Praxistipps für die erfolgreiche Prozessführung

Beitrag als PDF (Download)

Das Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (Geschäftsgeheimnisgesetz, GeschGehG) führte zu grundlegenden Änderungen des Schutzes von Geschäftsgeheimnissen in Deutschland (statt vieler: Ohly, GRUR 2019, 441).
Vom Geschäftsgeheimnisgesetz erfasst sind Informationen, die einen gewissen wirtschaftlichen Wert haben, wie etwa Gewinn- und Umsatzzahlen, aber auch technisches Know-how. Diese Informationen sind nach § 2 Nr. 1 ­GeschGehG nur so lange als Geschäftsgeheimnisse geschützt, wie sie, erstens, nicht allgemein bekannt oder ohne weiteres zugänglich sind, zweitens, Gegenstand von den Umständen nach angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen sind und, drittens, ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung besteht.

Das Dilemma: Prozess oder Geschäftsgeheimnisschutz verlieren?
Dies führt in Prozessen des gewerblichen Rechtsschutzes bisweilen zu einem Dilemma. Um sich etwa gegen den Vorwurf der Patentverletzung zu verteidigen, muss dargelegt und gegebenenfalls bewiesen werden, dass die angegriffene Ausführungsform nicht patentverletzend ist, was die Vorlage von Konstruktionszeichnungen notwendig machen könnte. Im Markenverletzungsprozess bietet sich als Verteidigung der Angriff auf die Klagemarke dahingehend an, dass diese gar nicht benutzt werde oder keine Unterscheidungskraft besäße, was den Kläger und Widerbeklagten dazu nötigt, Umsatzzahlen oder Informationen über den Werbeaufwand vorzulegen, um nicht neben dem Prozess auch noch die Klagemarke zu verlieren. Im Urheberrecht wiederum kann nur durch Vorlage des Quellcodes bewiesen werden, dass eine Software nicht urheberrechtsverletzend ist.
Entscheidet sich in den vorgenannten Fällen eine Partei dazu, ihrer Beweislast nachzukommen, verliert sie bei unbedarftem Vorgehen ihr Geschäftsgeheimnis. Erstens sind Hauptverhandlungen auch im gewerblichen Rechtsschutz öffentlich (§ 169 GVG), so dass bei einer Erörterung der Beweise im Rahmen der Beweisaufnahme die eigentlich geheimhaltungsbedürftigen Informationen der anwesenden Öffentlichkeit bekannt werden. Zweitens finden die eigentlich geheimhaltungsbedürftigen Informationen Eingang in die Gerichtsakten, die wiederum grundsätzlich Gegenstand von Ansprüchen nach den Informationsfreiheitsgesetzen sind. Drittens werden die Beweise auch der anderen Partei übermittelt – was für diese einen enormen Erkenntnisgewinn mit sich bringen kann, der mitunter bedeutender ist als ein gewonnener Prozess.

Lösung: Treffen „angemessener Geheimhaltungsmaßnahmen“ auch im Prozess
Um einerseits der Beweislast zu genügen und andererseits den fortbestehenden Schutz der Geschäftsheimnisse sicherzustellen, muss die Partei, die unter das Geschäftsgeheimnisgesetz fallende Informationen vorlegen möchte, „angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen“ ergreifen, wobei sie im Auge behalten muss, wo und wie das Geschäftsgeheimnis gefährdet ist.
Entsprechend sind drei Schritte notwendig: Der teilweise Ausschluss der Öffentlichkeit muss beantragt werden (I.), das Geschäftsgeheimnis muss als solches gekennzeichnet werden (sowohl die Ausführungen zum Geschäftsgeheimnis im Schriftsatz als auch die entsprechende Anlage) (II.), und es muss auf einen Abschluss einer Geheimhaltungsvereinbarung hingewirkt werden (III.).

Anträge auf Ausschluss der Öffentlichkeit
Hinsichtlich der Öffentlichkeit der Verhandlung bietet § 172 Nr. 2 GVG bereits die Möglichkeit, die Öffentlichkeit für die Dauer der Erörterung des Geschäftsgeheimnisses ausschließen. Erforderlich ist ein zu begründender Antrag. Zusätzlich sollte auch beantragt werden, die Öffentlichkeit von der Urteilsverkündung nach § 173 Abs. 2 GVG so lange auszuschließen, wie auch dort das Geschäftsgeheimnis erörtert wird. Bei der Antragstellung ist jeweils darauf zu achten, dass nicht nur der Beweis an sich (also beispielsweise die Konstruktionszeichnung) erfasst wird, sondern auch die Ausführungen hierzu in den Schriftsätzen.

Zu beachten ist, dass der Ausschluss nur so lange rechtmäßig ist, wie tatsächlich über das Geschäftsgeheimnis gesprochen wird. Ein zu langer Ausschluss der Öffentlichkeit stellt eine Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes dar – und begründet einen absoluten Revisionsgrund nach § 547 Nr. 5 ZPO. Daher ist es auch im Interesse der Parteien, darauf zu achten, dass die Öffentlichkeit unmittelbar nach Ende der Erörterung des Geschäftsgeheimnisses wieder zugelassen wird.
Außerdem sollte noch nach § 174 Abs. 3 GVG beantragt werden, dass die bei der mündlichen Verhandlung nach Ausschluss der Öffentlichkeit noch anwesenden Personen zu verpflichten sind, Tatsachen, welche die Geschäftsgeheimnisse betreffen und die durch die im Verfahren gewechselten Schriftsätze oder die Ausführungen in der mündlichen Verhandlung hierzu erstmals zu ihrer Kenntnis gelangen, gegenüber Dritten geheim zu halten und nur zum Zweck der Prozessführung im vorliegenden Verfahren zu verwenden sind.

Kennzeichnung der Geschäftsgeheimnisse als solche
Die Kennzeichnung der Geschäftsgeheimnisse als solche sowohl im Schriftsatz als auch hinsichtlich der entsprechenden Anlagen ist schon deswegen erforderlich, um zu bestimmen, wann und wie lange die Öffentlichkeit von der Verhandlung und Urteilsverkündung auszuschließen ist. Darüber hinaus wird dadurch sichergestellt, dass die Geschäftsgeheimnisse nicht im Wege der Geltendmachung eines Anspruchs nach den Informationsfreiheitsgesetzen offengelegt werden (vgl. exemplarisch nur § 6 Satz  2 IFG) und somit auch von einer etwaigen Akteneinsicht auszunehmen sind. Auch dies ist entsprechend zu beantragen.

Hinwirken auf den Abschluss einer Geheimhaltungsvereinbarung
Schließlich sollte noch darauf hingewirkt werden, dass die gegnerische Prozesspartei sich zur Geheimhaltung verpflichtet. Denn während das Gericht und die anwaltlichen Vertreter schon von Gesetzes wegen zur Geheimhaltung verpflichtet sind, gilt dies nicht für die Partei – die über ihren anwaltlichen Vertreter aber sowohl die Schriftsätze als auch die Anlagen und somit auch die Geschäftsgeheimnisse übermittelt bekommt.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Beschluss vom 14.01.2020 (Az. X ZR 33/19) hier einen gangbaren Weg aufgezeigt. Er führt aus: „Eine Partei, die dem Gegner bestimmte Informationen nur dann zukommen lassen will, wenn besondere Maßnahmen zur Geheimhaltung getroffen werden, hat allerdings die Möglichkeit, zunächst nur eine teilgeschwärzte Fassung der betreffenden Unterlagen einzureichen und das Gericht um Anordnung geeigneter Geheimhaltungsmaßnahmen zu ersuchen (…). Reicht sie die Unterlagen ohne entsprechende Sicherheitsvorkehrungen ein, muss sie grundsätzlich damit rechnen, dass diese den anderen Verfahrensbeteiligten unabhängig von darin enthaltenen eigenen Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen zur Verfügung gestellt werden (…).“
Wie eine „geeignete Geheimhaltungsmaßnahme“ aussehen kann, hat das OLG Düsseldorf mit Beschluss vom 17.01.2017 (Az. I-2 U 31/16) bereits aufgezeigt: Es handelt sich um eine Geheimhaltungsvereinbarung mit typischen und praxisüblichen Regelungen, deren konkrete Ausgestaltung einzelfallabhängig ist. Generell sollte genau erwogen werden, wie vielen Personen sowohl bei der gegnerischen Partei als auch bei deren anwaltlicher Vertretung die Kenntnisnahme der Geschäftsgeheimnisse gestattet werden soll. Auch ist bei der Frage der Höhe der Vertragsstrafe zu berücksichtigen, dass ein einmal allgemein bekanntgewordenes Geschäftsgeheimnis nicht wieder unbekannt gemacht werden kann, so dass der Vertragsstrafe vor allem Abschreckungswirkung zukommen sollte. Dementsprechend erscheint der sogenannte Hamburger Brauch, bei dem in der Geheimhaltungsvereinbarung bewusst keine bestimmte Vertragsstrafenhöhe genannt wird, ungeeignet.
Die Geheimhaltungsvereinbarung sollte sodann als Anlage zu dem geschwärzten Schriftsatz eingereicht werden, und es sollte beantragt werden, dass das Gericht den Gegnern auferlegt, diese Geheimhaltungsvereinbarung, hilfsweise eine von dem Gericht vorgeschlagene Geheimhaltungsvereinbarung abzuschließen, höchst hilfsweise, dass den Gegnern vom Gericht näher zu bestimmende Geheimhaltungsvereinbarungen auferlegt werden.

Zusammenfassung
Um im Prozess Geschäftsgeheimnisse bestmöglich zu schützen und gleichzeitig der Darlegungs- und Beweislast zu genügen, ist also in Übereinstimmung mit dem zitierten BGH-Beschluss zunächst ein (teilweise) geschwärzter Schriftsatz einzureichen. Diesbezüglich ist zu beantragen, dass der gegnerischen Partei auferlegt wird, die als Anlage vorgelegte Geheimhaltungsvereinbarung, hilfsweise eine von dem Gericht vorgeschlagene Geheimhaltungsvereinbarung abzuschließen sowie höchst hilfsweise, dass der gegnerischen Partei vom Gericht näher zu bestimmende geeignete Geheimhaltungsmaßnahmen auferlegt werden.
Schließt die gegnerische Partei die Geheimhaltungsvereinbarung ab, so sind der ungeschwärzte Schriftsatz sowie die geheimhaltungsbedürftigen Anlagen zu übermitteln. Weigert sich die gegnerische Partei trotz gerichtlicher Aufforderung, die Geheimhaltungsvereinbarung abzuschließen, kann sie sich nicht auf einen unvollständigen Vortrag berufen.
Weiterhin sollte der geschwärzte Schriftsatz auch schon die Anträge auf (vorübergehenden) Ausschluss der Öffentlichkeit für die mündliche Verhandlung und die Urteilsverkündung, auf Verpflichtung der nach Öffentlichkeitsausschluss noch im Gerichtssaal verbleibenden Personen zur Geheimhaltung sowie auf Ausschluss der Geschäftsgeheimnisse enthaltenden Schriftsatzteile und Anlagen von der Aktenseinsicht enthalten.
Die Anlagen selbst sollten auch deutlich mit dem Vermerk „streng vertraulich“ gekennzeichnet werden, um auch so sicherzustellen, dass sie nicht Gegenstand eines Informationsfreiheitsanspruchs werden können. Darüber hinaus kann durch die Verwendung speziellen Sicherheitspapiers sichergestellt werden, dass die Anlagen nicht kopiert werden können beziehungsweise dass im Falle des Anfertigens einer Kopie diese mit einem deutlichen Hinweis (etwa „Illegale Kopie“) versehen wird.

lars.schoenwald@gowlingwlg.com

Aktuelle Beiträge