Künstliche Intelligenz (KI) und ihre Anwendung hat sich vom Hype zu einem Massenphänomen entwickelt. KI nimmt dem Menschen bereits heute viele Aufgaben ab, zum Beispiel in Form von Fahrassistenz- und Spracherkennungssystemen oder in der medizinischen Diagnostik. Wird KI dem Erfinder bald auch das Erfinden abnehmen? KI wird menschliche Erfinder bei der Schaffung von technischen Innovationen zunehmend unterstützen (KI-assistierte Erfindungen) oder ganz ersetzen (KI-generierte Erfindungen). Es liegt auf der Hand, dass Unternehmen solche Arbeitsergebnisse umfassend schützen wollen, und zwar konkret durch Patente. Sind KI-generierte Erfindungen dem Patentschutz zugänglich, und kann KI als Erfinder benannt werden? Welche menschlichen Beiträge führen zu Rechten an KI-assistierten Erfindungen? Mit diesen Fragen beschäftigt sich derzeit eine Arbeitsgruppe der Internationalen Vereinigung für den Schutz des Geistigen Eigentums (AIPPI). An der Beantwortung der Fragen arbeiten Anselm Brandi-Dohrn, Heiko Dumlich, Jochen Ehlers, Stephan Freischem, Wieland Groth, Dietmar Haug, Harald Numrich, Melanie Pfeuffer, Stefan Schohe, Matthias Sonntag, Tillman Tarrutis und Michael Wallinger sowie die Verfasser dieses Beitrags. Sobald der Bericht der deutschen Arbeitsgruppe fertiggestellt ist, wird er gemeinsam mit den anderen Länderberichten die Grundlage für eine Resolution der AIPPI bilden, die dazu dient, international die Fortbildung und Harmonisierung des Rechts in diesem spannenden Bereich voranzutreiben.
Erfinderschaft bei KI-generierten Erfindungen
Ein Kernproblem besteht darin, inwieweit die KI selbst als „Erfinder“ angesehen werden kann. Nach dem derzeitigen Rechtsverständnis können Erfinder und somit Träger des Erfinderrechts nur Menschen sein. Das Patentrecht weist insofern eine persönlichkeitsrechtliche Komponente auf, die an die Rechtsfähigkeit anknüpft. Das Prinzip der Zuweisung basiert somit auf der individuellen Leistung durch menschliche Beiträge. KI-Algorithmen oder KI-Systeme sind nicht rechtsfähig. Folglich können ihnen auch keine Erfinderrechte zugewiesen werden. Eine Erfindung, die ohne einen schöpferischen geistigen Beitrag eines menschlichen Erfinders zustande kommt, ist insofern nicht patentierbar. Eine Patentanmeldung auf eine KI-generierte Erfindung wird von den Patentämtern mangels gültiger Erfinderbenennung bereits aus formalen Gründen zurückgewiesen. Das Europäische Patentamt (EPA) hat demzufolge Ende 2019 zwei Anmeldungen (EP 18 275 163 und EP 18 275 174) zurückgewiesen, in denen das KI-System DABUS als Erfinder benannt wurde. Der assistierende Einsatz einer KI im erfinderischen Prozess wird einer Patenterteilung hingegen formal regelmäßig nicht im Wege stehen.
Erfinderschaft bei KI-assistierten Erfindungen
Kann die KI selbst (derzeit) nicht als Erfinder betrachtet werden, so stellt sich bei KI-assistierten Erfindungen die Frage, ob ein ausreichender menschlicher Beitrag bei der KI-Erfindung geleistet worden ist, der die Erfinderschaft begründen kann. Die Rechtsprechung verlangt für die Anerkennung als Erfinder einen schöpferischen geistigen Beitrag zu der technischen Lehre eines Patents, wobei dieser Beitrag nicht selbst erfinderisch sein muss. Entscheidend ist, ob der einzelne Beitrag die erfinderische Leistung insgesamt beeinflusst hat, ob er also im Hinblick auf die erfinderische Lösung nicht unwesentlich ist. Die Anforderungen an den schöpferischen geistigen Beitrag sind damit nicht übermäßig hoch, so dass in den meisten Fällen ein geeigneter menschlicher Beitrag und damit ein menschlicher Erfinder ermittelt werden können. Beispielsweise wird ein Mensch, der eine KI planmäßig zur Lösung einer Aufgabe einsetzt, in aller Regel als Erfinder anzusehen sein. Er verwendet die KI wie ein Werkzeug. Wenn die KI andererseits ein Ergebnis hervorbringt, das von dem Anwender nicht beabsichtigt war, kann es an einem schöpferischen Beitrag des Menschen in Bezug auf diese Erfindung fehlen. Konzeption und Programmierung einer KI stellen in der Regel nur dann einen schöpferischen Beitrag dar, wenn sie spezifisch auf einen Aspekt der Erfindung gerichtet sind. Beispielsweise ist der Programmierer einer KI, die sich für eine Vielzahl von Anwendungen eignet, grundsätzlich kein Erfinder hinsichtlich solcher Erfindungen, die unter Verwendung dieser KI gemacht wurden. Anders wäre es, wenn ein Mensch eine KI, die sich für eine Vielzahl von Anwendungen eignet, derart vorbereitet, dass sie eine sich konkret abzeichnende technische Problemstellung löst. Zwingend erforderlich ist insofern, dass der Beitrag ein Mindestmaß an zielgerichteter Anpassung oder Auswahl enthält, während rein abstrakte Beiträge nicht ausreichen. Gleichermaßen kann die Auswahl von Trainingsdaten, mit denen die KI „gefüttert“ wird, einen schöpferischen Beitrag darstellen, wenn diese Auswahl spezifisch auf das konkrete technische Problem gerichtet ist und dadurch wesentlich zur Lösung desselben beiträgt. Gleiches gilt für die Generierung oder Auswahl von Eingabedaten für einen trainierten Algorithmus. Auch in der Auswahl und Erkenntnis einer patentfähigen Lösung aus einer Vielzahl von einer KI vorgeschlagenen Lösungen kann ein schöpferischer Beitrag liegen, allerdings nur dann, wenn die Auswahl über eine routinemäßige Aufgabe hinausgeht und gerade in der Auswahl ein schöpferischer geistiger Beitrag zur geschützten Erfindung zu sehen ist.
Gesetzlicher Anpassungsbedarf und Ausblick
Ziel der deutschen Arbeitsgruppe der AIPPI ist es zu untersuchen, ob das derzeit geltende deutsche und europäische Recht die Sachverhalte im Bereich KI-generierter und KI-assistierter Erfindungen überzeugend lösen kann oder ob insofern das Bedürfnis für gesetzliche Änderungen sowie für internationale Harmonisierung bestehender Rechtssysteme besteht.
Für den Fall, dass ein ausreichender menschlicher Beitrag und damit ein menschlicher Erfinder ermittelt werden können, kommen das deutsche und europäische Patentamt zu praxistauglichen Ergebnissen. Geht man allerdings davon aus, dass KI technische Innovationen ohne ein Mindestmaß an schöpferischer menschlicher Mitwirkung generiert und das Arbeitsergebnis insoweit nicht mehr einem Menschen zugewiesen werden kann, fehlt es an einer adäquaten Lösung.
Auch wenn es in Fachkreisen umstritten ist, ob und wann KI in der Lage sein wird, ohne jegliche menschliche Beiträge Erfindungen zu generieren, scheint ein solches Szenario nicht ausgeschlossen. Daher wird für die Arbeitsfrage auch dieses Szenario in Betracht gezogen. Wird allerdings lediglich eine KI als Erfinder benannt, weisen sowohl das deutsche als auch das europäische Patentamt die Patentanmeldung bereits aus formalen Gründen zurück.
Gegebenenfalls wertvolle und nur durch erhebliche Investitionen mögliche Arbeitsergebnisse einer KI wären danach – anders als menschliche Erfindungen – schutzlos. Dass ein solches Ergebnis nicht wünschenswert ist, liegt auf der Hand. Diese Schutzlücke könnte nicht zuletzt zu unwahren Angaben in der Erfinderbenennung motivieren.
Die derzeit noch unbeantwortete Frage, ob Patentschutz für KI-generierte Erfindungen ermöglicht werden soll, ist daher eine zentrale Weichenstellung für die Zukunft und wird innerhalb der deutschen Arbeitsgruppe, aber auch international, intensiv diskutiert. Einigkeit besteht jedenfalls dahingehend, dass eine divergierende Behandlung derartiger Konstellationen in den einzelnen nationalen Rechtsordnungen unbedingt vermieden werden sollte, könnte dies doch zu erheblicher Rechtsunsicherheit und Wertungswidersprüchen führen. Es muss zudem sichergestellt werden, dass auch zukünftig geeignete Anreize bereitstehen, um Innovationen in komplexen Bereichen, wie etwa der Arzneimittelentwicklung, zu fördern. Es wird letztlich zu entscheiden sein, ob es einer Neujustierung des Patentsystems bedarf oder für KI-generierte Erfindungen neue Schutzmechanismen erdacht werden müssen. Welche Empfehlung die AIPPI in ihrer internationalen Resolution Ende dieses Jahres letztlich aussprechen wird, wird daher von einer Auswertung und Diskussion der Rückmeldungen aller beteiligten Länder abhängen. An einer wie auch immer ausgestalteten Fortbildung und Harmonisierung des Rechts dürfte in Zukunft kein Weg vorbeiführen.
florian.beck@jura.uni-goettingen.de