Die Schadensermittlung bei der Verletzung von Schutzrechten wie etwa Markenrechten stellt die Geschädigten regelmäßig vor große Herausforderungen. Gängige Methoden zur Schadensberechnung wie die Lizenzanalogie führen in der Praxis häufig zu einer stark objektivierten Schadensbezifferung. Jedoch ermöglicht die Berücksichtigung empirisch erhobener Daten eine fallspezifische, nachvollziehbare Schadensberechnung. Der Beitrag zeigt Wege auf, wie dies am Beispiel der Verletzung von Markenrechten praktisch umgesetzt werden kann.
Die Berechnung des Schadens bei Verletzungen von Intellectual Property (IP)
Wer geistige oder gewerbliche Schutzrechte (Intellectual Property – „IP“) wie etwa Urheberrechte, Markenrechte, Patente oder Designs eines Dritten schuldhaft verletzt, ist diesem neben der Unterlassung grundsätzlich auch zum Schadensersatz verpflichtet. Gerade bei der Verletzung gewerblicher Schutzrechte wie Markenrechte, Patente oder Designs bewegen sich die Schadensersatzsummen häufig in Millionenhöhe. Dabei besteht die Herausforderung nicht nur in der Darlegung des Verletzungstatbestands dem Grunde nach, sondern vielmehr auch in der Bezifferung der Schadenshöhe.
Rechtliche Grundlagen: der Schadensersatzanspruch
Schadensersatzansprüche sind für die jeweiligen Schutzrechte in nahezu identischer Form spezialgesetzlich geregelt. Für Markenrechte beispielsweise regelt § 14 Abs. 6 MarkenG:
„Wer die Verletzungshandlung vorsätzlich oder fahrlässig begeht, ist dem Inhaber der Marke zum Ersatz des durch die Verletzungshandlung entstandenen Schadens verpflichtet. Bei der Bemessung des Schadensersatzes kann auch der Gewinn, den der Verletzer durch die Verletzung des Rechts erzielt hat, berücksichtigt werden. Der Schadensersatzanspruch kann auch auf der Grundlage des Betrages berechnet werden, den der Verletzer als angemessene Vergütung hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Nutzung der Marke eingeholt hätte.“
Entsprechende Regelungen finden sich in § 97 Abs. 2 UrhG, § 139 Abs. 2 PatentG sowie § 42 Abs. 2 DesignG.
Schadensberechnungsmethoden
Komplizierter als die Herleitung eines Schadensersatzanspruches dem Grunde nach ist jedoch seine Ermittlung der Höhe nach. Im Laufe der Zeit haben sich drei Berechnungsmethoden herausgebildet, die nachfolgend im Rahmen des Gesetzes zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums auch in den Spezialgesetzen verankert wurden (§ 14 Abs. 6 MarkenG, § 97 Abs. 2 UrhG, § 139 Abs. 2 PatentG, § 42 Abs. 2 DesignG). In Betracht kommen grundsätzlich die Schadensberechnung anhand der nachfolgend dargestellten Lizenzanalogie, des konkreten Schadens oder der Abschöpfung des Verletzergewinns.
- Lizenzanalogie
Die sogenannte Lizenzanalogie oder auch fiktive Lizenzgebühr ermöglicht es dem Verletzten, seinen Schaden auf der Basis einer ordnungsgemäß eingeholten Lizenz zu beziffern. Er kann so eine drittvergleichsübliche und angemessene Lizenzgebühr, die ihm im Verletzungszeitraum fiktiv entgangen ist, als Schaden geltend machen. Diese ist objektiv zu berechnen und somit anhand dessen zu bestimmen, was ein ökonomisch handelnder Lizenzgeber gefordert und ein ökonomisch handelnder Lizenznehmer gezahlt hätte. - Konkreter Schaden
Die klassische Berechnungsmethode sowohl im Wettbewerbs- als auch im Immaterialgüterrecht richtet sich auf die Geltendmachung des konkreten Schadens. Dies ist vor allem dann sinnvoll, wenn der Verletzte seinen Schaden genau beziffern kann. Vom konkreten Schaden ist sowohl der entgangene Gewinn im Verletzungszeitraum als auch der positive Schaden wie etwa entstandene Rechtsanwaltskosten umfasst. Bei der Verletzung von Markenrechten kann sich ein konkreter Schaden auch durch Schädigung der Markenreputation ergeben, soweit dieser bereits verwirklicht ist und sich im Klageverfahren beziffern lässt. - Gewinnabschöpfung
Aufgrund der Tatsache, dass ein Gewinn auf Verletzerseite in der Regel direkt mit dem Schaden des Rechteinhabers verknüpft ist, stellt auch die Methode der Gewinnabschöpfung eine geeignete Möglichkeit dar, den Schaden zu beziffern. Dieser Methode kommt in der Praxis jedoch eine relativ geringe Bedeutung zu, da der Verletzte vor der Herausforderung steht, nachzuweisen, dass der Verletzer einen konkreten Gewinn in Kausalität zur Rechtsverletzung erwirtschaftet hat.
Dem Kläger obliegt es, unter Verwendung einer dieser drei Berechnungsmethoden den jeweiligen Schaden zu beziffern.
Die Schadensberechnung – Vorgehensweise, Herausforderungen und Lösungsansätze
Ermittlung des Schadens aus entgangenen Lizenzzahlungen
Im Rahmen der Lizenzanalogie für die Ermittlung des Schadens aus entgangenen Lizenzzahlungen gilt es zunächst, den Lizenzwert zu ermitteln. Dies ist relativ leicht, wenn es marktübliche Lizenzraten und einen daraus abgeleiteten Marktwert gibt. Dieser mag sich aus den üblicherweise vom Verletzten verlangten Lizenzpreisen herleiten. Als objektive Näherung lassen sich auch öffentliche Tariflisten heranziehen, wobei solche Listen in der Regel hauptsächlich hinsichtlich urheberrechtlich geschützter Werke existieren, soweit die jeweiligen Werksarten über Verwertungsgesellschaften wie die VG Wort oder die GEMA lizenziert werden.
Wie ermittelt man aber einen fiktiven Lizenzwert in den Fällen, in denen solche Tariflisten nicht verfügbar sind und der Schutzrechtsinhaber die Schutzrechte nicht extern lizenziert, sondern für seine eigene Herstellung nutzt und das Schutzobjekt Bestandteil der eigenen Produkte ist? Beispiele hierfür sind selbst genutzte Marken oder auch Designrechte.
Für die Ableitung des Lizenzwerts des verletzten Schutzobjekts, beispielsweise des verletzten Markenrechts, muss zunächst der Zeitraum festgestellt werden, in dem der Schaden aufgetreten ist. Daraufhin muss der Lizenzwert auf Basis einer adäquaten Bemessungsgrundlage und einer sachgerechten Lizenzrate abgeleitet werden.
Zunächst ist der Zeitraum zu bestimmen, in dem das das Markenrecht verletzende Produkt in Umlauf gewesen ist. Für die Bemessung des Lizenzwerts eines Markenrechts ist dann zu fragen, welcher Umsatz mit den markenrechtsverletzenden Produkten im Verletzungszeitraum erzielt worden ist. Hierfür gibt das Gesetz dem Verletzten einen Auskunftsanspruch an die Hand, der üblicherweise im Wege der Stufenklage vor der Bezifferung des Schadensersatzanspruchs geltend gemacht wird.
Die Ableitung der adäquaten Lizenzrate kann auf verschiedenen Wegen erfolgen. So lassen sich etwa Vergleichslizenzraten auf Basis von am Markt verfügbaren und einsehbaren Lizenzvereinbarungen ableiten. Die über solche Benchmarkstudien abgeleiteten Lizenzraten (ein zum Beispiel in der steuerlichen Bewertungspraxis weit verbreitetes Verfahren) erlauben die Ableitung von Lizenzbandbreiten für bestimmte Branchen und Produkte. Die Herausforderung besteht jedoch regelmäßig in der Identifizierung vergleichbarer Lizenzvereinbarungen, was diese Herangehensweise regelmäßig schwierig macht. Alternativ kann die Lizenzrate unter Berücksichtigung der Spezifika der verletzten Marke und das mit der Marke verbundene Ertragspotenzial auch empirisch-basiert abgeleitet werden. So lassen sich etwa über studienbasierte Befragungen oder über Public & Social Media Listening die Markenrelevanz, die Markenbekanntheit und die Markenstärke im Vergleich zum Wettbewerb einer Marke ableiten (vgl. hierzu auch Jäger/Krostewitz (2016): Empirisch basierte Markenwertmessung und -steuerung im Lichte des EBV-Verfahrens, in: Esch (Hrsg.): Handbuch Markenführung). Der daraus ermittelte Wertschöpfungsbeitrag einer Marke zum Ertragspotenzial führt letztlich zu einer markenspezifischen Lizenzrate. Auf diese Weise ist es möglich, eine Lizenzrate unter Berücksichtigung der spezifischen Ausprägung einer Marke, ihres Wertschöpfungsbeitrags sowie ihres Ertragspotenzials adäquat abzuschätzen.
Die Anwendung der markenspezifischen Lizenzrate auf die Bemessungsgrundlage führt schließlich zum Lizenzwert, der den Schaden durch die entgangenen Lizenzzahlungen reflektiert.
Ermittlung des Schadens durch Markenwertminderung
Neben dem durch entgangene Lizenzzahlungen entstandenen Schaden können auch Folgeschäden verbleiben, wenn aufgrund fehlerhafter Produkte nachhaltig Reputationsschäden entstehen und damit eine Markenwertminderung beim Markenrechtsinhaber einhergeht. Das Institut der Wirtschaftsprüfer e.V. gibt in seinem Bewertungsstandard „Grundsätze zur Bewertung immaterieller Vermögenswerte (IDW S. 5)“ Hinweise, wie ein solcher Markenwert sachgerecht abgeleitet werden kann. Der Nachweis eines nachhaltigen Reputationsschadens ist schwierig. Jedoch lässt sich bei der Verletzung von Markenrechten die Veränderung der Markenreputation durch empirische Datenerhebungen messen. Dies kann, wie oben bereits beschrieben, durch studienbasierte Kundenbefragungen oder durch sogenanntes Public & Social Media Listening erfolgen. Dabei wird markenspezifische Kundenkommunikation zu verschiedenen Zeitpunkten (vor und nach der Reputationsschädigung) erhoben und hinsichtlich ihrer Veränderung im Zeitverlauf ausgewertet. Die so erhobenen Daten können dann in eine markenspezifische Lizenzrate (vor und nach der Reputationsschädigung) überführt werden. Damit lässt sich der Einfluss der Reputationsschädigung auf den Markenwert über die Ableitung einer Lizenzrate vor und nach dem Schadensereignis abbilden.
Bezüglich der Ableitung der Bemessungsgrundlage für die Ermittlung von Folgeschäden ist zu analysieren, wie sich Reputationsschäden auf die zukünftige Umsatzentwicklung auswirken werden. Dazu ist zu fragen, welchen Wertbeitrag eine Marke zur Umsatzgenerierung leistet und wie dieser durch die markenrechtsverletzende Handlung beeinflusst worden ist. Auch hier bietet es sich an, die markenspezifische Kundenkommunikation zu analysieren und festzustellen, wie sich die Markenwahrnehmung im Verletzungszeitraum verändert hat, um daraus Rückschlüsse auf die Nachhaltigkeit von Reputationsschäden auf die Umsatzentwicklung abzuleiten. Auf diesem Weg lässt sich ein Umsatzrückgang in der Folge des Reputationsschadens ableiten. Der kann wiederum für die Ermittlung der Markenwertminderung herangezogen werden.
Für die Ableitung eines Folgeschadens aufgrund von Reputationsschäden ist zudem eine Einschätzung hinsichtlich des mit dem Markenrecht und dessen Ertragspotenzial verbundenen Risikos zu treffen. Dabei gilt es, sowohl markt- und branchenbezogene Risiken als auch markenrechtsspezifische Risikokomponenten adäquat abzubilden. Sowohl das Marktrisiko als auch markenrechtsspezifische Risikokomponenten, etwa die eingeschränkte Verwertbarkeit von Markenrechten, sind schließlich im Kapitalkostensatz oder im Rahmen der Schätzung des erwarteten Ertragspotenzials zu berücksichtigen.
Unter Einbeziehung der Auswirkungen der Reputationsschädigung auf die Höhe einer markenspezifischen Lizenzrate und des zukünftigen Umsatzes lässt sich schließlich ein Markenwert vor und nach Reputationsschädigung ableiten. Die Differenz beziffert den Schaden (Markenwertminderung), den der Verletzer dem Markenrechtsinhaber durch die unrechtmäßige Nutzung der Markenrechte zugefügt hat.
Fazit
Die Schadensberechnung bei Schutzrechtsverletzungen, insbesondere Markenrechten, stellt den Geschädigten regelmäßig vor große Herausforderungen. Sowohl die Ableitung eines Lizenzwerts als auch die Bemessung eines Reputationsschadens stellt sich insbesondere mit Blick auf die Ermittlung einer adäquaten Bemessungsgrundlage und einer sachgerechten Lizenzrate als besonders herausfordernd dar. Techniken der empirisch basierten Wertbeitragsanalyse und Lizenzratenermittlung ermöglichen es jedoch, den Wert eines Markenrechts unter Einbindung der Kunden oder Verbraucher abzuleiten. Dieser damit zunehmend relevante Wert kann dann sowohl als Ausgangspunkt für die Schadensberechnung nach der Lizenzanalogie als auch für die Ermittlung des konkreten Schadens aus Reputationsverletzung herangezogen werden. Mit Blick auf die zunehmende Verschiebung der Wertschöpfung hin zu immateriellen Vermögenswerten wird der damit zunehmende relevante Rechtsschutz bezogen auf Marken, Patente, Designs und andere immaterielle Vermögenswerte auf eine fundierte, empirisch basierte Grundlage für die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen gestellt.