Alexander Foerster ist deutscher Rechtsanwalt und schwedischer Advokat. Und er ist Mitglied des Fachbeirats dieses Onlinemagazins. Lange Jahre hat er als Partner in Frankfurt am Main und Stockholm für die führende skandinavische Sozietät Mannheimer Swartling gearbeitet.
Seit dem 01.01.2022 ist er als Schiedsrichter in eigener Kanzlei tätig. Ein interessanter Rollenwechsel. Thomas Wegerich sprach darüber mit Alexander Foerster.
DisputeResolution: Herr Foerster, nach über 25 Jahren Partnerschaft in einer der führenden skandinavischen Anwaltssozietäten, warum dann der Neustart in einer Einzelkanzlei?
Alexander Foerster: Alles hat seine Zeit, die Anwaltskarriere ist heute nicht mehr so geradlinig wie früher. Es gibt verschiedene Phasen, neue Arbeitsgebiete, neue Herausforderungen. In meinem Fall habe ich in den frühen 90ern mit Immobilientransaktionen und -finanzierung begonnen, die deutschen Büros von Mannheimer Swartling mit aufgebaut, habe schwedische Investoren beim Erwerb deutscher Unternehmen beraten und war seit der Jahrtausendwende in eine Vielzahl von Cross-border-Streitigkeiten für deutsche, skandinavische oder andere internationale Unternehmen als Prozessbevollmächtigter tätig, in der ganz überwiegenden Zahl in Schiedsverfahren. Als Teil der größten skandinavischen Dispute Resolution Gruppe habe ich mit vielen hoch spezialisierten und begabten Kollegen zusammengearbeitet, als Team Siege errungen und zuweilen auch Verluste hinnehmen müssen. Ich habe aber auch erlebt, wie interessant und spannend es sein kann, selbst als Schiedsrichter tätig zu sein. Ich durfte eine Reihe von Verfahren als vorsitzender Schiedsrichter leiten, musste aber auch viele Anfragen wegen Interessenkonflikten ablehnen. Den Spaß an der juristischen Arbeit habe ich nie verloren und möchte mich daher in Zukunft ganz Aufträgen als Schiedsrichter widmen. Das ist in einer Einzelkanzlei einfacher als in der Rolle des Partners einer internationalen Wirtschaftskanzlei.
DisputeResolution: Was ist eigentlich ein „Independent Arbitrator“?
Alexander Foerster: Die Frage ist berechtigt. Als Schiedsrichter ist man auf jeden Fall zur Unabhängigkeit und Unparteilichkeit verpflichtet. Das ist die grundlegende Voraussetzung für die Übernahme eines Schiedsrichteramts, wie sie in allen Schiedsgesetzen und in allen führenden internationalen Schiedsordnungen festgelegt ist. Die Unabhängigkeit von den Parteien und deren Prozessbevollmächtigten ist jedoch in jedem Einzelfall zu prüfen. In der Regel wird die Beziehung von anderen Anwälten einer Kanzlei zu Mandanten und Gegnern dem Schiedsrichterkandidaten zugerechnet, auch wenn er konkret mit dem jeweiligen Mandat nicht gearbeitet hat. Er hat dann jedenfalls eine Offenlegungspflicht. Die kann je nach Mandat aber nicht erfüllbar sein und dann muss der angefragte Schiedsrichter den Auftrag ablehnen. Umgekehrt blockiert ein Schiedsrichter mit seinem Mandat aber auch spätere Transaktionsmandate seiner Partner, weswegen viele Full-Service-Kanzleien interne Policies haben, die die Übernahme von Schiedsrichtermandaten einschränken. Nun könnte man meinen, dass ein erfahrener och integrer Schiedsrichter seine Aufgaben auch erfüllen kann, wenn seine Partner, gegebenenfalls sogar in einem anderen Land oder in einem anderen Büro in einer Transaktion beraten, die mit dem Streit in keinem Zusammenhang steht und das ist sicherlich richtig. Nur geht es hier nicht so sehr um die tatsächliche Unabhängigkeit, sondern darum welchen Eindruck es bei den Parteien des Schiedsverfahrens hinterlässt, dass die Kanzlei des Schiedsrichters eine Partei oder eine Konzerngesellschaft einer Partei berät, dadurch Honorare verdient und sicherlich auch auf Folgemandate hofft. Es ist daher besser, wenn der Schiedsrichter keinerlei – auch keine indirekten – Beziehungen zu einer Partei hat. Insofern steht „Independent“ für die Unabhängigkeit von Kanzleikollegen, von Sozien oder anderweitig organisierten Kooperationen.
DisputeResolution: Geht der Trend im Dispute Resolution Bereich allgemein zu kleineren Einheiten?
Alexander Foerster: Ja, die Interessenkonflikte haben aufgrund der immer komplexer werdenden Sachverhalte zugenommen. Das gilt nicht nur für die Schiedsrichter. Auch die auf Prozessführung in internationalen Schiedsverfahren spezialisierten Anwälte sahen sich in letzter Zeit vermehrt kanzleiinternen Einsprüchen gegen die Übernahme von interessanten Prozessmandaten ausgesetzt, weil es übergeordnete Gesichtspunkte gab, einen bestimmten Mandanten in einer heiklen Sache, die möglicherweise wirtschaftliche Auswirkungen auf andere Mandanten der Kanzlei hatte, zu vertreten. Die Folge waren eine Reihe von Spin-offs, neue Boutiquekanzleien, die sich in vielen Fällen bewährt haben. Auch bei den Anwälten, die sich auf Schiedsrichtermandate spezialisieren, ist ein „Go-Solo-Trend“ schon vor Erreichen des eigentlichen Rentenalters zu beobachten. Das hat damit zu tun, dass gerade in komplexen Verfahren mit hohen Streitwerten die unterlegene Partei jede Möglichkeit nutzt, einen Schiedsspruch im Anfechtungsverfahren anzugreifen oder im Vollstreckungsverfahren Einwände zu erheben. Da die staatlichen Gerichte – mit Ausnahme der Schweizer Gerichte – sich viel Zeit nehmen, um diese Verfahren zu bearbeiten und trotz der vielfach proklamierten Schiedsfreundlichkeit, kann die unterlegene Partei eine Verhandlungsposition aufbauen und so in einem Vergleich eine Reduzierung ihrer Leistung erreichen. Der einfachste Grund ist in vielen Fällen zu behaupten, einer der Schiedsrichter sei wegen fehlender Unabhängigkeit befangen gewesen.
DisputeResolution: Kann man gerade in größeren Verfahren denn ohne juristische Mitarbeiter und eine etablierte Kanzleiinfrastruktur effizient arbeiten?
Alexander Foerster: Nach so langer Zeit in einer Großkanzlei bedarf es natürlich einer gewissen Umstellung. Allerdings haben die technischen Hilfsmittel – und da meine ich noch nicht einmal AI-tools – meine Arbeitsweise und auch das Schiedsverfahren an sich erheblich verändert. Papierberge und Kisten mit Leitzordnern sind einer gut organisierten digitalen Speicherstruktur gewichen. Digitalisierte Schriftsätze erleichtern es dem Schiedsrichter durch Mausklick auf die richtige Anlage zu kommen. Auf dem IPad lassen sich problemlos handgeschriebene Notizen in die Dokumente einbauen. Fachliteratur ist größtenteils über spezialisierte Datenbanken jederzeit abrufbar. Schiedsorganisationen wie die VIAC oder die der Stockholmer Handelskammer stellen digitale Plattformen zur Verfügung, auf den es sich sicher und einfach kommunizieren lässt. So kann der Schiedsrichter sich leichter auf das konzentrieren, was er eigentlich machen soll. Das schriftliche Material gründlich lesen, den Parteien zuhören und das Verfahren zusammen mit den Parteien fair und effektiv gestalten. Die erst durch die Pandemie so richtig genutzten digitalen Videoplattformen werden es auch in Zukunft erleichtern, immer da, wo es angemessen ist, auf Reisen und Verhandlungstermine in einem teuren Konferenzhotel zu verzichten.
DisputeResolution: Aber ist es nicht gerade das in einer Großkanzlei zugängliche Knowhow, was den Schiedsrichterkandidaten für bestimmte Mandate – etwa im Bereich Post-M&A, gestrandeten Infrastrukturprojekten oder bei neuen Technologien – so attraktiv macht?
Alexander Foerster: Das Schiedsrichtermandat ist persönlich. Die Parteien wählen Schiedsrichter nach ihrer persönlichen Kompetenz und individuellen Erfahrungen aus. Er oder sie soll eben nicht die streitigen Fragen im Kreis seiner Kollegen in der Kanzlei erörtern. Deswegen sind Schiedsrichter, die in einer Großkanzlei Erfahrungen gesammelt haben, und sich dann als Independent Arbitrator selbstständig machen, für bestimmte Mandate auch besonders geeignet. Sie haben einerseits selbst an Transaktionen mitgearbeitet und in vielen Jahren als Prozessbevollmächtigte vielfältige Verfahrensfragen bearbeitet. Die Zusammenarbeit im Schiedsgericht ist im Übrigen der beste – und der von den Parteien gewollte – Weg Entscheidungsansätze zu diskutieren und den Schiedsspruch vorzubereiten. Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit, dass das Schiedsgericht einen administrativen Sekretär engagiert, der das Schiedsgericht von administrativen Aufgaben entlastet.
DisputeResolution: Was würden Sie jüngeren Kollegen empfehlen, die sich für die Schiedsgerichtsbarkeit und für Schiedsrichtermandate interessieren?
Alexander Foerster: Das Schiedsverfahren ist für internationale Wirtschaftsstreitigkeiten die überlegene Streitbeilegungsmethode. Das hat sich auch in der Pandemie wieder gezeigt. Das Verfahren ist flexibel, effektiv, vertraulich und preiswert (auch wenn man Honorare und Gebühren für Schiedsrichter und Schiedsinstitution bezahlen muss). Nur, das Schiedsverfahren steht und fällt mit den Schiedsrichtern. Jüngere Prozessjuristen sollten jede Gelegenheit nutzen, in Verfahren auch die Perspektive des Schiedsgerichts kennen zu lernen, sei es als Sekretär des Schiedsgerichts, sei es als Schiedsrichter in einfacheren Verfahren. Wer in einer Großkanzlei arbeitet sollte den „Absprung“ nicht zu spät versuchen. Der Beginn einer Karriere in einer Prozessboutique auf der anderen Seite gewährt nicht den Einblick in die Transaktions- und Beratungspraxis, der später bei der Entscheidung von Streitigkeiten über die Auslegung von Wirtschaftsverträgen wertvoll sein kann. Ein Rezept für alle gibt es nicht. Wichtig ist immer neugierig und engagiert zu bleiben und letztlich die innere Überzeugung, dass man mit einem gut geführten, fairen und sachlichen Verfahren, in dem die betroffenen Personen zu Wort kommen können und sich gehört fühlen, (Rechts-)Frieden schaffen kann.
DisputeResolution: Lieber Herr Foerster, vielen Dank für diese Einblicke, die Sie unseren Lesern gegeben haben.