Das neue Gewährleistungsrecht beim Warenkauf und bei digitalen Leistungen gilt seit Jahresanfang und hält einige praktisch relevante Neuerungen bereit.

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Seit Jahresbeginn gilt in Österreich ein neues Gewährleistungsrecht. Die Reform diente der Umsetzung der Warenkauf-RL (RL 2019/771) und der Digitale-Inhalte-RL (RL 2019/770) und betrifft daher primär die in den RL gegenständlichen Verbraucherverträge. Über die unionsrechtlichen Vorgaben hinaus bringt die österreichische Reform aber auch Änderungen für andere Verbraucherverträge und im B2B-Bereich. Die neuen gewährleistungsrechtlichen Vorschriften gelten für nach dem 1.1.2022 abgeschlossene Verträge und für seit dem 1.1.2022 bereitgestellte digitale Leistungen (§ 1503 Abs 2 ABGB; § 29 VGG). Im Folgenden werden die wichtigsten Änderungen in fünf Punkten vorgestellt:

Das Verbrauchergewährleistungsgesetz als zweites Gewährleistungsregime

Kern der Reform ist das Verbrauchergewährleistungsgesetz (VGG). Das VGG regelt die Gewährleistung für Warenkaufverträge und Verträge über digitale Leistungen im B2C-Bereich (§ 1 Abs 1 VGG). Dies entspricht dem Anwendungsbereich der Warenkauf-RL und der Digitale-Inhalte-RL.

Warenkaufverträge sind Verträge über den Kauf von beweglichen körperlichen Sachen. Erfasst werden auch Verträge über erst herzustellende Waren (Werklieferungsverträge), nicht jedoch Werkverträge. Zur Abgrenzung findet sich in den Gesetzesmaterialien folgender Hinweis: „Ein Werkvertrag klassischer Ausprägung, der entweder gar keine kaufvertraglichen Elemente oder nur solche von untergeordneter Bedeutung aufweist, wird nicht unter den ‚Kauf von Waren‘ im Sinne des Abs. 1 Z. 1 zu subsumieren sein. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn der Werkunternehmer nur eine Dienstleistung zu erbringen hat (etwa bei der Herstellung eines Anzugs durch einen Herrenschneider, sofern der Verbraucher dafür den anlässlich eines London-Urlaubs selbst erworbenen Wollstoff beistellt) oder wenn der Materialeinsatz des Werkunternehmers bei einer wertenden Betrachtung deutlich hinter das Dienstleistungselement, das den Kern der Leistung ausmacht, zurücktritt.“ (Erläuternde Bemerkungen zur Regierungsvorlage 949 BlgNR 27. GP 12 ff zu § 1 VGG)

Verträge über digitale Leistungen sind Verträge über digitale Inhalte (z.B. Fotos, Videos, Musik oder E-Books) und über digitale Dienstleistungen (z.B. Social Media oder Cloudspeicherdienste). Anders als bei den Warenkaufverträgen kommt es nur auf den Leistungsgegenstand an, nicht darauf, ob der Vertrag als Kauf- oder Werkvertrag zu qualifizieren ist (Stabentheiner, ÖJZ 2021, 965, 969). Explizit erfasst sind auch solche Vertragskonstruktionen, bei denen der Verbraucher als Gegenleistung für die Bereitstellung der digitalen Leistung seine personenbezogenen Daten hingibt (§ 1 Abs 1 Z 2 lit b VGG), wobei die DSGVO und die Frage, ob das Datenschutzrecht verletzt wird, durch diese Vorgabe nicht berührt werden sollen (Erläuternde Bemerkungen zur Regierungsvorlage 949 BlgNR 27. GP 12 ff zu § 1 VGG).

In Österreich galt bisher ein einheitliches Gewährleistungsrecht (§§ 922 ff ABGB) mit punktuellen Sonderregelungen im Verbraucherrecht (§§ 8 bis 9b KSchG) und im Unternehmensrecht (§§ 377 f UGB). Mit der Einführung des VGG gibt es nun zwei Gewährleistungsregimes: das allgemeine Regime des ABGB und das Sonderregime des VGG, das als lex specialis dem ABGB und dem KSchG vorgeht.

Die neuen Fristen

Aufgrund der Reform gilt ein neues Fristenregime, das zwischen Gewährleistungs- und Verjährungsfrist unterscheidet (§ 933 Abs 3 ABGB neu; §§ 10, 18, 28 VGG). Dieses neue Fristenregime wurde auch ins ABGB übernommen und gilt daher auch im B2B-Bereich.

Die Gewährleistungsfrist beträgt (wie bisher) für bewegliche Sachen zwei, für unbewegliche Sachen drei Jahre ab Übergabe. Nur jene Mängel, die innerhalb dieser Frist hervorkommen, unterliegen der Gewährleistung (§ 933 Abs 3 ABGB neu; §§ 10 Abs 1, 18 Abs 1 VGG).

Neu ist die an die Gewährleistungsfrist anschließende dreimonatige Verjährungsfrist. Damit erhält der Gewährleistungsberechtigte nach Ablauf der Gewährleistungsfrist weitere drei Monate Zeit, um seine Ansprüche gerichtlich geltend zu machen. Diese zusätzliche Frist wurde ebenso ins ABGB übernommen und gilt daher auch zwischen Unternehmern (§ 933 Abs 3 ABGB neu, § 28 Abs 1 VGG).

Rechtsmängel müssen weiterhin binnen zwei, bei unbeweglichen Sachen binnen drei Jahren ab Kenntnis geltend gemacht werden (§ 933 Abs 3 ABGB neu; § 28 Abs 2 VGG).

Des Weiteren wurde die Vermutungsfrist verlängert – dies allerdings nur im Anwendungsbereich des VGG. Hinsichtlich jener Mängel, die innerhalb dieser Frist hervorkommen, wird vermutet, dass sie schon bei Übergabe vorlagen. Bisher betrug diese Frist sechs Monate. Nach VGG beträgt sie ein Jahr ab Übergabe; außerhalb des VGG bleibt es bei der Sechsmonatsfrist (§ 924 ABGB; §§ 11 Abs 1, 19 Abs 1 VGG).

Neuerungen bei der Definition des Mangels

Im österreichischen Gewährleistungsrecht gilt traditionell ein subjektiver Mangelbegriff. Demnach ist eine Leistung mangelhaft, wenn sie der konkreten Vereinbarung widerspricht. Gemäß § 922 ABGB muss der Verkäufer zwar nicht nur für die „bedungenen“, sondern auch für die „gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften“ Gewähr leisten. Dies ändert aber nichts an der subjektiven Natur des Mangelbegriffs. Unter den „gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften“ werden nämlich jene Eigenschaften verstanden, die auch ohne ausdrückliche Vereinbarung erwartet werden dürfen und als stillschweigend vereinbart gelten (sh zB OGH 8 Ob 63/05f und 1 Ob 140/00w).

Nach der neuen Definition des VGG hingegen ist eine Leistung nur dann vertragskonform, wenn sie zusätzlich zu den „vertraglich vereinbarten“ (§ 5 VGG) auch die „objektiv erforderlichen“ Eigenschaften erfüllt (§ 6 VGG). Die objektiv erforderlichen Eigenschaften können nur dadurch abbedungen werden, dass der Verbraucher davon „eigens in Kenntnis gesetzt“ wird und der Abweichung „ausdrücklich und gesondert zustimmt“ (§ 6 Abs 1 VGG). Damit wird der subjektive Mangelbegriff durch objektive Kriterien flankiert, die nur unter erschwerten Formerfordernissen abbedungen werden können.

§ 6 Abs 2 VGG konkretisiert die objektiv erforderlichen Eigenschaften wie folgt: Die Waren beziehungsweise digitalen Dienstleistungen müssen für jene Zwecke geeignet sein, für die sie üblicherweise verwendet werden; sie müssen allfälligen Proben, Mustern und Testversionen entsprechen und mit jenem Zubehör ausgestattet sein, das der Verbraucher vernünftigerweise erwarten darf. Schließlich müssen sie die jeweils für solche Waren beziehungsweise digitale Leistungen übliche Menge, Qualität, Haltbarkeit, Funktionalität, Sicherheit etc. aufweisen.

Um die objektiven Erfordernisse abzubedingen, genügt es nicht, den Verbraucher generell über Abweichungen zu informieren. Information und Zustimmung müssen sich vielmehr auf eine konkret bestimmte Abweichung beziehen und die Zustimmung muss durch ein aktives und eindeutiges Verhalten zum Ausdruck gebracht werden, zum Beispiel durch Anklicken eines Kästchens. Beim Kauf im Geschäftslokal genügt zwar eine mündliche Zustimmung, aus Beweisgründen empfiehlt sich aber auch hier eine schriftliche Dokumentation (Erläuternde Bemerkungen zur Regierungsvorlage 949 BlgNR 27. GP 12 ff zu § 6 VGG). Eine bloß konkludente Zustimmung oder ein Hinweis in den AGB dürfte dem strengen Zustimmungserfordernis nicht genügen. Selbst bei einer offensichtlichen Abweichung vom objektiv Erforderlichen genügt es möglicherweise nicht, dass der Kunde dies einfach hinnimmt (Stabentheiner, ÖJZ 2021, 965, 971).

Die Aktualisierungspflicht

Bei Waren mit digitalen Elementen (wie z.B. ein Smartphone) und bei digitalen Leistungen (etwa einem Cloudspeicher) ist der Unternehmer verpflichtet, dem Verbraucher nach der Übergabe jene Updates (z.B. Sicherheitsupdates) zur Verfügung zu stellen, die notwendig sind, damit die Ware oder die digitale Leistung weiterhin dem Vertrag entspricht (§ 7 VGG). Der österreichische Gesetzgeber hat – über unionsrechtliche Vorgaben hinaus – diese Aktualisierungspflicht auch für Verträge zwischen Unternehmern festgelegt (§ 1 Abs. 3 VGG). Verstöße gegen die Aktualisierungspflicht unterliegen der Gewährleistung; bei Waren mit digitalen Elementen wird damit die Gewährleistungspflicht über den Übergabezeitpunkt hinaus erstreckt.

Wenn die digitale Leistung einmal oder mehrmals einzeln bereitzustellen ist, gilt die Aktualisierungspflicht für einen Zeitraum, den der Verbraucher „vernünftigerweise“ erwarten kann. Bei fortlaufender Bereitstellung der digitalen Leistung gilt die Aktualisierungspflicht während der gesamten Bereitstellung, bei Waren mit digitalen Inhalten mindestens für zwei Jahre ab Übergabe (§ 7 Abs 2 VGG).

Abweichende vertragliche Vereinbarungen mit Verbrauchern sind nur unter den strengen Voraussetzungen möglich, die auch für das Abbedingen der objektiv erforderlichen Eigenschaften gelten (§ 7 Abs 1 VGG).

Keine wesentlichen Neuerungen der Gewährleistungsbehelfe

Die Gewährleistungsbehelfe bleiben im Wesentlichen unverändert: Primär können Austausch und Verbesserung, nur unter bestimmten Voraussetzungen die sekundären Behelfe Preisminderung und Vertragsauflösung geltend gemacht werden. Neu ist im Wesentlichen nur die Terminologie: Der Begriff der Vertragsauflösung hat auch im ABGB den Begriff der Wandlung ersetzt (§ 932 ABGB neu, §§ 12 ff, 20 ff VGG).

Einige kleinere Änderungen gibt es beim Rückgriffsrecht des gewährleistungspflichtigen Unternehmers gegen seinen Vormann. Sein Rückgriffsanspruch wird nun nicht mehr durch das an den Vormann geleistete Entgelt beschränkt; ein Rückgriffsanspruch kommt auch für eine Verletzung der Aktualisierungspflicht in Betracht und das Rückgriffsrecht kann nur noch unter erschwerten Voraussetzungen abbedungen werden (§ 933b ABGB neu; § 7 VGG).

Fazit

Die Reform hat keine strukturelle Umwälzung der Gewährleistung gebracht, wohl aber einige praktisch relevante Neuerungen, wie zum Beispiel die Verlängerung der Vermutungsfrist von sechs Monaten auf ein Jahr oder die Aktualisierungspflicht.

Einige neue Regelungen sind unbestimmt formuliert (etwa die Dauer der Aktualisierungspflicht oder die Abbedingung der objektiv erforderlichen Eigenschaften). Diesbezüglich wird die Rechtsprechung, auch der EuGH, eine wichtige Rolle spielen.

judith.schacherreiter@knoetzl.com

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