Europäische E-Justice im Bereich der Register

Von Carsten Schmidt

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Verlässliche Informationen über Unternehmen und Verbraucher spielen seit jeher eine besondere Rolle für Wirtschaft, Verwaltung und nicht zuletzt auch die Justiz eines Staates. Mit der zunehmend stärker werdenden Verflechtung der Wirtschaft in Europa und auch über die Grenzen der Europäischen Union hinaus ist dieses Bedürfnis nicht länger auf einzelne Staaten beschränkt.

Die letzte Krise der Finanzmärkte, die sich zumindest teilweise zu einer intensiven Wirtschaftskrise für einige Staaten entwickelt hat, zeigte deutlich die Notwendigkeit nach schnell zugänglichen und belastbaren Informationen. Dies bezieht sich insbesondere auf verschiedene Informationen, die aus deutscher Sicht von der Justiz bereitgestellt werden. Hierzu gehören vornehmlich Informationen aus dem Handels-, Genossenschafts- und Unternehmensregister, aber auch aus dem Bereich der Insolvenzverfahren. Die Gesetzgebung auf nationaler und europäischer Ebene hat dies erkannt und im Rahmen der entsprechenden Legislativakte aufgegriffen.

Vernetzung der Zentral-, Handels- und Gesellschaftsregister

Am 01.01.2007 hat das Gemeinsame Registerportal der Länder seinen Betrieb aufgenommen. Es ist Bestandteil des Justizportals des Bundes und der Länder. Die Schaffung der Plattform www.handelsregister.de beruhte auf der Umsetzung der Richtlinie 2003/58/EG vom 15.07.2003 zur Änderung der Richtlinie 68/151/EWG des Rates in Bezug auf die Offenlegungspflichten von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen, die sogenannte SLIM-IV-Richtlinie. Hiernach sind die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, dass

  • ab dem 01.01.2007 Anmeldungen zum Handelsregister und die Einreichung von Unterlagen in elektronischer Form ermöglicht werden. Diese neu eingereichten Unterlagen müssen in einem elektronischen Register geführt werden;
  • außerdem jedermann verlangen kann, dass ihm die Registerauszüge in Papier- oder elektronischer Form übergeben werden. Dies gilt auch für die Altdatenbestände sowie alle weiteren Unterlagen (Gesellschafterlisten, Satzungen, Jahresabschlüsse).

Damit begann die Erfolgsgeschichte des gemeinsamen Registerportals, über das nunmehr jährlich mehrere 100 Millionen Abrufe von Informationen getätigt werden. Die Finanzmarktkrise ab dem Jahr 2007 hat jedoch deutlich gezeigt, dass umfassende Informationen auf einen Staat beschränkt nicht ausreichen, um das häufig sehr komplexe Geflecht von Unternehmen mit Haupt- und Zweigniederlassungen im Ausland darzustellen. Vor diesem Hintergrund haben die Europäische Kommission und einige Mitgliedstaaten die Initiative ergriffen und eine Reform zu mehr Transparenz und der Verfügbarkeit von grenzüberschreitenden Informationen angestoßen. Diese mündete schließlich in der Richtlinie 2012/17/EU zur Vernetzung der Zentral-, Handels- und Gesellschaftsregister für alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union und des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR; der Europäische Wirtschaftsraum umfasst neben den EU-Mitgliedstaaten Island, Liechtenstein und Norwegen). Gemäß dieser Richtlinie musste bis zum 08.06.2017 eine erste Version dieser Registervernetzung in Europa implementiert sein. Der zentrale Zugangspunkt wird das Europäische Justizportal sein. Über dieses Portal sollen die Firmeninformationen aus den Registern aller angeschlossenen Staaten abrufbar sein. Dies bedeutet konkret, dass

a)  Firma und Rechtsform der Gesellschaft,

b)  Sitz der Gesellschaft und der Mitgliedstaat, in dem sie eingetragen ist, sowie

c)  Registernummer der Gesellschaft

unmittelbar über das Justizportal bereitgestellt werden. Diese Daten stehen allen Nutzern kostenfrei zur Verfügung. Für weitergehende Informationen muss, in Abhängigkeit von den Regelungen der beteiligten Staaten, gegebenenfalls ein Entgelt entrichtet werden. Hierfür baut die EU-Kommission zurzeit ein zentrales elektronisches Bezahlsystem auf. Das Bezahlsystem soll auch die Möglichkeit der Bezahlung per Kreditkarte und ohne vorherige Registrierung umfassen.

Neben der Publikation der Informationen besteht das System der Registervernetzung aus einer weiteren technischen Komponente, der sogenannten European Central Platform (ECP). Die ECP dient neben der Vernetzung der Register untereinander auch dem regelmäßig erforderlichen Datenaustausch zwischen den registerführenden Stellen. Dies beruht darauf, dass durch die neue Richtlinie gleichzeitig auch die Verpflichtung geschaffen wurde, dass die Register der beteiligten Staaten künftig einander insbesondere über

a)  die Eröffnung und Beendigung von Verfahren zur Abwicklung oder Insolvenz einer                        Gesellschaft mit Zweigniederlassung(en) im Ausland sowie über die Löschung der                        Gesellschaft aus dem Register,

b)  die Sitzverlegung einer Gesellschaft und

c)  eine grenzüberschreitende Verschmelzung

informieren.

Hierdurch soll die Aktualität aller beteiligten Register gewährleistet werden. In diesem Zusammenhang wird eine einheitliche europäische Registernummer (European Unique Identifier, EUID) eingeführt. Die EUID soll aus einem Länderkürzel, einem Identifier für das aktuell zuständige Registergericht sowie der Registernummer bestehen. Es ist noch nicht abschließend geklärt, ob diese Nummer lediglich eine „technische Nummer“ sein oder auch, etwa über das Europäische Justizportal, angezeigt werden wird.

Für den technischen Bereich der Vernetzung der Register ist seitens der EU-Kommission die verpflichtende Nutzung des innerhalb der EU-Projekte e-CODEX und e-SENS (www.e-CODEX.eu und www.esens.eu) gemeinsam durch das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen mit Unterstützung der anderen Länder entwickelten Transportsystems vorgesehen. Diese Transportlösung, die sogenannte „Digitale Service Infrastrukturkomponente e-Delivery“ (DSI e-Delivery), ist gleichzeitig auch eine der zentralen Basiskomponenten für alle künftigen europäischen Entwicklungen geworden und ist daher Bestandteil der von der EU-Kommission im Kontext der Fazilität Connecting Europe (CEF) als Open-Source-Produkt bereitgestellten Lösungen (vgl. https://ec.europa.eu/cefdigital/wiki/display/CEFDIGITAL/CEF+Digital+Home).

Vernetzung der Insolvenzregister

Im Zusammenhang mit den Maßnahmen der EU zur finanziellen Sanierung kann die Verbesserung des Zugangs zu aktuellen und offiziellen Informationen über Insolvenzverfahren als weiteres Mittel zur Wiederherstellung des Vertrauens auf den Märkten in ganz Europa und darüber hinaus verstanden werden. Die sogenannten Insolvenzregister (Insolvenzbekanntmachungen) spielen diesbezüglich eine entscheidende Rolle. Über diese werden Informationen über Unternehmen und Bürger eingetragen und gespeichert sowie der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Die Überlegungen für öffentliche Bekanntmachungen zu Insolvenzverfahren in Deutschland entstanden im Zusammenhang mit dem Gesetz zur Änderung der Insolvenzordnung und anderer Gesetze vom 31.10.2001 und sind zum 01.12.2001 in Kraft getreten. Nordrhein-Westfalen hat als erstes Land der Bundesrepublik von der neuen Regelung Gebrauch gemacht. Zum 01.04.2002 wurden die Daten erstmals im Internet bekanntgemacht. Damit war der Startschuss für die Plattform www.insolvenzbekanntmachungen.de gefallen.

Im Zuge der Reform der Europäischen Verordnung über Insolvenzverfahren (EU-InsVO) wurde diese Möglichkeit der Publikation im Internet, die außer in Deutschland auch in verschiedenen anderen europäischen Staaten vorhanden ist, auch auf europäischer Ebene aufgegriffen. Mit der Verordnung 2015/848/EU, welche die bisherige Verordnung 2000/1346/EG ablöst, wurden die notwendigen rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen. Art. 24 EU-InsVO sieht künftig den Aufbau eines europaweiten Systems von elektronischen und vernetzten Insolvenzregistern vor. Der in der EU-InsVO vorgesehene Zeitplan sieht wie folgt aus:

  • 26.06.2017 – Inkrafttreten der allgemeinen Vorschriften der Verordnung
  • 26.06.2018 – alle Mitgliedstaaten verfügen über ein Insolvenzregister
  • 26.06.2019 – Inbetriebnahme der Vernetzung der Insolvenzregister

Auch in diesem Fall wird das Europäische Justizportal wieder als zentraler Zugangspunkt zu den Insolvenzinformationen dienen. Technisch wird hierfür ebenfalls die Wiederverwendung der Lösungen aus den EU-Projekten e-CODEX und e-SENS in Aussicht genommen. Einen ersten Eindruck der künftigen Lösung erhält man bereits heute durch einen Prototypen, über den die Daten aus sieben Staaten abrufbar sind:

https://e-justice.europa.eu/content_insolvency_registers-110-de.do.

Künftig soll das Portal noch weiter ausgebaut werden. Weitere Register sollen mittelfristig über das Europäische Justizportal und die seitens der EU-Projekte entwickelte Infrastruktur Daten bereitstellen. Hierzu gehören als Folge der „Panama-Leaks-Affäre“ das Register der wirtschaftlichen Eigentümer und die Grundbücher aus den Mitgliedstaaten. Die Beratungen in Brüssel hierzu dauern noch an und geben Gelegenheit, an dieser Stelle weiter darüber zu berichten.

Carsten.schmidt@jm.nrw.de

 

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