Der digitale Raum bietet unbegrenzte Möglichkeiten bei der Nutzung von Marken – und damit auch für Rechtsstreitigkeiten. Ob Keyword-Advertising, Influencer- oder Content-Marketing: Innovationen in Marketing und Kundenkommunikation lassen die Frage aufkommen, ob der bestehende Rechtsrahmen ausreicht, um einerseits effektiven Markenschutz zu gewähren und andererseits Wettbewerb im Internet sowie auf Social-Media-Kanälen zu ermöglichen.
Diese Fragen bilden einen Schwerpunkt beim diesjährigen World Congress der AIPPI in San Francisco. Der vorliegende Beitrag fasst den Bericht der deutschen Arbeitsgruppe zusammen. Die Ergebnisse werden mit den Länderberichten anderer internationaler Arbeitsgruppen die Grundlage für eine Resolution der AIPPI bilden.
Typische Markennutzungen im Internet
Das Markenrecht gewährt dem Inhaber ein ausschließliches Recht, seine Waren oder Dienstleistungen mit einem bestimmten Zeichen als Herkunftshinweis zu versehen. Entsprechend liegt eine Markenverletzung vor, wenn die Zuordnung von Produkten zu ihrem Herkunftsunternehmen vereitelt oder erschwert wird. Dies ist etwa der Fall, wenn ein identisches Zeichen für identische Produkte benutzt wird, ebenso aber auch, wenn ein ähnliches Zeichen für ähnliche Produkte genutzt wird und damit die Gefahr der Verwechslung entsteht. Bekannte Marken werden darüber hinaus gegen unlautere Ausnutzung ihrer Unterscheidungskraft oder Wertschätzung geschützt.
Die meisten markenrechtlichen Konflikte im Internet und auf Social-Media-Kanälen können auf Grundlage der allgemeinen Regeln des Markenrechts gelöst werden. Die deutsche AIPPI-Arbeitsgruppe konnte daher auch keinen Bedarf für ein „Internetmarkenrecht“ erkennen. Weder muss der materiellrechtliche Rahmen angepasst, noch sollten für Online-Markenverletzungen neue und spezialisierte Behörden, Gerichte oder andere öffentliche Institutionen geschaffen werden.
Ein Beispiel für die flexible Anwendung geltender Regeln an die Gewohnheiten in digitalen Räumen liefert die Nutzung von Marken in Suchmaschinen. Beim Keyword-Advertising wird die Marke eines Dritten benutzt, um die eigenen Produkte in den Suchergebnissen anzeigen zu lassen, wodurch womöglich eine Verbindung zwischen Markeninhaber und Werbendem suggeriert werden könnte. Der Verkehr erwartet aber nicht, dass der Suchalgorithmus bei Eingabe der Marke ausschließlich Produkte des Markeninhabers in den Suchergebnissen anzeigt. Es wird deswegen in der Regel genügen, wenn die Anzeige eindeutig von den restlichen Suchergebnissen getrennt und als „Werbung“ gekennzeichnet ist.
Überdies kann auch bei der Markennutzung durch Influencer auf allgemeine Grundsätze des Markenrechts zurückgegriffen werden. Influencer fördern sowohl fremde Geschäfte als auch ihr eigenes Werbegeschäft. Postings, die keinem Dritten gewidmet und auch nicht beauftragt wurden, sind daher markenrechtlich durchaus relevant, weil damit jedenfalls die Bekanntheit des Influencers gefördert wird. Aber auch Influencer, die im Auftrag handeln, können sich nicht aus der Verantwortung ziehen. Sie bleiben gegenüber dem Inhaber einer verletzten Marke neben ihrem Auftraggeber haftbar.
Grenzüberschreitende Sachverhalte
Das Internet kennt (fast) keine Grenzen. Im Markenrecht sind die Konsequenzen keinesfalls trivial. Fragen der Zuständigkeit, des anwendbaren Rechts und der Reichweite der nationalen Markenrechte sind dabei meist untrennbar miteinander verknüpft. Vor allem die Rechtsanwendungsfrage erweist sich häufig als komplex – und als eine wesentliche Hürde für Markeninhaber bei der Durchsetzung ihrer Rechte. Nach dem Schutzlandprinzip ist das Recht desjenigen Landes anwendbar, für dessen Territorium Schutz beansprucht wird. Danach müsste bei Betroffenheit einer deutschen Marke bereits die Aufrufbarkeit einer Webseite in Deutschland zur Anwendung des deutschen Markenrechts führen. Im Ergebnis könnte dann aber nahezu jeder Online-Markengebrauch – unabhängig davon, wo auf diesem Planeten – deutsche Markenrechte verletzen. Das kann nicht richtig sein – wäre die Nutzung des Internets doch mit unkalkulierbaren Risiken internationaler Markenkonflikte versehen.
Daher stutzen die deutschen Gerichte den räumlichen Schutzbereich nationaler Rechte behutsam, aber effektiv: Eine Marke kann „in Deutschland“ nur dann verletzt werden, wenn die Online-Nutzung im Inland einen hinreichenden kommerziellen Effekt zeigt. Das bedeutet: Liegt der Schwerpunkt einer Online-Nutzung im Ausland, weil in erster Linie ausländische Kunden angesprochen werden, und treten die Effekte in Deutschland nur als „Nebenwirkungen“ auf, gewährt das deutsche Markenrecht keinen Schutz. Umgekehrt genügen geringfügige Auswirkungen im Inland, wenn sich ein Verletzer gezielt an deutsche Kunden wendet, zum Beispiel über eine deutschsprachige Webseite, oder wenn er seine Waren tatsächlich nach Deutschland liefert, etwa über eine Niederlassung.
Ausblick
Die Arbeitsgruppe ist zu dem Ergebnis gekommen, dass der bisherige Rechtsrahmen in Deutschland für die materielle Handhabung von Markenverletzungen ausreichend ist, um die Interessen der Markeninhaber und der Wettbewerber in aller Regel zu einem angemessenen Ausgleich bringen zu können. Eine entsprechende Harmonisierung wurde als sinnvoll bewertet.
Verbesserungsbedarf wurde hingegen bei der praktischen Durchsetzbarkeit von Markenrechten im Internet gesehen. Eine effektive Rechtsschutzmöglichkeit bietet das von den größten Online-Marktplätzen bereits seit vielen Jahren etablierte Notice-and-Take-Down-Verfahren. Hiernach genügt eine kurze, unkomplizierte Meldung des markenverletzenden Angebots, um den Betreiber des Online-Marktplatzes zur Löschung des Angebots zu veranlassen. Es wäre wünschenswert, wenn alle Online-Marktplätze dieses etablierte und ausgesprochen effiziente Verfahren zur Verfügung stellen würden. Umgekehrt erscheint es geboten, die Rechtsschutzmöglichkeiten der von einer Löschungsentscheidung betroffenen Anbieter zu stärken. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass private Unternehmen anstelle von Gerichten entscheiden und mit ihren Löschungsmaßnahmen in erheblicher Weise in den Wettbewerb eingreifen. Bislang bleibt den von einer Plattform-Entscheidung Betroffenen nur die Möglichkeit, ein gerichtliches Verfahren anzustrengen. Dies ist aber oftmals langwierig und unwirtschaftlich, vor allem wenn der Prozessgegner seinen Sitz im Ausland hat.
Mit dem „Digital Services Act“, der voraussichtlich in den kommenden Wochen verabschiedet wird, will die EU die vorgenannten Schwachstellen angehen:
Hiernach sollen alle Online-Marktplätze ein benutzerfreundliches Notice-and-Take-Down-Verfahren bereitstellen. Werden potentiell rechtswidrige Inhalte gesperrt, so muss dem Betroffenen ausführlich erläutert werden, warum der strittige Inhalt als rechtswidrig bewertet wird. Ferner müssen Online-Marktplätze ein kostenloses und elektronisches Beschwerdesystem vorhalten und innerhalb von zehn Arbeitstagen über eine Beschwerde entscheiden.
Auch ist die Einrichtung von unabhängigen außergerichtlichen Streitbeilegungsstellen geplant, die Plattform-Entscheidungen innerhalb einer Frist von 90 Kalendertagen überprüfen sollen.
Ob Markeninhaber in dem Fall, dass ein Online-Marktplatz einen Notice-and-Take-Down Antrag ablehnt, die gleichen Rechtsschutzmöglichkeiten haben sollen, ist derzeit noch nicht absehbar. Sicher wäre dies wünschenswert, um „Waffengleichheit“ herzustellen und die praktische Durchsetzung von Markenrechten im Internet zu erleichtern.
tim.dornis@iri.uni-hannover.de