Im Blickpunkt: Bösgläubigkeit im Europäischen Markenrecht im Kontext der Wiederholungsmarke

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In den vergangenen Jahren standen das EUIPO und der Gerichtshof der Europäischen Union zunehmend vor der Frage, unter welchen Umständen von einer bösgläubigen Unionsmarkenanmeldung gesprochen werden kann. Dabei lag vielen Fallgestaltungen die Thematik der Wiederholungsmarke zugrunde, die als Rechtsfigur noch immer nicht hinreichend klar umrissen ist. Daneben fehlt es auch an einer zufriedenstellenden verfahrensrechtlichen Lösung für denjenigen, der seine Markenanmeldung mit einem Widerspruch angegriffen sieht, der auf eine bösgläubige Wiederholungsmarke gestützt ist. Hier steht dem Widerspruchsgegner innerhalb des Verfahrens aktuell keine effektive Verteidigungsmöglichkeit zur Verfügung. Dieser Beitrag will den aktuellen Stand der Rechtsprechung beleuchten und gleichzeitig regelungs- und verfahrenstechnische Unzulänglichkeiten aufzeigen, die künftig adressiert werden sollten.

Rechtlicher Rahmen der Bösgläubigkeit
In der Unionsmarkenverordnung (im Folgenden UMV) ist der Begriff der Bösgläubigkeit nicht definiert. Das Adjektiv „bösgläubig“ findet sich in der UMV aber unter den absoluten Nichtigkeitsgründen in Art. 59 Abs. 1 (b), wonach die Unionsmarke auf Antrag beim Amt oder auf Widerklage im Verletzungsverfahren für nichtig erklärt wird, wenn der Anmelder bei Anmeldung der Marke „bösgläubig“ war. Im Hinblick auf die Frage, wann eine Markenanmeldung bösgläubig ist, hat sich erwartungsgemäß eine reiche Kasuistik entwickelt. Dabei hat der Gerichtshof wiederholt betont, dass der Begriff der „Bösgläubigkeit“ im markenrechtlichen Kontext, mithin dem des Geschäftslebens, zu verstehen ist – und zwar ungeachtet dessen, dass er im gewöhnlichen Sprachgebrauch auf eine unredliche Geisteshaltung oder Absicht verweist. Die Regelungen über die Unionsmarke sollen jedoch insbesondere zu einem unverfälschten Wettbewerbssystem in der Union beitragen (vgl. EuGH, Urteile vom 14.09.2010 im Fall C-48/09P, Rn. 38 – „Lego Juris“ und vom 11.04.2019 im Fall C 690/17, Rn. 40 – „ÖKO-Test Verlag“). So liegt Bösgläubigkeit nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs dann vor, wenn sich aus schlüssigen und übereinstimmenden Indizien ergibt, dass der Inhaber einer Unionsmarke die Anmeldung dieser Marke nicht mit dem Ziel eingereicht hat, sich in lauterer Weise am Wettbewerb zu beteiligen, sondern vielmehr mit der Absicht, entweder auf eine den redlichen Handelsbräuchen widersprechende Weise Drittinteressen zu schaden oder sich ohne Bezug zu einem konkreten Dritten ein ausschließliches Recht zu anderen als zu den zur Funktion einer Marke gehörenden Zwecken zu verschaffen (vgl. EuGH, Urteil vom 12.09.2019 im Fall C-104/18P, Rn. 46 – „Stylo Koton“).
Bei der Absicht des Markenanmelders handelt es sich jedoch um ein subjektives Tatbestandsmerkmal, das sich naturgemäß dem Direktnachweis entzieht. Es kann und muss von den zuständigen Verwaltungsbehörden und Gerichten somit mittelbar bestimmt werden, wobei sämtliche objektive Indizien, in denen sich die Bösgläubigkeit manifestiert, in die Bewertung einfließen müssen. Folglich erfordert jede Bösgläubigkeitsprüfung eine umfassende Beurteilung unter Berücksichtigung jeglicher im Einzelfall erheblichen Faktoren (vgl. in diesem Sinne EuGH, Urteil vom 11.06.2009 im Fall C 529/07, Rn. 37 und 42 – „Chocoladefabriken Lindt & Sprüngli ‚Goldhase‘). Diese Faktoren beinhalten nach Auffassung des Gerichtshofs unter anderem beispielsweise das Kriterium, ob der Anmelder weiß oder wissen muss, dass ein Dritter in einem Mitgliedsstaat ein gleiches oder ähnliches Zeichen für eine zumindest ähnliche Ware verwendet, oder auch die Absicht des Anmelders, diesen Dritten an der weiteren Verwendung des betreffenden Zeichens zu hindern. Aus dem Wortlaut des Urteils geht jedoch hervor, dass es sich bei den dort aufgezählten Faktoren nur um Beispiele aus einer Gesamtheit von Gesichtspunkten handelt, die für die Entscheidung über eine mögliche Bösgläubigkeit eines Anmelders bei der Anmeldung der Marke berücksichtigt werden können (vgl. Urteil des Gerichts vom 26.02.2015 im Fall T-257/11, Rn. 67 – „COLOURBLIND“ m.w.N.).

Wiederholungsmarke als Bösgläubigkeitskriterium
Zwar ist die wiederholte Anmeldung einer Marke per se nicht bösgläubig. Diese Wertung ist auch einer jüngeren Entscheidung des Gerichtshofs zu entnehmen, die den Benutzungsnachweis für die ältere Marke auch durch Nachweise für die identische jüngere Wiederholungsmarke als erbracht ansah (vgl. EuGH, Urteil vom 29.11.2018 im Fall C-340/17 P – „Alcohol Countermeasure Systems (International) Inc.“, mit Anmerkung von Dr. Matthias Schilde in BeckRS 2018, 30270). Allerdings bietet eine wiederholte Anmeldung die Möglichkeit, den Benutzungszwang zu umgehen und eine künstliche Verlängerung der Benutzungsschonfrist zu erreichen. Damit setzt sie sich schneller dem Verdacht der Bösgläubigkeit aus als andere Markenanmeldungen.
Unklar bleibt indes weiter, wann überhaupt eine Wiederholungsmarke vorliegt. Auch die Neufassung der UMV enthält keine Regelungen für Wiederholungsanmeldungen, und auch in der Rechtsprechung wurden die Voraussetzungen bislang nicht definiert. Die konkreten Voraussetzungen der Rechtsfigur sind damit weiterhin umstritten (zu den Einzelheiten zur Wiederholungsmarke und deren Voraussetzungen vgl. Klein: Der Einwand der Wiederholungsmarke vor dem HABM, GRUR Int. 2015, 539).
Vereinfacht gesagt, liegt eine Wiederholungsanmeldung im Sinne der UMV jedenfalls dann vor, wenn ein Markeninhaber noch während der Benutzungsschonfrist seiner Marke eine identische Marke für identische Waren und Dienstleistungen im gleichen Markensystem erneut anmeldet. Offen ist nach wie vor, ob tatsächlich eine Identität der Marken und Waren/Dienstleistungen zu fordern ist oder ob auch Ähnlichkeit genügt. Ebenfalls ist noch nicht abschließend geklärt, ob eine Wiederholungsanmeldung nur dann vorliegt, wenn sie tatsächlich während der Benutzungsschonfrist der entsprechenden Erstanmeldung eingereicht wird, oder ob auch eine nach der Schonfrist eingereichte Anmeldung noch als Wiederholungsmarke zu qualifizieren ist – wobei dann wiederum Uneinigkeit über die Dauer der auf die Schonfrist folgenden Sperrfrist besteht (vgl. BeckOK MarkenR/Grüger, 21. Ed. 1.5.2020, UMV 2017 Art. 127 Rn. 29 a.E.). Für das strenge Konzept dreifacher Identität (das heißt Inhaber, Marke und Verzeichnis müssen übereinstimmen) bei Anmeldung noch während der Benutzungsschonfrist der ersten Marke sprechen neben der Rechtssystematik insbesondere Erwägungen der Klarheit und praktischen Handhabbarkeit. Im Gegensatz dazu bietet ein weiter gefasstes Konzept, bei dem die Ähnlichkeit der Marken genügt und eine Sperrfrist eingehalten werden muss, den Vorteil, dass die Tatbestandsvoraussetzungen der Wiederholungsmarke nicht so leicht zu umgehen sind. Uneinigkeit besteht auch zur Voraussetzung des gleichen Markensystems, wobei Bestrebungen bestehen, insbesondere die wiederholte Anmeldung einer nationalen Marke im Nachgang zu einer entsprechenden Unionsmarke als Wiederholungsanmeldung einzuordnen (vgl. Sosnitza: Erwerb und Erhalt von Gemeinschaftsmarken, GRUR 2013, 105, 111). Dies ist jedoch abzulehnen, da die Territorien, in denen eine rechtserhaltende Benutzung erfolgen muss oder kann, schlicht nicht überlappen. Für den umgekehrten Fall, nämlich für die Anmeldung einer Unionsmarke, die einer entsprechenden nationalen Marke nachgeschaltet wird, hat das Gericht inzwischen klargestellt, dass dies keine wiederholte Anmeldung darstellt. Es sei gerade der Sinn des autonomen Unionsmarkensystems, über den nationalen Markenschutz hinaus einen unionsweit einheitlichen Schutz zu bieten (vgl. Entscheidung des Gerichts vom 29.06.2017 im Fall T-343/14, Rn. 45 – „CIPRIANI“). Solche Orientierungshilfen des Gerichts zu den Voraussetzungen der Wiederholungsmarke sind begrüßenswert, bleiben aber punktuell und vermögen eine umfassende Festlegung der Voraussetzungen in der UMV nicht zu ersetzen. Die Gelegenheit, im Sinne der Rechtssicherheit eine verbindliche Definition der konkreten Voraussetzungen herbeizuführen, wurde im Rahmen der UMV-Novelle bedauerlicherweise nicht genutzt.

Unabhängig davon, welchem Ansatz man folgt: Eine Wiederholungsanmeldung ist nicht automatisch bösgläubig, sondern lediglich ein im Rahmen der Bösgläubigkeit zu berücksichtigender Umstand (vgl. Entscheidung des Gerichts vom 13.12.2012 im Fall T-136/11, Rn. 27 – „Pelikan“). Diese Einordnung überzeugt und trägt dem Umstand Rechnung, dass eine wiederholte Anmeldung tatsächlich in vielen Fällen schlicht einer sachgemäßen und auch ökonomisch sinnvollen Markenpolitik entspricht. Fraglich ist deshalb, welche weiteren Umstände eine an sich zulässige zu einer bösgläubigen Wiederholungsmarke machen. Neben den im Fall „Goldhase“ entwickelten allgemeinen und nicht abschließenden Kriterien können für die Prüfung der Bösgläubigkeit insbesondere auch die Herkunft des Zeichens, seine Verwendung seit seiner Schaffung, die unternehmerische Logik, in die sich die Anmeldung dieses Zeichens einfügt, sowie die Geschehensabfolge bei Anmeldung berücksichtigt werden (vgl. Entscheidung des Gerichts vom 26.02.2015 im Fall T-257/11, Rn. 68 – „Colourblind“, vom 29.06.2017 im Fall T-343/14, Rn. 29 – „CIPRIANI“, vom 13.12.2012 im Fall T-136/11, Rn. 43 – „PELIKAN“ und vom 09.03.2012 im Fall T-33/11, Rn. 21 – „BIGAB“. Im Hinblick auf die Frage, ob eine Wiederholungsmarke bösgläubig angemeldet wurde oder nicht, wird darüber hinaus mitunter auch das Kriterium des Anmeldezeitpunkts der zweiten Marke in Betracht gezogen. Liegt dieser noch innerhalb der Benutzungsschonfrist der identischen und nicht benutzten älteren Marke, soll dies für eine Bösgläubigkeit sprechen, da nur auf diese Weise eine lückenlose, künstlich verlängerte Benutzungsschonfrist entsteht. Richtigerweise wäre dem Zeitpunkt der Anmeldung aber nicht erst auf der Stufe der Bösgläubigkeitsprüfung Rechnung zu tragen, sondern bereits bei der vorgelagerten Prüfung, ob überhaupt eine Wiederholungsmarke vorliegt. Nach zutreffender Auffassung (vgl. Klein: Der Einwand der Wiederholungsmarke vor dem HABM, GRUR Int. 2015, 546) liegt nämlich im Fall einer zeitlichen Zäsur zwischen dem Ablauf der Benutzungsschonfrist der früheren Marke und dem Zeitpunkt der Einreichung der wiederholten Anmeldung bereits keine Wiederholungsmarke im Rechtssinne vor. Andernfalls würde jemand, der bereits einmal ein entsprechendes Markenrecht hielt und dieses nach einiger Zeit neu anmeldet, schlechter gestellt als jeder dritte Anmelder des gleichen Zeichens, der zuvor noch nie eine entsprechende Rechtsposition innehatte. Da jedoch eine Wiederholungsanmeldung nicht per se unredlich ist, sondern die Bösgläubigkeit erst im Einzelfall anhand weiterer Indizien festgestellt werden muss, darf dem Kriterium des Anmeldezeitpunkts keine Doppelrelevanz in dem Sinn zukommen, dass es zunächst als notwendige Voraussetzung überhaupt erst zum Vorliegen einer Wiederholungsmarke führt und dann zusätzlich als weiteres Bösgläubigkeitskriterium in die Waagschale fällt, denn sonst wäre eine Wiederholungsanmeldung doch stets bösgläubig.

Bösgläubigkeit im Verfahren vor dem EUIPO
Die fehlende Verankerung von Bösgläubigkeit und Wiederholungsmarke in der UMV führt zu vielschichtigen Unsicherheiten, insbesondere dahingehend, ob eine Wiederholungsanmeldung im Einzelfall vorliegt und, wenn ja, ob sie als bösgläubig einzustufen ist, und schließlich, wie der bösgläubigen Anmeldung verfahrensrechtlich angemessen Rechnung getragen werden kann. Die letzte Frage stellt sich insbesondere dann, wenn gegen die Unionsmarkenanmeldung eines Dritten Widerspruch auf Basis einer Wiederholungsanmeldung eingelegt wird und zusätzliche Auffälligkeiten bestehen, die für eine Bösgläubigkeit der Wiederholungsanmeldung sprechen. Wie kann sich der redliche Anmelder unter Berufung auf die Bösgläubigkeit des Widersprechenden verteidigen? Hier haben sich in der Praxis des Amtes zunächst zwei Wege herausgebildet: Zum einen wurde der Inhaber der angegriffenen Marke auf den Einwand des Rechtsmissbrauchs und damit auf das Nichtigkeitsverfahren verwiesen. Zum anderen wurde der bösgläubigen Wiederholungsanmeldung noch während laufender Benutzungsschonfrist das Schonfristprivileg abgesprochen mit der Folge, dass ein Benutzungsnachweis ausnahmsweise bereits vor dem fünfjährigen Bestehen der Eintragung eingefordert werden kann (vgl. etwa BeckOK MarkenR/Grüger, 21. Ed. 01.05.2020, UMV 2017 Art. 128 Rn. 24, 25). Die zweite und die vierte Beschwerdekammer des EUIPO vertraten hierzu zunächst konträre Auffassungen. Die zweite Beschwerdekammer orientierte sich in „NAVIGO“ (Entscheidung vom 25.10.2011 im Fall R 2181/2010-2 – „NAVIGO“) streng am Wortlaut der GMV (heute UMV), wonach ein Benutzungsnachweis stets erst nach Ablauf der Benutzungsschonfrist vorgesehen ist. Den Einwand der Bösgläubigkeit ließ die zweite Beschwerdekammer aus verfahrensrechtlichen Gründen im Widerspruchsverfahren nicht zu: Bösgläubigkeit könne nur im Nichtigkeitsverfahren geltend gemacht werden, nicht jedoch als Einwand im Widerspruchsverfahren.
Die vierte Beschwerdekammer hat dagegen in „PATHFINDER“ (Entscheidung vom 15.11.2011 im Fall R 1785/2008-4 „PATHFINDER“) die wohl rechtspolitisch motivierte Zugestehung des Benutzungseinwands noch innerhalb der Schonfrist durch eine findige Auslegung des Wortlauts von Art. 42 Abs. 2 Satz 1 GMV erreicht: „Ältere Marke““ im Sinne der Norm sei nicht notwendig auf die Registernummer zu beziehen, sondern im Sinne derselben Marke für die gleichen Waren/Dienstleistungen im gleichen Territorium zu interpretieren (Entscheidung vom 15.11.2011 im Fall R 1785/2008-4, Rn. 22 – „PATHFINDER“). So lässt sich eine Grundlage für den Benutzungsnachweis von Wiederholungsmarken konstruieren, die – an der Registernummer orientiert – noch nicht dem Benutzungszwang unterliegen.
Ein weiterer Lösungsansatz in der Literatur besteht in einer Ausstrahlungswirkung des Verfalls der Erstanmeldung auf die Wiederholungsmarke. Vor Ablauf der Benutzungsschonfrist besteht nach dieser Ansicht noch keine Rechtsmissbräuchlichkeit, weil die Benutzung ja noch aufgenommen werden könnte. Der richtige Weg wäre daher, nach Ablauf der fünfjährigen Benutzungsschonfrist die Löschung der Erstmarke wegen Verfalls zu beantragen, da bei rechtsmissbräuchlicher Zweitanmeldung der Verfall der Ersteintragung auch der Zweitanmeldung zuzurechnen sei (vgl. Sosnitza: Erwerb und Erhalt von Gemeinschaftsmarken, GRUR 2013, 105, 112).

Bewertung und Ausblick
Teleologisch betrachtet, spricht viel für die Herangehensweise der vierten Beschwerdekammer in „PATHFINDER“, der sich die zweite Beschwerdekammer im Nachgang dann zumindest vorübergehend in „CANAL +“ (Entscheidung vom 13.02.2014 im Fall R 1260/2013-2 – „CANAL +“) anschloss, indem sie ebenfalls innerhalb der Benutzungsschonfrist einen Benutzungsnachweis für einige Wiederholungsmarken anordnete, auf die der Widerspruch gestützt war. Dieser Ansatz bietet dem redlichen Anmelder eine effektive Verteidigungsmöglichkeit innerhalb des Widerspruchsverfahrens, ohne diesen auf ein separates Nichtigkeits- oder Verfallsverfahren zu verweisen. Denn insbesondere dann, wenn der Widerspruch wie in der Praxis häufig nicht nur auf eine, sondern auf mehrere Wiederholungsmarken gestützt wird, bedeutet die Initiierung entsprechender Verfahren für den redlichen Markenanmelder nicht nur erheblichen zeitlichen und organisatorischen, sondern auch finanziellen Aufwand – zumal die Beweislast für die Bösgläubigkeit bei Anmeldung der Wiederholungsmarke der Nichtigkeitsantragsteller trägt (vgl. Urteil des Gerichts vom 21.05.2015 im Fall T-635/14, Rn. 30 – „GUGLER“, und vom 05.10.2016 im Fall T-456/15, Rn. 23 – „T.G.R ENERGY DRINK“). Das Ausmaß der erforderlichen Ressourcenbindung beim Widerspruchsgegner wird im Ergebnis häufig dem – gegebenenfalls bösgläubigen “ Wiederholungsanmelder in die Hände spielen, was unter Wertungsgesichtspunkten nicht gewünscht sein kann. In diesem Sinne verwies die vierte Beschwerdekammer in ihrer Entscheidungsbegründung auch auf das Urteil und die Schlussanträge in ­„AJAX/ANSUL“(EuGH, Urteil vom 11.03.2003 im Fall C-40/01, Rn. 36 – „AJAX/ANSUL“) und die dortigen Schlussanträge des Generalanwalts Ruiz-Jarabo Colmer (Schlussanträge vom 02.07.2002 im Fall C-40/01, Rn. 42), wonach das Register von nicht benutzten Marken möglichst freizuhalten ist und strategische und defensive Anmeldungen abzulehnen seien. Zutreffend ist auch das weitere Argument der Beschwerdekammer, wonach die Versagung des Schonfristprivilegs auch für den Wiederholungsanmelder gegenüber einer Bösgläubigkeitsfeststellung eine ungleich mildere Sanktion darstellt (vgl. Entscheidung vom 15.11.2011 im Fall R 1785/2008-4, Rn. 24 – „PATHFINDER“).
Dogmatisch und systematisch vermag die Entscheidung „PATHFINDER“ trotz alledem in Ermangelung einer rechtlichen Grundlage nicht zu überzeugen. Dies hat zuletzt auch das Gericht in „SKYLiTe“ klargestellt und damit der zuvor teilweise akzeptierten Geltendmachung des Bösgläubigkeitseinwands im Widerspruchsverfahren erst einmal Einhalt geboten. Unter Verweis auf die im zu entscheidenden Fall noch nicht fünfjährige Eintragung der Widerspruchsmarke wird unmissverständlich festgestellt, dass die Einrede mangelnder Benutzung auch unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsanmeldung vor Ablauf der Benutzungsschonfrist im Widerspruchsverfahren nicht statthaft ist (vgl. Entscheidung des Gerichts vom 19.10.2017 im Fall T-736/15, Rn. 22 – „SKYLiTe“). Dabei wird – dogmatisch überzeugend – darauf verwiesen, dass dem Amt im Widerspruchsverfahren die Überprüfung der Bösgläubigkeit in Bezug auf die Anmeldung der Widerspruchsmarke verwehrt sei, da die Bösgläubigkeit einen Nichtigkeits- und keinen Widerspruchsgrund darstelle [dies entspricht im Übrigen auch der Rechtslage im deutschen Widerspruchsverfahren nach dem Markengesetz, vgl. BPatG Beschluss vom 28.10.2019 – 26 W (pat) 73/16 – „Racetaxi 99/RACE TAXI 99“; so schon BPatG Beschluss vom 30.04.2014 – 26 W (pat) 2/14 – „WEINHANDLUNG MÜLLER/Weinhandlung Müller“). Danach kann die Bösgläubigkeit einer Markenanmeldung im Widerspruchsverfahren nicht geprüft werden. Daher könne dieser Einwand auch nicht im Rahmen der Billigkeitsentscheidung über die Verfahrenskosten des Kollisionsverfahrens berücksichtigt werden]. Das Gericht stellt weiter klar, dass das Amt im Widerspruchsverfahren gar gehalten sei, die Rechtsbeständigkeit der älteren Marke zu unterstellen (vgl. Entscheidung des Gerichts vom 19.10.2017 im Fall T-736/15, Rn. 26 – „SKYLiTe“ mit Verweis auf das Urteil des Gerichts vom 08.05.2012 im Fall­ T 101/11, Rn. 22 – „Golfino“). Die Verordnung sähe nämlich keine Möglichkeit vor, im Widerspruchsverfahren den Einwand der Bösgläubigkeit zu erheben (vgl. Entscheidung des Gerichts vom 19.10.2017 im Fall T-736/15, Rn. 27 – „SKYLiTe“).
Der Bedarf an einer effektiven und verfahrensökonomischen Verteidigungsmöglichkeit gegen einen auf eine bösgläubige Wiederholungsmarke gestützten Widerspruch erscheint daher heute noch dringender als früher. Die vorübergehend praktizierte Lösung über die Gewährung der Benutzungseinrede bereits vor Ablauf der Benutzungsschonfrist ist unter Berücksichtigung der Entscheidung „SKYLiTe“ des Gerichts nicht mehr gangbar – und entbehrte auch zuvor bereits einer belastbaren Grundlage. Auch der in der Literatur angedachte Verweis auf die Anstrengung eines Verfallsverfahrens gegen die Erstanmeldung und eine Ausstrahlungswirkung des Verfalls auch auf die jüngere Wiederholungsmarke erscheint dem Inhaber der angegriffenen Markenanmeldung nicht zumutbar. Die UMV bietet faktisch die Möglichkeit für die Erlangung eines bösgläubigen absoluten Schutzrechts, ohne ein Korrektiv im Eintragungsverfahren zur Verfügung zu stellen, denn Bösgläubigkeit ist in Art. 7 UMV nicht als absolutes Eintragungshindernis vorgesehen. Eine sinnvolle und sachgerechte Bösgläubigkeitsprüfung auf Eintragungsebene wäre vom Amt wohl auch nicht leistbar. Umso wünschenswerter wäre eine Regelung in der UMV, die dem Inhaber der angegriffenen Marke direkt innerhalb des Widerspruchsverfahrens eine effektive und ökonomische Verteidigungsmöglichkeit gegen eine bösgläubig angemeldete Widerspruchsmarke an die Hand gibt. Gleichzeitig sollten die bestehenden Unsicherheiten zu den Voraussetzungen von Bösgläubigkeit und Wiederholungsmarke durch Bereitstellung einer verbindlichen Definition ausgeräumt werden.

angela.wenninger@df-mp.com

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