Das neugegründete Innovationsnetzwerk Legal Ai hebt das Potential der digitalen Wertschöpfung von Kanzleien

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Auch vor der Rechtsberatung macht die digitale Transformation keinen Halt. Haben Kanzleien in der Vergangenheit ihre Leistungen typischerweise auf Stundenbasis verkauft, spüren sie zunehmend einen Innovations- und Effizienzdruck. Dies gilt umso mehr, als Mandanten beanspruchen, dass auch die moderne Rechtsberatung zunehmend auf automatisierte und innovative Lösungen zurückgreift und entsprechende digitale Schnittstellen zur Verfügung stellt. Vor allem aber angesichts des sich immer weiter zuspitzenden Fachkräftemangels können Automation und Innovation dazu verhelfen, repetitive Tätigkeiten der Maschine zu überlassen und die immer knapper werdende „Ressource Mensch“ für die anspruchsvollen Tätigkeiten aufzusparen.

Bedarfsgerechte Innovation statt Insellösungen

Aber wie gelingt diese dringend erforderliche digitale Transformation in der Praxis? Anwaltskanzleien haben auf dem Gebiet der Digitalisierung durchaus einen gewissen Nachholbedarf und treiben die Digitalisierung ihrer Tätigkeit meist individuell voran. Das stellt insbesondere mittelstandsorientierte Kanzleien vor hohe Hürden. Häufig fehlt der Zugang zu Anbietern passender Lösungen, und die Einbindung in die Prozesse des Mandanten stellt sich zunehmend als weitere Herausforderung dar. Um Mandanten in der Zukunft innovative digitale Lösungen anzubieten, ist der Brückenschlag zwischen Fachexperten einerseits und IT-Spezialisten andererseits erforderlich. Der übergreifende Austausch zwischen den Akteuren ermöglicht es, zentrale Probleme zu identifizieren und passende Lösungen zu entwickeln.
Strategische Partnerschaft zwischen Wirtschaftskanzleien und Innovationsbegleitern

Mit diesem Ziel vor Augen sind die BWD-Mitglieder Ebner Stolz, Lutz Abel und Menold Bezler sowie Thümmel ­Schütze am 01.01.2023 eine Kollaboration als strategische Partner im Legal Automation & innovation (Legal Ai) Network eingegangen. Im Rahmen dieses Netzwerks sollen die zukünftigen Bedürfnisse der Mandanten über einen offenen Innovationsprozess vor dem Hintergrund der Digitalisierung systematisch identifiziert, erste Prototypen getestet und marktnahe Lösungsansätze (Legal Tech) entwickelt oder gefunden werden. Koordiniert wird das Netzwerk vom Stuttgarter Innovationsbegleiter und Technologieentwickler OMM Solutions GmbH.

Legal Innovation Challenge als Grundstein des Legal Ai Networks

Bereits 2019 und 2020 führte die OMM Solutions GmbH die ersten beiden Legal Innovation Challenges durch, bei der die teilnehmenden Kanzleien interdisziplinären Teams aus Studierenden von Hochschulen mit den Fachbereichen Rechtswissenschaften, Wirtschaft und Informatik sowie Rechtsreferendaren und jungen Mitarbeitern von Kanzleien und Unternehmen Aufgaben mit der Maßgabe stellten, innerhalb von 48 Stunden eine digitale innovative Lösung und einen ersten Prototypen in agilen Verfahren zu entwerfen. Dabei werden die Teams von Mitarbeitern aus Rechtsabteilungen und Kanzleien gecoacht. Nachdem die Teams ihre Lösungen vor der Jury gepitcht haben, kürte diese sowohl das beste Konzept als auch den besten Prototypen.

Dabei präsentierten die Teams bisher stets spannende und innovative Lösungsansätze, die sowohl Jury als auch Kanzleien überzeugten und denen das Potential attestiert worden ist, echte Innovation zu bieten. So beeindruckte das Gewinnerteam 2021 mit einem Konzept im Bereich Global Mobility im Zusammenhang mit der Erfassung der Aufenthaltsdauer und -art ausländischer Arbeitnehmer. Sowohl im Kreis der damaligen Jury als auch bei den Rechtsabteilungsleitern, die die Teams während der Challenge gecoacht haben, bestand großes Interesse an solch einem Tool. Die präsentierte Lösung überzeugte mit einer einfachen Lösung und Effizienzsteigerung für ein bestehendes Problem global tätiger Unternehmen. Aufgrund der großen Resonanz ist die vorgestellte Idee durch die Challenge-gebende Kanzlei Ebner Stolz ausgebaut und weiterentwickelt worden. Ein Marktstart steht unmittelbar bevor, und das Interesse bei angesprochenen Unternehmen ist weiterhin groß. Im Verlauf der Challenge zeigte sich aber auch immer wieder, dass die von den Kanzleien identifizierten Probleme nicht deckungsgleich mit den Bedürfnissen nach Lösungen für die Rechtsabteilungen in Unternehmen sind.

Drei zentrale Formate

Aus diesen Erfahrungen entstand die Idee, den Austausch zwischen den Akteuren auszubauen und damit das Problem­verständnis zu schärfen und auch den Markt bestehender technologischer Lösungen besser zu verstehen. Das Legal Ai Network startet daher neben der Legal Innovation Challenge mit zwei zusätzlichen zentralen Formaten, die im weiteren Verlauf von den Akteuren gemeinsam weiterentwickelt und um neue Formate ergänzt werden. Das erste Format steht ganz unter dem Zeichen, den Bedarf an innovativen Lösungen in der Rechtsberatung zu identifizieren. Deshalb werden gemeinsam mit Rechtsabteilungsleitern in einem sogenannten „Legal Problem Camp“ aktuelle Problem­stellungen in Unternehmen im Kontext der Digitalisierung mit geeigneten Methoden erarbeitet und bewertet.

Im Rahmen der Legal Innovation Challenge, die in diesem Jahr am 12. und 13. Mai in Stuttgart stattfindet, steht wieder die Kreativität und Innovation der Teams im Mittelpunkt. Auch in diesem Jahr wird eine fachkundige Jury Prototypen und Konzept für die von den Kanzleien gestellten Probleme bewerten.

Bei dem dritten und derzeit letzten Format des Legal Ai Network, dem „Legal Solution Camp“, stehen bereits bestehende IT-Produkte und Technologien im Fokus, die von den Kanzleien bei der Entwicklung eigener Lösungen ­herangezogen werden können. Durch eine transparente Gegenüberstellung unterschiedlicher Ansätze sollen neue Ideen zur Entwicklung mandantenzentrierter Lösungen geschaffen werden. Die Mitglieder des Legal Ai Networks versprechen sich, dadurch einen besseren Überblick über die technologische Entwicklung zu gewinnen und Zugang zu spezialisierten Lösungsanbietern zu bekommen.

Mehrwert für alle Beteiligten

Durch diese Herangehensweise will das Legal Ai Network Mehrwert für alle Beteiligten schaffen. Der Austausch mit Rechtsabteilungen auf der einen und mit Technologieanbietern auf der anderen Seite soll die Kanzleien bei ihren Überlegungen zu neuen digitalen Konzepten voranbringen. Rechtsabteilungen erhalten die Gelegenheit, den teilnehmenden Kanzleien ihre Probleme und Erwartungen im Rahmen von digitaler Innovation der Rechtsberatung zu vermitteln, während Technologieanbieter Zugang zu neuen Partnern und Konzept erhalten.

Über die interdisziplinäre Entwicklung von spannenden Lösungsansätzen im Legal-Bereich bildet die Legal Innovation Challenge zudem eine hervorragende Grundlage für junge Studierende, um ein eigenes Netzwerk zu anderen Disziplinen, Rechtsanwaltskanzleien und den Jury-Unternehmen zu knüpfen. Also eine Win-win-Situation für alle Beteiligten. Die effiziente und gezielte Einbindung verschiedener Akteure aus Recht, Wirtschaft, Technologie und Wissenschaft ermöglicht eine intensive Kollaboration und ein besseres Verständnis für die Rechtsberatung der Zukunft. Gerade der Austausch mit Unternehmen und Technologieanbietern ist ein echter Mehrwert für die Entwicklung eigener innovativer Lösungen. Dies gilt sowohl im klassischen Legal-Tech-Bereich als auch mit Fokus auf die multidisziplinäre Beratung des Mittelstands, die Ebner Stolz seit vielen Jahren bundesweit auszeichnet. Ein solch konzentrierter Zugang zu den Marktteilnehmern, ihren Problemen und Lösungen stellt die einzelnen Kanzleien außerhalb des Netzwerks vor erheblich höhere Anstrengungen oder ist eventuell nicht abbildbar. Ganz im Zeichen eines offenen und breiten Austauschs sind daher weitere Kanzleien als auch Unternehmen willkommen, sich am Legal Ai Network und an seinen Formaten zu beteiligen.

 

torsten.loercher@ebnerstolz.de

laurent.meister@ebnerstolz.de

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