Die Coronapandemie hat in diesem Jahr verhindert, dass der Weltkongress der AIPPI in China stattfinden konnte. Dank erstaunlich gut funktionierender Videokonferenztechnik konnten dennoch wie geplant vier international aktuelle Themen, genannt „Study-Questions“, von den Landesgruppen vorbereitet und auf einem virtuellen Weltkongress im Oktober 2020 intensiv diskutiert werden. Die Study-Questions waren – und sind:
- Inventorship of Inventions made using Artificial Intelligence (Erfinderschaft an von künstlicher Intelligenz gemachten Erfindungen)
- Standing to litigate and effect on Remedies (Klagebefugnis und Auswirkung auf Ansprüche)
- IP-Rights in Data (IP-Rechte an Daten)
- Descriptive Use as a Defence in Trademark-Proceedings (beschreibende Benutzung als Einwendung in Markenverfahren)
Ziel der Diskussionen auf dem virtuellen Kongress war jeweils die Verabschiedung einer Resolution, in der die Position der AIPPI, also die Position der Mehrheit ihrer mehr als weltweit 9.000 Mitglieder – in 125 Landesgruppen –, festgehalten ist. Dieses Ziel wurde für jedes der Themen erreicht.
Resolution „Inventorship of Inventions made using Artificial Intelligence (Erfinderschaft an von künstlicher Intelligenz gemachten Erfindungen)“
Erwähnenswert im Zusammenhang mit dieser Resolution erscheint zunächst, dass das Europäische Parlament nur sechs Tage später, am 20.10.2020, ebenfalls eine Resolution („Entschließung“) zu den Rechten des geistigen Eigentums bei der Entwicklung von KI-Technologien [2020/2015 (INI)] verabschiedet hat. Dort heißt es in Ziffer 15: „Das Europäische Parlament ist der Auffassung, dass durch KI erzeugte technische Schöpfungen gemäß dem Rechtsrahmen für Rechte des geistigen Eigentums geschützt werden müssen, damit Investitionen in diese Form der Schöpfung gefördert werden und die Rechtssicherheit für Bürger, Unternehmen und – da sie zurzeit zu den Hauptnutzern von KI-Technologie gehören – Erfinder verbessert wird“. Es bleibt zu hoffen, dass die Gesetzgeber sich die wissenschaftliche Arbeit der AIPPI zunutze machen und die von der AIPPI vertretenen Positionen berücksichtigen.
Die AIPPI vertritt in ihrer KI-Resolution die Auffassung, dass eine Erfindung nicht allein deshalb vom Patentschutz ausgeschlossen sein darf, weil künstliche Intelligenz (KI) zu ihr beigetragen hat. Allerdings sollte eine KI niemals als Erfinder oder Miterfinder einer solchen Erfindung angesehen werden. Zu der Frage, welche natürliche Person als Erfinder anzusehen ist, enthält die Resolution folgende nicht abschließende Aufzählung von Fallkonstellationen:
- Eine natürliche Person, die einen KI-Algorithmus verwendet, um eine bestimmte Art von Produkt oder Verfahren zu gestalten, sollte als Erfinder oder Miterfinder angesehen werden, wenn die sich ergebende Erfindung eine Art von Produkt oder Verfahren ist, die die natürliche Person beabsichtigt hat.
- Eine natürliche Person, die einen KI-Algorithmus gestaltet, der beim Machen der Erfindung benutzt wird, sollte abhängig von der Größe des Beitrags der Person zu der Erfindung als Erfinder oder Miterfinder gelten.
- Eine natürliche Person, die Daten oder eine Datenquelle für das Trainieren eines KI-Algorithmus auswählt, sollte als Erfinder oder Miterfinder einer Erfindung gelten, die bei der Benutzung des KI-Algorithmus gemacht wird, wenn die Daten oder Datenquelle ausgewählt werden mit dem Zweck, ein vorbestimmtes Problem zu lösen, das tatsächlich durch die Erfindung gelöst wird.
- Eine natürliche Person, die Daten auswählt oder erzeugt oder eine Datenquelle auswählt für die Eingabe in einen trainierten KI-Algorithmus, sollte als Erfinder oder Miterfinder einer Erfindung, die durch Benutzung des KI-Algorithmus gemacht wird, angesehen werden, wenn die Daten oder die Datenquelle erzeugt oder ausgewählt werden mit dem Zweck, ein vorbestimmtes Problem zu lösen, das tatsächlich durch die Erfindung gelöst wird.
- Eine natürliche Person, die erkennt, dass der Output eines KI-Algorithmus eine Erfindung darstellt, sollte als Erfinder oder Miterfinder einer solchen Erfindung angesehen werden.
Resolution „Standing to litigate and effect on Remedies (Klagebefugnis und Auswirkung auf Ansprüche)“
Diese Resolution betrifft insbesondere die Frage, ob auch andere Personen als der Schutzrechteinhaber oder ein ausschließlicher Lizenznehmer berechtigt sein sollten, im eigenen Namen eine Verletzungsklage zu erheben. Hier vertritt die AIPPI die Auffassung, dass auch andere Personen exklusiv ermächtigt werden können, ein Ausschließlichkeitsrecht durch Erhebung einer Klage auszuüben. Mitinhaber eines Schutzrechts, die sich nicht an einer Verletzungsklage beteiligen, verlieren ihre Klagebefugnis, sollen also nicht mehr berechtigt sein, dieselben Ansprüche wegen derselben Verletzungshandlungen desselben Beklagten gerichtlich geltend zu machen. Negative Feststellungsklagen sollen nur dann zulässig sein, wenn der Kläger in ausreichend aktueller und konkreter Weise von dem Schutzrecht betroffen ist. Löschungsklagen sollen grundsätzlich von jedermann erhoben werden können.
Resolution „IP-Rights in Data (IP-Rechte an Daten)“
Mit dieser Resolution hat die AIPPI die Position eingenommen, dass reine Daten keinem Schutz durch ein neues spezifisches Schutzrecht eigener Art zugänglich sein sollten. Für Datenbanken dagegen sollte ein Schutz eigener Art zur Verfügung stehen. Dieser Schutz soll dann entstehen, wenn es ein „Substantial Investment“ gegeben hat. Inhaber des Schutzrechts kann eine natürlich Person oder die Einheit sein, die die Investition getätigt hat.
Resolution „Descriptive Use as a Defence in Trademark-Proceedings (beschreibende Benutzung als Einwendung in Markenverfahren)“
In dieser Resolution vertritt die AIPPI die Auffassung, dass eine beschreibende Benutzung einer Marke unter bestimmten Bedingungen als Einwendung gelten, also zur Verneinung der Ansprüche des Markeninhabers führen kann. Die Resolution nennt die einzelnen Bedingungen und, welche Faktoren bei der Bewertung zu berücksichtigen sind.
Sämtliche Resolutionen sowie auch die zur Vorbereitung verfassten Berichte der einzelnen Landesgruppen können unter www.aippi.org kostenlos abgerufen werden. Die Berichte der einzelnen Landesgruppen fassen immer kurz und prägnant die aktuelle Rechtslage in dem jeweiligen Land zusammen. Auch die deutsche Landesgruppe hat Berichte zu den Study-Questions eingereicht. Die Berichte sind jeweils von Teams aus fünf bis zehn erfahrenen Anwälten, Wissenschaftlern und Inhouse-Juristen in englischer Sprache verfasst worden.