Im Rahmen der letzten AIPPI-Onlinekongresse im Oktober 2021 widmete sich die AIPPI in einem Panel der globalen Entwicklung sogenannter Anti-Suit-Injunctions und Anti-Anti-Suit-Injunctions bei globalen FRAND-Auseinandersetzungen.
FRAND-Streitigkeiten
Wie allgemein bekannt ist, müssen Inhaber von standardessentiellen Patenten (SEPs) bereit sein, diese Patente zu fairen, angemessenen und nicht-diskriminierenden Bedingungen (FRAND) zu lizenzieren. Die interessanteste jüngste Entwicklung in diesem Zusammenhang ist der Fall „Sharp vs. Oppo“, in dem chinesische Gerichte zum ersten Mal bestätigten, dass sie für die Festlegung globaler Lizenzbedingungen zuständig sein können. Dies soll insbesondere gelten, wenn der Lizenzvertrag in China ausgehandelt wurde und ein Unternehmen mit Sitz in China betroffen sein könnte. Auch US-Gerichte, insbesondere kalifornische, haben sich als patentnutzerfreundliche Gerichte etabliert. Kalifornische und chinesischen Gerichte sind also bereit, globale FRAND-Sätze festzulegen und somit eine unbegrenzte FRAND-Bestimmung vorzunehmen, während beispielsweise die deutschen Gerichte dies bisher nur implizit prüfen, um zu entscheiden, ob ein nationaler Unterlassungsanspruch begründet sein kann. Es bestand Einigkeit im Panel, dass dieser Trend zwangsläufig dazu führen wird, dass ein Patentnutzer eher zu einem für ihn günstigeren Gericht geht, anstatt die Bedingungen auszuhandeln. Dies gerade vor dem Hintergrund des derzeitigen Trends der chinesischen Gerichte, den Lizenznehmern und wohl auch den chinesischen Unternehmen wohlgesonnen zu sein und deutsche Gerichte durchaus lizenzgeberfreundliche Sätze im Rahmen ihrer Inzidenzprüfung zugrunde legen. Zudem wurde festgestellt, dass deutsche Gerichte dazu neigen, Unterlassungsansprüche als begründet anzusehen, wenn der beklagte potentielle Lizenznehmer nicht willens oder zu langsam war, einen Lizenzvertrag abzuschließen.
Anti-Suit-Injunctions und Anti-Anti-Suit-Injunctions
Diese Sachlage hat nun dazu geführt, dass die Parteien zunehmend versuchen, das für sie günstigste Gericht zu wählen. Dabei beantragen die Parteien sogenannte Anti-Suit-Injunctions bei dem Gericht ihrer Wahl, um zu vermeiden, dass sie in Parallelverfahren in anderen, weniger günstigen Gerichtsbarkeiten involviert werden. Solche Anti-Suit-Injunctions haben erhebliche Bedenken hervorgerufen. Sie wurden von chinesischen Gerichten, insbesondere in Wuhan, erlassen, um Patentverletzungsklagen vor anderen nationalen Gerichten zu verhindern.
Dies hat wiederum als Konsequenz zur Folge, dass im Gegenzug die anderen nationalen Gerichte Anti-Anti-Suit-Injunctions erlassen, um die Durchsetzung der ursprünglichen Anti-Suit-Injunctions zu verhindern. Gerade die deutschen Gerichte sehen es als einen Eingriff in ihre Hoheitsrechte an, wenn ein ausländisches Gericht Beteiligten eines vor einem inländischen Gericht anhängigen Prozesses verbieten möchte, die eigentlich zuständigen deutschen Gerichte in Anspruch zu nehmen. Gerade das LG München I hat bereits mehrfach einem Verletzungsbeklagten im Wege einer einstweiligen Verfügung (Anti-Anti-Suit-Injunction) verboten, im Ausland bei einem Gericht eine solche Anti-Suit-Injunction zu beantragen. Das Landgericht München I hat in solchen Fällen das Rechtsschutzinteresse für einen vorbeugenden Unterlassungsanspruch bejaht, wenn beispielsweise potentielle Lizenznehmer und Patentnutzer eine Anti-Suit-Injunction androhen oder bereits gestellt haben. Selbst im Schweigen kann eine Erstbegehungsgefahr, wenn der Patentnutzer sich nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erklärt, keinen Antrag auf Erlass einer Anti-Suit-Injunction stellen. Nach Ansicht des LG München I kann aber auch eine Klage auf Lizenzgewährung oder eine Klage auf Festsetzung einer FRAND-Lizenz vor einem ausländischen Gericht, das Anti-Suit-Injunctions in Betracht zieht, eine vorbeugende Unterlassungsverfügung nach sich ziehen.
Diese Rechtsprechung zum Thema Anti-Suit-Injunctions und Anti-Anti-Suit-Injunctions dürfte die globalen Auseinandersetzungen noch die nächsten Jahre prägen, gerade weil eine Diskrepanz zwischen deutschen Gerichten einerseits und US- und chinesischen Gerichten andererseits besteht, da deutsche Gerichte anders als in China oder den USA keine eigene Berechnung der FRAND-Lizenzgebühr vornehmen.