Urheberrechtlicher Schadenersatz auch bei versehentlicher Aktivierung von Software – Anwendbarkeit der Lizenzanalogie?
Von Dr. Daniel Kaboth

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Einführung

Die Möglichkeiten zum Einsatz von Servern, Datenbanksystemen und unterschiedlichen Softwareprogrammen werden für Unternehmen und Behörden immer zahlreicher. Der herkömmliche Betrieb von eigenen Servern, die Auslieferung von Software auf Datenträgern und die Installation vor Ort sind selten geworden. Stattdessen werden die Möglichkeiten, ohne physische Installation auf eigenen Systemen fremde (Hardware-)Systeme und (Software-)Services zu nutzen, immer verbreiteter. Das reicht von der Miete externer Server mit eigener oder fremder Software, der Anlage und Nutzung von virtualisierten Servern über den Bezug von Software as a Service (SaaS) bis hin zu verschiedensten Cloud-Lösungen mit stationären und mobilen Zugriffs- und Nutzungsmöglichkeiten. Die Unterschiede verschwimmen und machen klassische Einordnungen zunehmend obsolet. Dies gilt in gleicher Weise für komplexe Softwaresysteme selbst. Früher wurden klar abgrenzbare Softwaremodule auf Datenträgern ausgeliefert, installiert und genutzt, bis das nächste Update – wiederum per Datenträger – vertrieben wurde.

Heute beziehen Unternehmen und Behörden Komplettlösungen, die sich aus Servermieten, SaaS- oder komplexen Cloud-Lösungen zusammensetzen. Das führt dazu, dass es auch immer schwieriger wird, genau zu bestimmen, welche Leistungskomponenten unter Serverfunktionalitäten, die Bereitstellung von Datenbanken und deren Nutzung, Softwarekomponenten, Zusatzmodule und/oder Pflege- oder Servicekomponenten fallen. Hinzu kommt, dass Software in der Regel nicht mehr mit physischen Handbüchern oder Anwendungsbeschreibungen ausgeliefert wird, sondern zum Download oder Fernzugriff mit umfangreichen digitalen Handbüchern bereitgestellt wird, die vom Hersteller nach Bedarf und meist in unregelmäßigen Abständen aktualisiert werden. Schließlich ist zu beobachten, dass die technische Entwicklung auch dazu führt, dass die großen Softwarehersteller die Lizenzierung von komplexen Datenbank- und Softwaresystemen immer weiter aufspalten und portionieren und damit die Lizenzierung immer komplexer machen. Denn während ein Angebot des Herstellers die Datenbank und/oder Software und ihre Funktionalitäten oft nur knapp beschreibt, setzt sich der endgültige Lizenzierungsgegenstand aus zahlreichen Einzelkomponenten zusammen, die manches Mal weder im Vertrag noch seinen Anlagen in allen Details beschrieben werden. Stattdessen verweist der Hersteller gern auf die umfangreichen digitalen Handbücher (mit vielen Hundert Seiten) und die ergänzenden (häufig englischsprachigen) Lizenzbestimmungen.

Praxisprobleme

Diese Entwicklung führt in der Praxis zunehmend zu folgendem Problem: Administratoren des Lizenznehmers werden mit der Aktivierung und Freischaltung komplizierter Softwaresysteme beauftragt. Auch wenn sie den Vertrag und seine Anlagen kennen, kommt es im Rahmen der Aktivierung und Freischaltung der Softwarepakete gleichwohl dazu, dass sie – unabsichtlich oder im Glauben, dass diese unter den Lizenzgegenstand fallen – Zusatzmodule (etwa Options oder Packs) freischalten und/oder aktivieren. Manches Mal erfährt man von der Existenz der Zusatzmodule erst in den umfangreichen digitalen Handbüchern oder erfährt nur dort, dass ihre Aktivierung zusätzliche Lizenzierungs- oder Vergütungspflichten auslöst. Und es kommt durchaus auch vor, dass bestimmte Zusatzmodule „automatisch“ im Zuge der Freischaltung der eigentlichen Software aktiviert werden und nur durch aktives Zutun oder sogar gar nicht deaktiviert werden können, auch wenn der Lizenznehmer sie nicht benötigt. Aus Sicht des Herstellers kann eine solche Aktivierung und Freischaltung nicht lizenzierter Zusatzmodule zu vertraglichen Nachlizenzierungsansprüchen oder aber – wenn sich der Lizenznehmer außerhalb getroffener vertraglicher Vereinbarungen bewegt – urheberrechtlichen Schadenersatzansprüchen führen. Im letzteren Fall wählt der Hersteller regelmäßig die Lizenzanalogie (vgl. § 97 Abs. 2 Satz 3 UrhG) und fordert den Lizenznehmer zur Nachzahlung entsprechender Lizenzvergütungen auf.

Urheberrechtlicher Schadenersatzanspruch

Der Schadenersatzanspruch im Urheberrecht ist eine klare und vertraute Regelung. Wer das Urheberrecht vorsätzlich oder fahrlässig widerrechtlich verletzt, ist dem Verletzten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet (§ 97 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 UrhG). Dabei wird die Widerrechtlichkeit aus der tatbestandsmäßigen Verletzung eines fremden Urheberrechts indiziert. Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt, also hätte wissen können und müssen, dass er eine Rechtsverletzung begeht. Insoweit treffen den Nutzer eines fremden Urheberrechts Prüfungs- und Erkundigungspflichten, die im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu generell hohen Sorgfaltsanforderungen führen. Bewegt sich der Nutzer im Graubereich oder ist die Rechtslage zweifelhaft, kann er das damit einhergehende Risiko nicht auf den Rechteinhaber abwälzen, sondern trägt selbst das Risiko des Rechtsirrtums. Die Prüfungspflicht betrifft dabei alle an einer Urheberrechtsverletzung Beteiligten, wobei maßgeblich ist, wie sachkundig der Betreffende ist. Fachkreise unterliegen einer gesteigerten Sorgfaltspflicht. Sie müssen entweder besondere Kenntnisse haben oder aber sich diese Kenntnisse beschaffen. Schließlich kommt es auch nicht darauf an, ob der Nutzer den Nutzungsgegenstand tatsächlich nutzt. Es genügt vielmehr, wenn er sich nur eine Nutzungsmöglichkeit, etwa durch die Aktivierung der Software, verschafft. Denn bereits der Eingriff in die allein dem Rechteinhaber zugewiesene Nutzungsmöglichkeit führt zu einer Verletzung von Nutzungsrechten und damit einem Schadensersatzanspruch.

Wenn man diese strengen Rechtsgrundsätze auf die oben beschriebenen Fallkonstellationen überträgt, spricht viel dafür, dass sich Lizenznehmer schadenersatzpflichtig machen und Softwaremodule auf Grundlage der Lizenzanalogie nachlizenzieren müssen, wenn ihre Administratoren – auch nur versehentlich – Softwaremodule aktivieren und freischalten, selbst wenn diese nicht ausdrücklich im vertraglichen Lizenzumfang enthalten sind. Jedenfalls dann, wenn diese Softwaremodule in der zugänglichen digitalen Dokumentation beschrieben und als kostenpflichtig dargestellt sind, dürfte es eine Pflicht für die den Fachkreisen zugehörigen Administratoren geben, vor der Aktivierung und Freischaltung der Softwaremodule diese Hintergründe umfassend zu klären.

Allerdings kommen durchaus Fälle in Betracht, in denen Zweifel an einer Sorgfaltspflichtverletzung angebracht sind. Wenn beispielsweise Administratoren extrem umfangreiche digitale Dokumentationen von 1.000 Seiten oder mehr lesen müssten, um zu erfahren, dass bestimmte und ansonsten im Vertrag nicht näher bezeichnete Softwaremodule gesonderte Vergütungspflichten auslösen, erscheint die Annahme einer Sorgfaltspflichtverletzung überzogen. Dies dürfte auch dann gelten, wenn beispielsweise durch die Installation der eigentlichen Software oder das Setzen von Parametern im Rahmen der Freischaltung der Software zusätzliche kostenpflichtige Softwaremodule aktiviert werden, ohne dass der Administrator dies ohne weiteres feststellen kann oder ohne dass er die Zusatzmodule wieder deaktivieren kann.

Selbst wenn man in diesen Fällen bei der Bejahung einer objektiven Sorgfaltspflichtverletzung dem Grunde nach bleiben sollte, erscheint es nicht vertretbar, den Lizenznehmer vollumfänglich haftbar zu machen. Vielmehr ist es in diesen Fällen sachgerecht, die Höhe der grundsätzlich anzusetzenden fiktiven Lizenz über den Gesichtspunkt des Mitverschuldens des Rechteinhabers zu reduzieren. Denn Softwarelieferanten trifft auch eine Aufklärungspflicht, welche die Unterrichtung des Lizenznehmers über die Lizenzgegenstände, ihre Installation, Freischaltung und Kostenpflichtigkeit einschließt. Der im Rahmen von § 97 Abs. 2 UrhG anwendbare Grundsatz des Mitverschuldens ermöglicht es, unter genauer Berücksichtigung der konkreten Sachverhaltskonstellation angemessene Ergebnisse zu erzielen, wobei ein vollständiger Ausschluss der Schadenersatzpflicht nur in außergewöhnlichen Fällen in Betracht kommt.

Fazit und Ausblick

Lizenznehmer komplexer Datenbank- und Softwaresysteme sehen sich angesichts zunehmend komplizierter werdender Lizenzmodelle – gerade auch vor dem Hintergrund von SaaS, Cloud-Lösungen und umfangreichen Online-Handbüchern – zunehmend dem Risiko ausgesetzt, bei der Aktivierung und Freischaltung von Softwaremodulen Fehler zu machen, die beim nächsten Lizenzaudit zu Nachlizenzierungsansprüchen der Softwarehersteller in erheblicher Höhe führen können. Softwarehersteller sollten daher die Transparenz bei ihren Lizenzmodellen erhöhen und durchgehend sicherstellen, dass fortlaufend im Vertrag bzw. in dessen Anlage dokumentiert wird, welche Lizenzgegenstände welche Vergütung auslösen. Im Gegenzug ist Lizenznehmern nachhaltig zu empfehlen, ein besonderes Augenmerk bei der Aktivierung und Freischaltung von Softwaremodulen auf die gesamte bereitgestellte Dokumentation zu legen und im Zweifel die Kommunikation mit dem Lizenzgeber oder Lieferanten der Software zu suchen, anstatt umfangreiche Nachlizenzierungen zu riskieren.

kaboth@ampersand.de

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