Im Blickpunkt: Die künstliche Intelligenz im Patentwesen

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Einleitung
Künstliche Intelligenz (KI) ist mehr als ein bloßer Techniktrend. In den vergangenen Jahren wurden in Computerwissenschaft und KI unglaubliche Fortschritte erzielt. Watson, Siri oder Deep Learning zeigen, dass KI-Systeme inzwischen Leistungen vollbringen, die als intelligent und kreativ eingestuft werden müssen.
Künstliche Intelligenz gewinnt nunmehr auch im Patentwesen immer mehr an Bedeutung, zum einen als Patentgegenstand bei computerimplementierten Erfindungen, zum anderen als Mittel zum Erfinden. Damit stehen die Patentämter vor den Fragen, ob eine Erfindung, die eine künstliche Intelligenz erzeugt hat, zum Patent angemeldet werden kann und wem diese Erfindung gehört.
In den zurückliegenden Jahren wurden diese Fragen in unterschiedlichen Fachtagungen und Konferenzen diskutiert. Über die Hälfte der Teilnehmer dieser Fachtagungen und Konferenzen kam aus der Industrie, wobei verschiedenste Branchen wie Automobil und Zulieferer, Energie, Material, Medizintechnik sowie Elektronik und natürlich auch Informationstechnologie vertreten waren. An den Beiträgen aus der unternehmerischen Praxis zeigte sich, dass KI-Anwendungen bereits weit fortgeschritten sind, dass deren Schutz durch Patente sich aber noch im Anfangsstadium befindet, weil die grundlegenden Fragen noch ungeklärt sind.

Erste Patentanmeldungen zu KI erreichen die Patentämter
Zur Klärung der offenen Fragen wurden nun erstmals ausgewählten Ämtern erste Patentanmeldungen zur Entscheidung vorgelegt. Die ersten Anmeldungen wurden Ende 2018 beim Europäischen Patentamt, beim Britischen Patentamt und beim US-amerikanischen Patent- und -Markenamt eingereicht. Die Patentanmeldungen werden beim Europäischen Patentamt unter den Az. 18275174.2 („Blinklicht“) bzw. 18275163.6 („Fraktaler Lebensmittelbehälter“) geführt. Anmelder ist ein Stephen L. Thaler, aber die Patentanmeldungen gehen auf ein Team um den britischen Rechtsprofessor Ryan Abbot zurück.

Als alleiniger Erfinder wurde ein System aus verbundenen neuronalen Netzen mit der Bezeichnung DABUS benannt. Bezüglich der Erfindernennung schreibt das Europäische Patentübereinkommen vor, dass die Erfindernennung eine Erklärung darüber zu enthalten hat, wie der Anmelder das Recht auf das europäische Patent erlangt hat, sofern der Anmelder nicht oder nicht allein Erfinder ist (Art. 81 EPÜ).
In der der Erfindernennung beigefügten Stellungnahme erklärte der Anmelder, dass DABUS eine Art verbindungsorientierter künstlicher Intelligenz (KI) sei, von der er das Recht auf das europäische Patent „als Arbeitgeber“ erworben habe. In einer späteren Stellungnahme reichte der Anmelder eine korrigierte Bezeichnung des Erfinders ein, in der er angab, das Recht auf das europäische Patent „als Rechtsnachfolger“ erhalten zu haben. Der Anmelder erklärte, dass die Erfindung von einer Maschine gemacht worden sei und dass die Maschine die Neuheit ihrer eigenen Idee vor einer natürlichen Person identifiziert habe. Er argumentierte, dass die Maschine als Erfinder anerkannt werden sollte und dass der Anmelder als Eigentümer der Maschine ein Rechtsnachfolger aller durch diese Maschine geschaffenen Rechte an geistigem Eigentum sei.

Ablehnende Haltung des Europäischen Patentamts …
Das Europäische Patentamt hat im Januar 2020 beide Anmeldungen zurückgewiesen. Nach der Entscheidung des Europäischen Patentamts ist die Benennung des Erfinders eine formale Anforderung, die eine Patentanmeldung erfüllen muss. Die Bewertung der formalen Anforderungen, die sich auf die Anmeldung beziehen, ist unabhängig von den materiellen Patentierbarkeitsanforderungen, die sich auf die Erfindung beziehen, und hat keinen Einfluss darauf. Art. 81 EPÜ benennt eine solche Anforderung. Die Erklärungen, dass der Anmelder das Recht auf das europäische Patent von DABUS als Arbeitgeber erworben hat, und die Berichtigung dieser Erklärung, um die Rechtsnachfolge anzuzeigen, erfüllen nicht die Anforderungen von Art. 81 und Art. 60 Abs. 1 EPÜ. KI-Systeme oder -Maschinen können weder angestellt sein noch Rechte an einen Rechtsnachfolger übertragen. KI-Systeme oder Maschinen haben nämlich keine Rechtspersönlichkeit und können nicht Vertragspartei eines Arbeitsvertrags sein. Anstatt angestellt zu sein, sind sie im Besitz. Darüber hinaus haben KI-Systeme oder -Maschinen keinen Rechtsanspruch auf ihre Ausgabe, der durch Gesetz oder Vereinbarung übertragen werden könnte. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig, und es bleibt abzuwarten, wie die höhere Instanz darüber befindet. Eine grundsätzliche Abkehr von der Entscheidung der Eingangsstelle wäre allerdings überraschend.

… und des US-Patent- und -Markenamts – jeweils aus formalen Gründen
Eine Zurückweisung der Anmeldung aus formalen Gründen erfolgte auch in den USA. Die Pflicht zum redlichen Verhalten in rechtlichen Angelegenheiten ist dabei ein grundlegendes Prinzip des US-Rechts, wobei als Ausfluss dieses Prinzips der oder die Erfinder dem Patentamt schriftlich für jede einzelne Patentanmeldung bestätigen müssen, dass sie nach bestem Wissen und Gewissen die wahren Erfinder sind und dass ihnen die Pflicht zur Mitteilung aller für die Patentanmeldung relevanten Informationen bekannt ist. Ohne diese Erklärung der Erfinder kann eine US-Patentanmeldung nicht erfolgen.
Das US-Patent- und -Markenamt hat die parallelen Anmeldungen aufgrund dieser fehlenden Erklärungen als unwirksam abgelehnt. Es hat nämlich festgestellt, dass eine Maschine nicht rechtswirksam erklären kann, dass sie nach bestem Wissen und Gewissen der wahre Erfinder ist und dass ihr die Pflicht zur Mitteilung aller für die Patentanmeldung relevanten Informationen bekannt ist. Zudem hat das US-Patent- und -Markenamt festgestellt, dass das US-Patentrecht selbst davon ausgeht, dass Erfinder nur natürliche Personen sein können.
Fazit ist daher, dass sowohl beim Europäischen Patentamt als auch beim US-Patent- und -Markenamt derzeit nur natürliche Personen als Erfinder eingetragen werden. KI wird nicht als Rechtssubjekt anerkannt, das Rechte erwerben, geschweige denn sie übertragen könnte. Von künstlicher Intelligenz generierte Erfindungen bräuchten daher einen Nutzer, der sie als Werkzeug einsetzt, die Ergebnisse als Erfindung erkennt, ihre gewerbliche Nutzbarkeit feststellt und ihren Schutz beantragt.

Fazit und Ausblick
Sollte künstliche Intelligenz in der Zukunft das technische Level erreicht haben, dass sie nicht mehr nur für fest umrissene Anwendungen eingesetzt wird, sondern auch in Form einer „starken KI“ eine eigene umfassende Intelligenz entwickelt hat, dann müssen grundlegende juristische und ethische Fragen wie die der Rechtsfähigkeit von KI und deren Stellenwert in der Gesellschaft neu überdacht und definiert werden.
Fragen der gesellschaftlichen Akzeptanz sowie der Transparenz und Nachvollziehbarkeit künstlicher Intelligenz sollten dessen ungeachtet die technologischen Entwicklungen maßgeblich begleiten.

janssen@uex.de

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