Fälschungsindustrie verursacht Milliardenschaden in der deutschen Wirtschaft
Von Christian Götz
Eine aktuelle Studie zeigt: Jeder dritte Verbraucher hat bereits ein gefälschtes Markenprodukt gekauft. Dies verursacht jährlich einen Schaden von etwa 56 Milliarden Euro allein bei deutschen Unternehmen. Die Produktfälscher werden dabei immer kreativer und finden dank Internet immer schneller und flexibler neue Absatzmärkte. China gilt als häufigstes Herkunftsland für Fälschungen. Doch verkauft werden die Fälschungen vor der eigenen Haustür: Zwei von drei Unternehmen sehen die Europäische Union als Hauptabsatzmarkt.
Im Visier haben die Produktfälscher vor allem die Bereiche Maschinen, Konsumgüter, Medikamente sowie Autoteile – und sogar ganze Autos. Die Unternehmen kommen kaum hinterher: Die Fälschungsindustrie konfrontiert fast 60% der geschädigten Unternehmen bereits im ersten Jahr nach Einführung des Produkts mit den ersten Plagiaten. Dennoch geht die Wirtschaft noch recht sorglos mit dem Phänomen um: 13% der Unternehmen investieren überhaupt nicht in den Schutz ihres geistigen Eigentums, jedes vierte nur 10.000 Euro oder weniger jährlich. Das zeigt unsere Studie, für die EY 550 Unternehmen und 1.000 Verbraucher in Deutschland befragt hat.
Rechtliche und ökonomische Grundsätze
Besonders betroffen ist die Automobilindustrie, in der 62% der Unternehmen in den vergangenen zwei Jahren unter dem Diebstahl geistigen Eigentums zu leiden hatten. Als Folge von Verstößen gegen das Marken-, Patent- oder Urheberrecht droht den Tätern neben Geldstrafen auch eine mögliche Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren. Das – vergleichsweise geringe – Strafmaß scheint die Fälscher nicht genug abzuschrecken.
72% der betroffenen Unternehmen geben laut der Studie an, dass Fälschungen ihrer Produkte vorwiegend in China hergestellt würden. 39% hatten bereits mit Fälschungen aus Südostasien zu tun, 36% mit Fälschungen aus Osteuropa.
Die Gewinnmargen der Fälscher sind häufig sehr hoch und übersteigen teilweise sogar die des Originalherstellers, obwohl die Preise der Plagiate deutlich unter den Originalpreisen liegen. Spürbar werden Umsatzeinbußen besonders für kleine und mittelständische Unternehmen. Neben dem Schaden durch entgangene Umsätze hat Produkt- und Markenpiraterie negative Auswirkungen auf die Unternehmensreputation und das Image einzelner Produkte.
Die Folgeschäden für ein Unternehmen sind enorm: Abgeleitet aus dem GmbH- und Aktiengesetz, kann eine gesellschaftsrechtliche Pflicht zur Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen bestehen. Verursacht eine Fälschung beim Plagiatskäufer finanzielle oder gesundheitliche Schäden, so besteht die Gefahr, dass er seine Ansprüche in einem Rechtsstreit gegen den Originalhersteller geltend macht. Dies kann für den Originalhersteller neben Reputationsschäden auch in Schadenersatzforderungen münden, wenn dieser nicht eindeutig nachweisen kann, dass es sich bei dem Produkt um eine Fälschung handelt.
Die Haltung der Verbraucher und ihre Motivation
Der überwiegende Teil der befragten Käufer von Fälschungen (55%) entscheidet sich bewusst für ein Plagiat. Der niedrigere Preis ist für die Käufer, die bewusst eine Fälschung erworben haben, ausschlaggebend. Der niedrige Preis lässt beim Käufer den Eindruck entstehen, dass der Erwerb einer Fälschung trotz der geringeren Produktlebensdauer wirtschaftlich sinnvoll sei. Beinahe jeder fünfte Verbraucher bewertet die Qualität der Fälschung als mindestens gleichwertig oder höher verglichen mit dem Originalprodukt.
Die Verbraucher sind in der Regel über die negativen Auswirkungen von Produkt- und Markenpiraterie aufgeklärt. 86% aller befragten Konsumenten schätzen eine potentielle Gefährdung von Arbeitsplätzen sowie Umsatzeinbußen bei den betroffenen Unternehmen durch Fälschungen als „mittelgroß bis groß“ ein. Plagiatskäufer haben das gleiche Bewusstsein von der Schädigung von Unternehmen durch Plagiate wie Verbraucher, die keine Fälschungen erworben haben.
Der Schaden der Unternehmen durch Produkt- und Markenpiraterie
Manche Industriezweige sind häufiger betroffen als andere. Der Anteil derjenigen Unternehmen, deren geistiges Eigentum in den vergangenen zwei Jahren verletzt wurde, ist in der Automobilwirtschaft sowie im Maschinen- und Anlagenbau am höchsten. Fast 60% aller Unternehmen geben an, bereits innerhalb des ersten Jahres nach Markteinführung eines Produkts mit Plagiaten konfrontiert zu werden. Fast jedes zehnte Unternehmen ist bereits innerhalb des ersten Monats betroffen. Der unbefugte Abfluss geistigen Eigentums wie Produkt-Know-how und Details zur Produktherstellung ist einer der Gründe für die schnelle Nachahmung von Produkten. Umfassende Schutzmaßnahmen zur Prävention und Identifizierung sind daher wesentliche Säulen eines wirksamen IP-Schutzsystems. Der Schaden, der Unternehmen durch Produkt- und Markenpiraterie entsteht, ist zum einen nur schwer quantifizierbar. Zum anderen sind Schäden an Image und Marke noch schwerer zu quantifizieren und treten häufig verzögert ein. Basierend auf den Ergebnissen der Studie und den Angaben der befragten Unternehmen, schätzt EY den jährlichen Schaden für die deutsche Wirtschaft auf rund 56 Milliarden Euro. Da der Erfolg vieler deutscher Unternehmen auf der Qualität ihrer Produkte basiert, fürchten diese einen Markenwertverlust durch weniger hochwertige Plagiate. Dem Imageschaden und dem Markenwertverlust aufgrund von IP-Verletzungen wird dabei eine noch größere Bedeutung beigemessen als dem direkten finanziellen Schaden durch Umsatzeinbußen.
Strategien für den Schutz geistigen Eigentums
Wirksamer IP-Schutz funktioniert nur durch das Zusammenspiel von Maßnahmen innerhalb eines abgestimmten und zielgerichteten Schutzmanagementsystems. Unternehmen in Deutschland setzen weiterhin vorrangig auf rechtliche Maßnahmen. Lediglich jedes vierte bis fünfte Unternehmen setzt auf die Kommunikation von Erkennungsmerkmalen und auf Produktkennzeichnungen.
Ausblick
Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass Unternehmen vor allem das Internet als Vertriebskanal für Fälschungen ihrer Produkte wahrnehmen. Wirksame Unternehmensstrategien für den IP-Schutz im Internet werden zunehmend kritische Erfolgs- und Wettbewerbsfaktoren.
Gütesiegel und Zertifikate sind heute im Internet leicht zu fälschen und bieten daher nur bedingten Schutz für Verbraucher. Markenhersteller und -händler müssen durch gezielte Kooperationen und Kampagnen mit Onlineportalen und Interessengruppen Anbieter von Fälschungen im Internet stärker bekämpfen. Ein wichtiger Rahmen für die Prävention sind rechtliche Regelungen und internationale Vereinbarungen. So ist beispielsweise der Schutz von Internetdomains nicht umfassend geregelt. Durch die Registrierung von Domains, die ähnlich klingen wie die originalen Domains der Hersteller und Dienstleister, können Fälscher Betrugshandlungen begehen und Imageschäden verursachen. Der Schutz ist aber nur dann wirksam, wenn das IP nicht nur lokal auf den Märkten geschützt wird, auf denen das Unternehmen tätig ist, sondern auch dort, wo Fälschungen produziert und/oder vertrieben werden.
Produkt- und Markenpiraterie werden regelmäßig mit Fälschungen materieller Produkte verbunden. Schäden für Unternehmen entstehen immer dort, wo Kunden den Originaldienstleister und seine Qualitätsmerkmale mit anderen Anbietern verwechseln. Diesen und weiteren Risiken müssen Dienstleistungsunternehmen durch wirksame Maßnahmen zukünftig stärker begegnen und ein Bewusstsein für die Notwendigkeit entwickeln, ihr geistiges Eigentum umfassend zu schützen.