtsverletzung besteht der Anspruch gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 MarkenG auch gegen eine Person, die in gewerblichem Ausmaß für rechtsverletzende Tätigkeiten genutzte Dienstleistungen erbracht hat, wie dieses vorliegend durch Google geschehen ist. Vorliegend war der BGH von der Offensichtlichkeit der Rechtsverletzung (wohl auch von den Parteien des Rechtsstreits unbestritten) überzeugt, so dass der Klägerin grundsätzlich Auskunftsansprüche gegen Google zustehen. Der BGH stellt im Ergebnis aber auch fest, dass diese Ansprüche auf den in § 19 Abs. 3 MarkenG definierten Umfang beschränkt sind, als da wären:

  • gemäß § 19 Abs. 3 Nr. 1 MarkenG Namen und Anschrift der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer der Waren oder Dienstleistungen sowie der gewerblichen Abnehmer und Verkaufsstellen, für die sie bestimmt waren, und
  • gemäß § 19 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG die Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Waren sowie über die Preise, die für die betreffenden Waren oder Dienstleistungen bezahlt wurden.

Zu den einzelnen geforderten Auskünften hat der BGH grob wie folgt argumentiert:

Geforderte Auskunft über den Zeitpunkt, ab dem die Anzeige bei Google sichtbar war:

Das Berufungsgericht war noch davon ausgegangen, dass durch das Schalten einer Werbeanzeige im Internet zugleich ein Vertriebsweg eröffnet würde, so dass nach § 19 Abs. 1 MarkenG die Auskunft über den Vertriebsweg geschuldet sei. Der Auskunftsanspruch sei nicht auf die bloße Mitteilung, dass ein Vertriebsweg bestanden habe, beschränkt, sondern würde sich auch auf den Zeitpunkt der Eröffnung dieses Vertriebswegs erstrecken. Dem hat sich der BGH nicht angeschlossen. Er kam nach genauer Analyse der Entstehungsgeschichte und der dem § 19 MarkenG zugrundeliegenden Regelung des Art. 8 Abs. 2 der sogenannten Markenrechtsrichtlinie (Richtlinie 2004/48/EG) zu dem Schluss, dass der Auskunftsanspruch klar umschrieben sei. Daher könne aus § 19 Abs. 1 MarkenG über die in § 19 Abs. 3 MarkenG genannten Auskünfte hinaus keine weitergehenden Auskunftspflichten abgeleitet werden. Mangels einer planwidrigen Regelungslücke käme eine analoge Anwendung des § 19 MarkenG auch nicht in Betracht.

Geforderte Auskunft über Anzahl der Klicks

Der Wortlaut des § 19 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG begründet – ebenso wie die deutsche Sprachfassung von Art. 8 Abs. 2 Buchst. b der Markenrechtsrichtlinie – unmittelbar nur eine Auskunftspflicht betreffend „die Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Waren“ sowie „über die Preise, die für die betreffenden Waren oder Dienstleistungen bezahlt worden sind“. Demnach sind Dienstleistungen für die Auskunft nach der Menge nicht ausdrücklich umfasst. Unter Heranziehung anderer Sprachfassungen der Markenrechtsrichtlinie, wie der englischen, der französischen und der spanischen Sprachfassung kommt der BGH aber zu dem Schluss, dass auch bei Dienstleistungen Auskunft über die Menge der erbrachten, erhaltenen oder bestellten Dienstleistungen verlangt werden könne. Aber selbst bei dieser für die Klägerin günstigen Annahme stünde ihr die geforderte Auskunft nach der Anzahl der Klicks nicht zu, da die Marke nicht an den inkriminierten Dienstleistungen angebracht sei, sondern lediglich Gegenstand einer AdWords-Anzeige war. Wieder käme eine analoge Anwendung des § 19
Abs. 3 MarkenG nicht in Betracht.

Geforderte Auskunft über den Preis für die AdWords-Anzeige

Der BGH stimmt zu dieser Frage dem Berufungsgericht zu, dass es sich bei den „Dienstleistungen“ im Sinne von § 19 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG nicht um diejenigen Dienstleistungen handelt, die der Verletzer für die rechtsverletzende Tätigkeit genutzt habe, sondern um die widerrechtlich gekennzeichneten Dienstleistungen im Sinne von § 19 Abs. 1 MarkenG. Eine analoge Anwendung von § 19 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG scheide aus. Ferner sei der Preis, den der Besteller für die AdWords-Anzeige an die Beklagte gezahlt hat, kein Preis, der im Sinne des § 19 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG „für die betreffenden Waren oder Dienstleistungen gezahlt“ worden ist.

Auch keine weitergehenden Ansprüche aus Treu und Glauben (§ 242 BGB)

Auch aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 242 BGB) könne die Auskunft nicht von Google verlangt werden. Zwar habe der Markeninhaber neben dem Anspruch nach § 19 MarkenG auch nach dieser Regelung einen unselbstständigen Auskunftsanspruch zur Vorbereitung und Durchsetzung des gegen den Verletzer gerichteten Schadensersatzanspruchs. Vorliegend würde zwischen den Parteien jedoch keine besondere rechtliche Beziehung bestehen, welche für die Anwendung des § 242 BGB erforderlich wäre.

Fazit

Auskunftsansprüche gegen Schutzrechtsverletzer und Plattformbetreiber dienen der Vorbereitung von Schadensersatzansprüchen gegen den Schutzrechtsverletzer und bilden somit ein wichtiges Glied in der Kette, mit der ein Schutzrechtsinhaber seinen Schadensersatzanspruch berechnen und anschließend durchsetzen kann. Obwohl für den vorliegenden Streit nicht entscheidungserheblich, so liest der Autor aus der Entscheidung, dass der BGH in der hier dargestellten Entscheidung „Google-Drittauskunft“ Auskunftsansprüche gegen den Plattformbetreiber grundsätzlich bestätigt. Der BGH stellt jedoch klar, dass ein Inhaber einer Marke oder geschäftlichen Bezeichnung gegen einen Betreiber einer Plattform, auf welchem Besteller eine AdWords-Anzeige schalten können, nur die in § 19 Abs. 3 MarkenG ausdrücklich aufgeführten Auskunftsansprüche hat. Hiermit ist eine weitere Klarstellung der Grenzen für den Auskunftsanspruch gezogen.

Obwohl die Entscheidung zum Markenrecht erging, dürfte sie sich auch auf andere Schutzrechtsarten erstrecken, da hier im Wesentlichen die gleichen Regelungen für den Auskunftsanspruch bestehen.

 

detlef.vonahsen@kuhnen-wacker.com

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