Ein Praxisüberblick mit Fallbeispielen

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Das deutsche Gesetz über Arbeitnehmererfindungen (ArbEG) ist insbesondere für Wirtschaftsteilnehmer aus anderen Rechtsordnungen nach wie vor ein ungewohntes Instrumentarium, für das in vielen anderen Ländern keine vergleichbaren Regelungen bestehen. Entsprechend hoch ist die Vielzahl von Fallstricken, die sich für Unternehmen ergeben können. Wirtschaftlich besonders schmerzhaft können hierbei insbesondere Vergütungsansprüche des Arbeitnehmererfinders sein, die sich aufgrund von unvorteilhaft ausgestalteten Konzernstrukturen und -prozessen in nicht erwarteter Höhe ergeben.
Der vorliegende Beitrag erörtert dies am Beispiel eines ausländischen Konzerns, der in Deutschland eine rechtlich selbständige Forschungs- und Entwicklungsgesellschaft gründet oder im Wege des Zukaufs erwirbt.

Grundlage des Vergütungsanspruchs
Grundlage des Vergütungsanspruchs ist die Regelung in ­§ 9 ArbEG, wonach der Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber einen Anspruch auf angemessene Vergütung hat, sobald der Arbeitgeber eine Diensterfindung in Anspruch genommen hat. Nach dem Gesetzeswortlaut ist für die Bemessung der Vergütung insbesondere die wirtschaftliche Verwertbarkeit der Diensterfindung maßgeblich. Angemessen ist die Vergütung nach der Rechtsprechung des BGH dann, wenn der Arbeitnehmererfinder an allen wirtschaftlichen oder geldwerten Vorteilen, die dem Arbeitgeber aufgrund der Diensterfindung zufließen, beteiligt wird (BGH Mitt. 2003, 466, 468ff. – „Abwasserbehandlung“).

Maßstab für die Bemessung
Nach § 9 Abs. 2 ArbEG ist die wirtschaftliche Verwertbarkeit der Diensterfindung als Maßstab für die Bemessung der angemessenen Erfindervergütung heranzuziehen, also insbesondere der Wert der Erfindung. Dieser wird in den allermeisten Fällen im Wege der sogenannten Lizenzanalogie ermittelt, also danach, was der Arbeitgeber bei einer entsprechenden freien Erfindung im Markt zahlen würde oder – aus anderer Perspektive betrachtet – den ein freier Erfinder hätte erzielen können.

Schuldner des Vergütungsanspruchs
Grundsätzlich ist der Arbeitgeber der Schuldner der Erfindervergütung, da nur zwischen ihm und dem Arbeitnehmererfinder ein Arbeitsverhältnis besteht, was Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Arbeitnehmererfindergesetzes ist. Ist der Arbeitnehmererfinder bei einer Forschungs- und Entwicklungsgesellschaft innerhalb eines Konzerns angestellt, ist als Arbeitgeber nur diese Gesellschaft Schuldner des Vergütungsanspruchs.

Die Forschungs- und Entwicklungsgesellschaft im Konzernverbund – das Problem der „wirtschaftlichen Einheit“
Im Fall von nicht operativ tätigen, aber eigenständigen Forschungs- und Entwicklungsgesellschaften stellt sich die Frage, welche wirtschaftliche Verwertung die Forschungs- und Entwicklungsgesellschaft vornimmt, wenn sie die Diensterfindung lediglich weiteren konzernangehörigen Unternehmen zur Verfügung stellt, und wie sich dies auf den Vergütungsanspruch des Arbeitnehmererfinders auswirkt.

  • Ausgangspunkt der überwiegenden Anzahl der in der Rechtsprechung behandelten Sachverhaltskonstellationen ist hier, ob die selbst operativ nicht tätige Forschungs- und Entwicklungsgesellschaft die von ihr gegenüber dem Arbeitnehmererfinder in Anspruch genommene Diensterfindung weiteren Konzerngesellschaften unentgeltlich und ohne sonstige Gegenleistung (zum Beispiel eine Berechtigung zur unentgeltlichen Nutzung von anderen Erfindungen) zur Verfügung stellt oder nicht.

Erfolgt die Überlassung der Diensterfindung an weitere Konzerngesellschaften gegen Entgelt, ist dies der Erlös der Forschungs- und Entwicklungsgesellschaft aus der Verwertung der Diensterfindung und damit die Bemessungsgrundlage für die Vergütung des Arbeitnehmererfinders. Soweit das Entgelt im Verhältnis zu dem Erfindungswert nicht angemessen ist, hat der Arbeitnehmererfinder im Innenverhältnis zu der Forschungs- und Entwicklungsgesellschaft als Vergütungsschuldner einen Anspruch auf Arbeitnehmererfindervergütung auf Grundlage eines (fiktiven) angemessenen Verwertungserlöses, wobei hier im Einzelnen umstritten ist, ob dies eine marktgerechte Vergütung oder lediglich eine nicht offenkundig unangemessene Vergütung zur Folge hat.

  • Schon problematischer kann es werden, wenn die Überlassung der Diensterfindung an konzernverbundene Unternehmen ohne Lizenzzahlung oder sonstige vermögenswerte Gegenleistung erfolgt. Abhängig von den Umständen des Einzelfalls sind hier verschiedene Konsequenzen möglich, die deutliche Unterschiede im Hinblick auf die zu zahlende Arbeitnehmererfindervergütung zur Folge haben können. Der BGH stellt in seiner Leitentscheidung „Abgestuftes Getriebe“ (GRUR 2002, 801) für die Ermittlung des Vergütungsanspruchs des Arbeitnehmererfinders etwa darauf ab, wie vernünftige Vertragsparteien, die eine solche Konstellation bedacht hätten, dieser Rechnung getragen hätten. Trotz bestehender Unterschiede in der genauen Berechnung und der Kalkulation des sich ergebenden Vergütungsanspruchs des Arbeitnehmererfinders ist diesen Ansätzen gemein, dass der unter Nutzung der Diensterfindung erzielte Außenumsatz anderer Konzernunternehmen der vergütungspflichtigen Forschungs- und Entwicklungsgesellschaft in der Regel nicht wie das Ergebnis einer Eigennutzung der Diensterfindung zugerechnet und damit auch nicht unmittelbar zur Grundlage der Berechnung der Arbeitnehmererfindervergütung gemacht wird.
  • Anderes kann jedoch insbesondere dann gelten, wenn der Konzern – also die Forschungs- und Entwicklungsgesellschaft und die weiteren konzernverbundenen Unternehmen – als wirtschaftliche Einheit zu bewerten ist. Bestehen in der Gesamtbetrachtung Umstände, die eine solche Bewertung naheliegend erscheinen lassen, kann der Vergütungsanspruch des Arbeitnehmererfinders statt auf Grundlage des der Forschungs- und Entwicklungsgesellschaft fiktiv oder tatsächlich erzielten Erlöses aus der Übertragung oder Überlassung der Diensterfindung Erlangten auf Grundlage des Konzernaußenumsatzes, der unter Verwendung der Diensterfindung erzielt wurde, zu berechnen sein. Die Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Arbeitnehmererfindervergütung würde sich in der Folge erheblich verändern.

Eine wirtschaftliche Einheit in vorgenanntem Sinn ist insbesondere dann angenommen worden, wenn die Forschungs- und Entwicklungsgesellschaft die Diensterfindungen ihrer Arbeitnehmer nicht primär zur Eigenverwertung in Anspruch nimmt, sondern mehr oder weniger ausschließlich deshalb, um diese anderen Konzerngesellschaften zur Nutzung zur Verfügung zu stellen. Beispiel hierfür ist eine ausländische Muttergesellschaft, die in Deutschland eine nicht operativ tätige Forschungs- und Entwicklungsgesellschaft erwirbt oder einrichtet, die Verwertung der dort gemachten und in Anspruch genommenen Erfindungen jedoch ausschließlich über weitere konzernverbundene Unternehmen betreibt, ohne dass der Forschungs- und Entwicklungsgesellschaft hierfür eine Gegenleistung zufließt. In einer vergleichbaren Konstellation hat etwa das OLG Düsseldorf das Vorliegen einer wirtschaftlichen Einheit bejaht (OLG Düsseldorf, Urteil vom 13.09.2007 – I-2 U 113/05). Eine wirtschaftliche Einheit zwischen Forschungs- und Entwicklungsgesellschaft und Gesamtkonzern ist in der Rechtsprechung zudem dann für möglich gehalten worden, wenn im Inland die Entwicklungstätigkeit aus dem Unternehmensverband herausgelöst und verselbständigt wird (so in dem von dem OLG München entschiedenen Fall in GRUR-RR 2001, 103).

Maßnahmen zur Vermeidung einer „wirtschaftlichen Einheit“
Dem Risiko einer Berechnung von Arbeitnehmererfindervergütungsansprüchen auf Grundlage des Konzernumsatzes lässt sich jedoch durch eine vorausschauende Ausgestaltung der Beziehungen der Forschungs- und Entwicklungsgesellschaft zu dem Gesamtkonzern begegnen.
Soweit die Forschungs- und Entwicklungsgesellschaft für die Nutzung der Diensterfindungen ihrer Arbeitnehmer durch weitere Konzerngesellschaften Lizenzzahlungen erhält, sind in der Regel lediglich diese Zahlungen für die Berechnung des Vergütungsanspruchs des Arbeitnehmererfinders maßgeblich. Soweit die Lizenzzahlungen als nicht angemessen oder nicht marktüblich beurteilt werden, erfolgt zu Zwecken der Berechnung der Vergütung des Arbeitnehmererfinders im Streitfall eine Anpassung.
Um den administrativen Aufwand gering zu halten, ist es in der Rechtsprechung auch als möglich angesehen worden, dass die Forschungs- und Entwicklungsgesellschaft von den die Diensterfindungen nutzenden Konzerngesellschaften eine Pauschalzahlung erhält, etwa in Gestalt eines prozentualen Zuschlags auf die ohnehin vom Mutterkonzern bereitgestellten Betriebsmittel. Dies hat etwa das OLG München in der vorstehend zitierten Entscheidung als grundsätzlich möglich angesehen.
In Betracht kommt schließlich die Einbringung der Dienst­erfindungen oder hieraus hervorgehender Schutzrechte in einen (konzerninternen) Patentpool, soweit sichergestellt ist, dass die Forschungs- und Entwicklungsgesellschaft eine Lizenzzahlung oder sonstige vermögenswerte Gegenleistung für die Einbringung erhält. Die konkrete Ausgestaltung der rechtlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hängt hier stark vom Einzelfall ab.

bahlmann@boehmert.de

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