Rechtsverordnung zum elektronischen Rechtsverkehr (ERVV) in Kraft 

Von Dr. Wolfram Viefhues

Beitrag als PDF (Download)

Es geht weiter mit der Konkretisierung der rechtlichen Vorgaben für den flächendeckenden elektronischen Rechtsverkehr. Bislang fehlte noch die Rechtsverordnung zu § 130a ZPO, die jetzt am 20.09.2017 vom Bundeskabinett und am 03.11.2017 vom Bundesrat beschlossen worden ist und zum 01.01.2018 in Kraft treten wird.

Diese „Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach“ (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) enthält die Regelungen über die technischen Rahmenbedingungen der Einreichung elektronischer Dokumente bei den Gerichten. Hierzu zählen insbesondere die Formate der elektronischen Dokumente, die Anforderungen an strukturierte Datensätze und die Übermittlung elek­tronischer Dokumente mit qualifizierter elektronischer Signatur. Weitere technische Details der elektronischen Kommunikation sollen künftig einheitlich von der Bundesregierung bekanntgemacht werden.

Kapitel 3 der ERVV regelt die Einzelheiten des besonderen elektronischen Behördenpostfachs, über das Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts künftig ebenfalls parallel zu den Regelungen des beAs elektronische Dokumente ohne qualifizierte elektronische Signatur übermitteln können.

Da diese ERVV bisher keine Regelung über die elek­tronische Kommunikation in Strafsachen und Ordnungswidrigkeiten enthält, ist noch ein „Entwurf einer Verordnung zur Änderung der Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung (Änderung der „Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung“ für den Bereich des Strafrechts) auf dem Weg.

Über den unmittelbaren Verweis in § 753 Abs. 4 Satz 2 ZPO in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung gilt die ERVV auch für die elektronische Kommunikation mit den Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollziehern.

Zwingend: Einreichung als PDF-Dokument

Die für die anwaltliche Praxis wichtigste Regelung enthält § 2 ERVV mit den Anforderungen an elektronische Dokumente. In Zukunft muss der elektronische Schriftsatz im Dateiformat PDF übermittelt werden, und zwar in druckbarer, kopierbarer und, soweit technisch möglich, durchsuchbarer Form. Für eine Übergangszeit, die bis zum 30.06.2019 verlängert worden ist, kann noch von der Übermittlung des elektronischen Dokuments in durchsuchbarer Form abgesehen werden.

Die Erstellung eines PDF-Dokuments aus einem Schriftsatz ist technisch kein Hindernis, denn alle gängigen Textverarbeitungsprogramme enthalten die Funktion, das erstellte Dokument als PDF abzuspeichern. Allerdings muss dies in den Kanzleien den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, die die Schreibarbeiten erledigen, auch entsprechend vermittelt werden. Es darf also nicht der Ursprungstext des erstellten Word-Dokuments an das Gericht geschickt werden, sondern es muss das daraus erstellte PDF-Dokument sein; und dieses Dokument muss ggf. signiert werden.

Nur dann, wenn ausnahmsweise die bildliche Darstellung im Dateiformat PDF nicht verlustfrei wiedergegeben werden kann, darf das elektronische Dokument zusätzlich im Dateiformat TIFF übermittelt werden.

Für die Praxis wichtig sind die Ausnahmen, in denen diese Verpflichtung nicht gilt:

  • für Tabellen und Verzeichnisse – zu denen insbesondere die Insolvenztabelle (§ 175 InsO) zählt – bleibt die abweichende Regelung in § 5 Abs. 4 InsO unberührt
  • die (elektronische) Übermittlung und Beiziehung von Behördenakten
  • das Verfahren der Einlieferung in das Schuldnerverzeichnis und das Vermögensverzeichnisregister
  • die Übermittlung elektronischer Formulare wie etwa des Formulars für den Vollstreckungsauftrag an Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher oder
  • die auf Grundlage des § 130c ZPO, § 14a FamFG und der entsprechenden Vorschriften für die Fachgerichtsbarkeiten eingeführten elektronischen Formulare
  • die Einreichung nur maschinell lesbarer Anträge im Mahnverfahren

Werden Schriftsätze in Papierform erzeugt und anschließend durch Einscannen in ein elektronisches Dokument umgewandelt, muss dieses elektronische Dokument – jedenfalls nach Ablauf der Übergangsfrist – als PDF-Dokument in durchsuchbarer Form eingereicht werden. Das ist nur dann möglich, wenn das eingescannte Dokument mit einem Texterkennungsprogramm als OCR-Scan (Optical Character Recognition) erstellt wurde.

Soweit es sich bei den einem Schriftsatz beigefügten Anlagen um Beweisobjekte (für den richterlichen Augenschein) handelt, also die eingescannten Kopien von Vertragsunterlagen oder vorgerichtlicher Korrespondenz, gelten diese Anforderungen nicht. Diese eingescannten Dokumente sind in unbehandelter Form zu übermitteln.

Behandlung unzulässiger Formate

Da § 2 Abs. 1 Satz 1 und 2 ERVV die zulässigen Dateiformate abschließend benennt, sind andere Formate ausgeschlossen, so etwa die komprimierte Übermittlung im ZIP-Dateiformat. Ungeeignet zur Bearbeitung sind auch elektronische Dokumente, die mit Schadsoftware versehen oder durch ein Kennwort lesegeschützt sind.

Genügt ein Dokument den Anforderungen der ERVV nicht, wird eine Datei also in einer unzulässigen Form übermittelt, wird dies dem Absender unverzüglich mitgeteilt (§ 130a Abs. 6 ZPO). Der Absender muss dann das Dokument unverzüglich im geeigneten Dateiformat nachreichen und glaubhaft machen, dass es mit dem zuerst eingereichten Dokument inhaltlich übereinstimmt. Nur dann gilt das Dokument als zum Zeitpunkt der früheren Übermittlung eingegangen.

Weiter enthält die ERVV die Soll-Vorgabe, im Dateinamen den Inhalt des elektronischen Dokuments schlagwortartig zu umschreiben und bei der Übermittlung mehrerer elektronischer Dokumente eine logische Nummerierung einzuhalten. Dies dient dazu, die automationsgestützte Einordnung in die gerichtliche elektronische Akte zu erleichtern.

Der Dateiname des Schriftsatzes soll dabei der üblichen Bezeichnung in der jeweiligen Prozessordnung entsprechen, also beispielsweise als Klageschrift, Klageerwiderung, Berufungs- oder Revisionsschrift oder Kostenfestsetzungsantrag bezeichnet werden. Der Schriftsatz und die Anlagen sollen neben der Inhaltsbezeichnung durch die Voranstellung einer Nummerierung (etwa 01, 02, 03 …) geordnet werden.

Allerdings wird eine fehlerhafte Bezeichnung des Dateinamens nicht zur Zurückweisung des elektronischen Dokuments nach § 130a Abs. 6 ZPO führen, denn die Regelung ist als reine Soll-Vorschrift ausgestaltet, und es sind keine Sanktionen vorgesehen.

Zudem soll dem elektronischen Dokument ein strukturierter maschinenlesbarer Datensatz im Format XML beigefügt werden, der die automatisierte Erfassung bestimmter Grunddaten durch die Gerichte und im weiteren Verfahren die Zuordnung des elektronischen Dokuments zu einem (bereits anhängigen) Gerichtsverfahren ermöglicht.

Zulässiger Übermittlungsweg

4 ERVV legt fest, das für diese Dokumente als zulässiger Übermittlungsweg neben den in § 130a ZPO definierten sicheren Übermittlungswegen (etwa: beA, beBPo, BeN, DE-Mail mit sicherer Anmeldung) nur das EGVP (elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach) eröffnet ist. Damit ist die Übermittlung qualifiziert elektronisch signierter Dokumente auf anderen Wegen ausgeschlossen.

Verbot der Containersignatur

Durch das Verbot der Signatur mehrerer Dokumente mit einer gemeinsamen qualifizierten Signatur in § 4 Abs. 2 ERVV wird die nach der bisherigen Rechtsprechung zulässige Containersignatur ausgeschlossen.

vielfhues@aol.com

Aktuelle Beiträge