Im Blickpunkt: der neue Schutz von Geschäftsgeheimnissen
Von Thomas Mayer
Einleitung
Am 26.04.2019 ist das Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG) in Kraft getreten. Der Schutz von Geschäftsgeheimnissen in Deutschland ändert sich damit grundlegend. An die Stelle der bislang bestehenden fragmentarischen Regelungen, insbesondere in den §§ 17 bis 19 UWG, tritt ein umfassendes Spezialgesetz, das den Begriff des Geschäftsgeheimnisses definiert, die Voraussetzungen für seinen Schutz regelt und Ansprüche bei Verletzung von Geschäftsgeheimnissen vorsieht. Der Schwerpunkt des neuen Gesetzes liegt auf dem Zivilrecht. Es schützt Geschäftsgeheimnisse vor unerlaubter Erlangung, Nutzung und Offenlegung.
Das GeschGehG setzt in Deutschland die Richtlinie (EU) 2016/943 über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen um.
Vor Erlass dieser Richtlinie war der Geschäftsgeheimnisschutz in Europa uneinheitlich und reichte von immaterialgüterrechtlichen Regelungen in Italien und Frankreich bis zum Anspruch wegen „Breach of Confidence“ in Großbritannien. Im Sinne eines kohärenten Schutzes von Geschäftsgeheimnissen im europäischen Binnenmarkt wurden die Mitgliedstaaten daher verpflichtet, einen zivilrechtlichen Mindestschutz von Geschäftsgeheimnissen vorzusehen.
Inhaltliche Regelungen
Das GeschGehG bestimmt zunächst, was ein Geschäftsgeheimnis ist: eine Information, die (a) weder insgesamt noch in der genauen Anordnung und Zusammensetzung ihrer Bestandteile allgemein bekannt oder ohne weiteres zugänglich ist und daher von wirtschaftlichem Wert ist, die (b) Gegenstand von den Umständen nach angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen ist und bei der (c) ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung besteht. Der Begriff der Information umfasst technisches Know-how, also Verfahren, Konstruktionspläne, Algorithmen, Prototypen oder Rezepturen, wie auch geschäftliche Informationen, also Kundenlisten, Businesspläne oder Werbestrategien. Die Information muss gerade wegen ihrer Nichtoffenkundigkeit über einen wirtschaftlichen Wert verfügen. Dies ist der Fall, wenn ihre unbefugte Nutzung oder Offenbarung den Inhaber aller Voraussicht nach dadurch schädigt, dass das wissenschaftliche oder technische Potential, seine geschäftlichen oder finanziellen Interessen, die strategische Position oder die Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigt werden. Allerdings ist ein potentieller Wert ausreichend, so dass etwa Forschungsergebnisse auch dann geschützt sind, wenn ihre Nutzung zunächst nicht beabsichtigt sein sollte.
Bestehen angemessener Geheimhaltungsmaßnahmen
Von besonderer Bedeutung ist die Voraussetzung des Bestehens angemessener Geheimhaltungsmaßnahmen. Rechtstechnisch handelt es sich um eine Obliegenheit, der Inhaber verliert also den Geheimnisschutz, wenn er keine angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen vorsieht. Die Vorschrift verlangt „angemessene“, nicht jedoch absolut wirksame oder optimale Schutzmaßnahmen. Die Gesetzesbegründung nennt als Kriterien für die Angemessenheit den Wert des Geschäftsgeheimnisses, dessen Bedeutung für das Unternehmen, die Größe des Unternehmens, die üblichen Geheimhaltungsmaßnahmen in dem Unternehmen, die Art der Kennzeichnung der Information sowie vereinbarte vertragliche Regelungen mit Geschäftspartnern und Arbeitnehmern.
Kurz gesagt, muss die Geheimhaltungsmaßnahme umso ausgeprägter sein, je wichtiger das Geschäftsgeheimnis ist. Daher sollten Unternehmen als Grundlage für die zu treffenden Geheimhaltungsmaßnahmen ihre schutzbedürftigen Informationen erfassen und klassifizieren. Bei den in Betracht kommenden Geheimhaltungsmaßnahmen kann zwischen organisatorischen, technischen und rechtlichen Maßnahmen unterschieden werden. Zu denken ist beispielsweise an die Kennzeichnung einer Information als geheimhaltungsbedürftig, an die Umsetzung des „Need-to-know“-Prinzips, wonach nur solche Mitarbeiter Zugang zu vertraulichen Informationen erhalten, die diese für ihre Tätigkeit benötigen, oder – nicht zuletzt – an die vertragliche Regelung einer Vertraulichkeitsverpflichtung. Nachdem es sich um ein relativ junges Gesetz handelt, liegt derzeit noch keine Rechtsprechung vor, welche den Begriff der „angemessenen Geheimhaltungsmaßnahme“ näher ausführt. Allerdings ist davon auszugehen, dass sich dies im Laufe der Zeit ändern wird und die Gerichte den Maßstab der Angemessenheit weiter präzisieren.
Verletzungshandlungen
Als Handlungen, durch die Geschäftsgeheimnisse verletzt werden können, sieht das GeschGehG deren unbefugte Erlangung, Nutzung oder Offenlegung vor. Hierzu zählt zunächst die „Betriebsspionage“, nämlich unbefugter Zugang, unbefugte Aneignung oder unbefugtes Kopieren von Dokumenten, Gegenständen, Materialien, Stoffen oder elektronischen Dateien, die das Geheimnis enthalten oder aus denen es sich ableiten lässt. Weiterhin ist als unbefugte Erlangung auch jedes sonstige Verhalten anzusehen, das unter den jeweiligen Umständen nicht dem Grundsatz von Treu und Glauben unter Berücksichtigung der anständigen Marktgepflogenheiten entspricht. Mit dieser Generalklausel bleibt Gerichten ein weiter Wertungsspielraum, was als unbefugte Erlangung anzusehen ist.
Wer eine geheime Information in unbefugter Weise erlangt hat, darf sie selbstverständlich auch nicht nutzen oder offenbaren. Selbst wenn die Information befugt erlangt wurde, darf sie nicht offenbart oder genutzt werden, wenn damit gegen eine entgegenstehende Verpflichtung verstoßen wird. Schließlich darf das Geheimnis auch nicht offengelegt oder genutzt werden, wenn es von jemandem – befugt – erlangt wurde, der es jedoch selbst unbefugt erlangt hat. Die letzte Konstellation setzt aber voraus, dass derjenige, der die Informationen nutzt oder offenbart, von der zuvor erfolgten Verletzung des Geschäftsgeheimnisses weiß oder davon hätte wissen müssen.
Erlaubte Handlungen und Ausnahmen
Neben den Verletzungshandlungen definiert das GeschGehG auch erlaubte Handlungen und Ausnahmen. Erlaubt sind neben der eigenständigen Entdeckung oder Schöpfung insbesondere das sogenannte „Reverse Engineering“. Als Ausnahmen, bei denen eine Abwägung der widerstreitenden Interessen im Einzelfall stattzufinden hat, nennt das Gesetz die Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung sowie das sogenannte „Whistleblowing“, wenn dieses geeignet ist, das allgemeine öffentliche Interesse zu schützen.
Im Falle der Verletzung eines Geschäftsgeheimnisses stehen dessen Inhaber Ansprüche auf Beseitigung und Unterlassung, auf Vernichtung, Herausgabe, Rückruf, Entfernung und Rücknahme sowie ein Auskunfts- und ein Schadensersatzanspruch zu. Zu beachten ist, dass insbesondere der Unterlassungsanspruch, anders als im Immaterialgüterrecht, unter Verhältnismäßigkeitsvorbehalt steht. Der Anspruch wie auch sämtliche anderen Ansprüche mit Ausnahme des Schadensersatzanspruches sind ausgeschlossen, wenn ihre Erfüllung im Einzelfall unverhältnismäßig wäre.
Zuletzt sieht das GeschGehG Regelungen vor, um im gerichtlichen Verfahren das Spannungsverhältnis zwischen dem Interesse des Klägers, sein Geheimnis trotz bestehender Darlegungs- und Beweislast zu wahren, und den prozessualen Rechten des Beklagten aufzulösen. So kann das Gericht in Geschäftsgeheimnisstreitsachen auf Antrag eine streitgegenständliche Information als geheimhaltungsbedürftig einstufen, was die Verpflichtung aller Beteiligten zur Folge hat, diese Information vertraulich zu behandeln und sie außerhalb des gerichtlichen Verfahrens – auch nach dessen Abschluss – nicht zu nutzen oder offenzulegen. Gleichzeitig kann das Gericht den Zugang zu Dokumenten oder zur mündlichen Verhandlung auf einen engen Personenkreis beschränken. Allerdings besteht kein umfassender Schutz vor Kenntnisnahme durch den Prozessgegner, weil mindestens einer natürlichen Person jeder Partei neben deren anwaltlichen Vertretern der Zugang gestattet sein muss. Insgesamt bietet das GeschGehG aber einen ausgewogenen prozessualen Rahmen zum Schutz der Geheimnisse auch im Verfahren.
Fazit
Als Fazit bleibt festzuhalten, dass das neue Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen dem Geschäftsgeheimnisinhaber erstmals wirksame rechtliche Mittel an die Hand gibt, um seine Geschäftsgeheimnisse zu schützen. Dies setzt indes voraus, dass er zuvor angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen getroffen hat. Daher müssen sich Unternehmen zukünftig mehr Gedanken über den Umgang mit und die Absicherung von geheimhaltungsbedürftigen Informationen machen.
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