Einleitung
Aufgrund der fortschreitenden Digitalisierung aller gesellschaftlichen Bereiche unterliegt auch die juristische Arbeit einer ständigen Veränderung. So hat das Rechtsdienstleistungsrecht jüngst eine Entwicklung erfahren, die die Bundesregierung nunmehr veranlasst, legislative Änderungen anzustoßen.
In den letzten Jahren haben Legal-Tech-Unternehmen, ausgestattet mit geeigneter Software und IT-Know-how, in vermehrter Häufigkeit potenzielle Individualansprüche aktiv am Markt eingesammelt und (zum Teil gebündelt) gerichtlich geltend gemacht. Genannt seien hier nur die Unternehmen Flightright und financialright oder die Mieterklageplattform wenigermiete.de. Da die Einziehung von Forderungen auf fremde Rechnung als Inkassodienstleistung nach § 2 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 3 Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) erlaubnispflichtig ist, legitimierten sich die Legal-Tech-Unternehmen für ihre Tätigkeit bislang durch eine relativ einfache Registrierung als Inkassounternehmen nach § 10 Abs. 1 Satz 1 RDG. Das RDG hat 2008 das Rechtsberatungsgesetz (RBerG) abgelöst und regelt die Befugnis zu außergerichtlichen Rechtsdienstleistungen. Während die Legal-Tech-Unternehmen die Individualansprüche vorgerichtlich einsammeln und auf ihren Websites für die Anmeldung zur geplanten „Sammelklage“ werben, lassen sie sich im Gerichtsverfahren von Rechtsanwälten vertreten.
Nicht nur bei Kartellschadensersatzklagen im Nachgang zu Bußgeldentscheidungen einer Kartellbehörde (sogenannte Follow-on-Klagen) galten die Abtretungsmodelle der Legal-Tech-Unternehmen und ihre Klagevehikel in den letzten Jahren als ein beliebtes Mittel kollektiver Rechtsdurchsetzung. Den Höhepunkt dieses Trends bilden die drei Klagen des Klagevehikels financialright claims GmbH gegen Lkw-Hersteller vor dem LG München I, die zusammen fast 10.000 Anspruchsteller und mehr als 180.000 behauptete Beschaffungsvorgänge vereinen. Auch außerhalb des Bereichs Kartellschadensersatz waren Legal-Tech-Unternehmen besonders aktiv bei der Mandantenakquise. Aktuell sind im Diesel-Kontext an die acht gebündelte Klagen der financialrights claims GmbH mit insgesamt knapp 45.000 Ansprüchen anhängig. Gebündelte Entschädigungsklagen von Gastronomen oder Handelsunternehmen im Zusammenhang mit den staatlichen Corona-Eingriffen sind von den marktbekannten Klägerkanzleien geplant.
Diese Modelle des gerichtlichen Sammelinkassos funktionieren in der Regel auf Basis einer Erfolgsbeteiligung des Legal-Tech-Unternehmens in Höhe von etwa einem Drittel des Prozesserlöses. Eine solche Erfolgsvergütung ist Rechtsanwälten nach § 49b Abs. 2 Satz 1 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) in Verbindung mit § 4a Abs. 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) verboten. Die Rechtsanwaltskanzlei, die die Ansprüche für die Legal-Tech-Unternehmen gerichtlich durchsetzen soll, wird daher in der Regel auf Stundenbasis und damit erfolgsunabhängig vergütet. Überdies werben die Legal-Tech-Anbieter damit, dass sie ihre Kunden von jeglichem Prozesskostenrisiko freistellen. Eine solche Risikoübernahme ist Rechtsanwälten berufsrechtlich ebenfalls nicht gestattet (§ 49b Abs. 2 Satz 2 BRAO). Die Legal-Tech-Unternehmen sichern ihre Kostenbelastung durch Anwaltshonorare und das prozessuale Unterliegensrisiko in der Regel durch Hinzuziehung eines Prozessfinanzierers ab, der im Obsiegensfall einen bedeutenden Anteil am Erfolgshonorar erhält.
Für die Anspruchsinhaber scheint dieses Modell auf den ersten Blick attraktiv zu sein. Auch wenn sie einen beträchtlichen Teil ihres Prozessgewinns abgeben müssen, können sie doch kosten- und risikolos ihre (vermeintlichen) Ansprüche gerichtlich klären lassen. Dieser Anschein ist allerdings trügerisch. Da die Rechtmäßigkeit dieser Abtretungsmodelle, insbesondere des damit zuweilen angestrebten gerichtlichen „Sammelinkassos“, bislang weder von den Gerichten noch vom Gesetzgeber endgültig geklärt ist, sind die Anspruchsinhaber dem Risiko ausgesetzt, dass sich die Rechtswidrigkeit dieses Geschäftsmodells erst nach einem mehrjährigen Gerichtsverfahren herausstellt, zu einem Zeitpunkt, zu dem die Ansprüche allesamt bereits verjährt sind und daher auch nicht mehr im Wege der klassischen Individualklage gerichtlich geltend gemacht werden können. Die Kunden der Legal-Tech-Unternehmen tragen damit das Risiko des endgültigen Verlusts ihrer womöglich berechtigten Ansprüche.
Zwar hat der BGH in seinem LexFox-Urteil vom 27.11.2019 (VIII ZR 285/18) den Inkassounternehmen mehr Tätigkeitsbereiche zugestanden, als es dem klassischen Berufsbild des herkömmlichen Forderungseintreibers entspricht. So sah es der BGH unter anderem als zulässig an, mit IT-Lösungen den Sachverhalt aufzuklären und eine Vergleichsmiete zu berechnen, eine anspruchsbegründende Aufforderung an den Vermieter zur Mietreduzierung abzugeben und die überzahlte Miete gerichtlich geltend zu machen. Vor dem BGH ging es allerdings um abgetretene Ansprüche einer einzigen Mieterin. Massenhafte Abtretungen (zum Teil mehrerer tausend Ansprüche) an Klagevehikel, die auf diese Weise eine Art Sammelklage konstruiert haben, haben vor dem LG München I (Urteil vom 07.02.2020 – 37 O 18934/17), dem LG Hannover (Urteile vom 04.05.2020 – 18 O 50/16 und 01.02.2021 – 18 O 34/17), dem LG Ingolstadt (Urteil vom 07.08.2020 – 41 O 1745/18) sowie dem LG Augsburg (Urteil vom 27.10.2020 – 11 O 3715/18) nicht bestanden. Diese Gerichte hielten die Abtretungen wegen Verstoßes gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz für nichtig.
Einige dieser Gerichte sahen den Verstoß schon darin begründet, dass die Legal-Tech-Unternehmen ihr Geschäftsmodell primär auf eine gerichtliche Anspruchsdurchsetzung ausrichteten (anders als die herkömmlichen Inkassounternehmen, die sich in erster Linie mit der außergerichtlichen Forderungseinziehung im Wesentlichen unstreitiger Forderungen befassen). Des Weiteren sind einige der Ansicht, dass die Pflichten des Legal-Tech-Unternehmens gegenüber dem Prozessfinanzierer mit den Pflichten gegenüber den eigenen Kunden kollidieren, was einen Interessenkonflikt und Verstoß gegen § 4 RDG begründe. Zudem wird im Fall gebündelter Geltendmachung von heterogenen Ansprüchen ein rechtswidriger Konflikt zwischen den Interessen der Kunden untereinander angenommen, insbesondere wenn ein Gesamtvergleich all dieser Ansprüche mit unterschiedlichen Erfolgsaussichten angestrebt werde. Haben diese Entscheidungen Bestand, droht tausenden von Zedenten der endgültige Rechtsverlust durch Verjährung.
Neben den Risiken für den Anspruchsteller, der abgesehen von Kartellschadensersatzklagen in der Regel ein Verbraucher sein wird, ist zu berücksichtigen, dass die Legal-Tech-Unternehmen mit ihren gerichtlichen Sammelklagen ein Geschäft betreiben, das einem Rechtsanwalt, dem „berufene[n] unabhängige[n] Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten“ (§ 3 Abs. 1 BRAO), verwehrt ist. Weder ist den Rechtsanwälten eine Mandatsbearbeitung auf Erfolgshonorarbasis gestattet, noch dürfen sie ihre Mandanten von den Prozesskostenrisiken freistellen. Hier liegt also eine Ungleichbehandlung vor, die in den letzten beiden Jahren von mehreren Stimmen kritisiert wurde.
Der Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Förderung verbrauchergerechter Angebote im Rechtsdienstleistungsmarkt
Vor diesem Hintergrund hat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) am 11.11.2020 den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Förderung verbrauchergerechter Angebote im Rechtsdienstleistungsmarkt veröffentlicht. Nach Einholung zahlreicher Stellungnahmen, unter anderem der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK), des Deutschen Anwaltvereins (DAV) und des Legal Tech Verbandes Deutschland, hat die Bundesregierung am 22.01.2021 dem Bundesrat ihren Regierungsentwurf zur Stellungnahme übermittelt.
Verbraucherschützende Regelungen
Zum Schutz der Verbraucher sieht der Regierungsentwurf vor, dass alle Inkassodienstleister bereits im Registrierungsverfahren detaillierte Angaben zu ihrer geplanten Tätigkeit machen müssen (§ 13 Abs. 2 RDG-E). Damit soll schon die Registrierung eine Entscheidung über die Zulässigkeit der (der Behörde kommunizierten) Tätigkeit darstellen. Bisher beschränkte sich die behördliche Prüfung auf die Registrierungsvoraussetzungen des § 12 Abs. 1 RDG, etwa die persönliche Eignung und Zuverlässigkeit des Dienstleisters und den Abschluss einer Haftpflichtversicherung. Zweifel an der Zulässigkeit des Rechtsdienstleistungsangebots sollen nach der Reform nicht erst im Rahmen der Klage aus abgetretenem Recht sichtbar werden. Der Entwurf will damit das bereits angesprochene Risiko des endgültigen Anspruchsverlusts durch Verjährung minimieren. Die Registrierung soll nämlich in der Regel Tatbestandswirkung in Bezug auf die Zulässigkeit der Tätigkeit des Inkassodienstleisters entfalten. Versagt die zuständige Behörde dem Legal-Tech-Unternehmen eine Registrierung aufgrund der voraussichtlichen Unzulässigkeit der Tätigkeit, soll diesem laut der Entwurfsbegründung hiergegen der Verwaltungsrechtsweg offenstehen.
Der Gesetzesentwurf enthält allerdings keine eindeutigen Aussagen dazu, unter welchen Bedingungen die Tätigkeit der Legal-Tech-Unternehmen zulässig sein soll. Mehr Transparenz und Rechtssicherheit soll zwar eine Konkretisierung der Legaldefinition der Inkassodienstleistung in § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG-E bringen, die um den Zusatz erweitert werden soll, dass auch die auf die Einziehung bezogene rechtliche Prüfung und Beratung erfasst wird. Die Frage, ob eine primär auf gerichtliches Sammelinkasso abzielende Tätigkeit ohne (ernsthafte) Bemühungen der vorgeschalteten außergerichtlichen Forderungseinziehung zulässig ist, wird damit allerdings nicht beantwortet.
Im Hinblick auf die Frage der Prozessfinanzierung soll in § 4 Satz 2 RDG-E klargestellt werden, dass ein Interessenkonflikt nicht bereits deshalb anzunehmen sei, weil aufgrund eines Vertrags mit einem Prozessfinanzierer Berichtspflichten gegenüber diesem bestehen. Doch auch nach der Gesetzesbegründung soll die Schwelle zum Interessenkonflikt zum Beispiel dann überschritten sein, wenn der Prozessfinanzierer Veto-Rechte auf Verfahrenshandlungen, unter anderem auf einen Vergleichsschluss, hat. Wann von einem solchen „Veto“ des Prozessfinanzierers auszugehen ist und ab wann schon allein die gebündelte Geltendmachung von heterogenen Ansprüchen, unabhängig von einer Prozessfinanzierung, einen rechtswidrigen Interessenkonflikt darstellt, beantwortet der Gesetzesentwurf nicht. Die Klärung dieser Fragen ist damit wohl dem BGH vorbehalten, der in den nächsten Jahren vor-aussichtlich genügend Gelegenheit zu entsprechenden Entscheidungen haben wird.
Schließlich soll der Verbraucherschutz durch eine Reihe von Darlegungs- und Informationspflichten bei Inkassodienstleistungen gestärkt werden (§ 13f RDG-E). So sieht der Entwurf für den Fall der Vereinbarung eines Erfolgshonorars fünf verschiedene Informationstatbestände vor, darunter einen Hinweis auf alternative Möglichkeiten der Forderungsdurchsetzung ohne Erfolgskomponente und die Vergütung, die bei einer vorzeitigen Vertragsbeendigung fällig wird. Des Weiteren sind eine Informationspflicht bezüglich der mit dem Prozessfinanzierer getroffenen Vereinbarungen sowie detaillierte Informationspflichten in Bezug auf das Recht des Inkassounternehmens zu einem Vergleichsschluss vorgesehen. Insbesondere das Recht von Legal-Tech-Unternehmen zu einem Vergleichsschluss ohne Zustimmung der Anspruchsinhaber fiel bislang vor mehreren Instanzgerichten durch.
Chancengleichheit der Rechtsanwälte bei Erfolgshonorarvereinbarung und Kostenübernahme
Neben dem Verbraucherschutz sind die bestehenden Wettbewerbsnachteile von Rechtsanwälten gegenüber Inkassodienstleistern weiterer Anlass des Reformvorhabens. Diese Nachteile ergeben sich aus den anwaltlichen Berufspflichten, denen Inkassodienstleister gerade nicht unterworfen sind.
Ein wesentlicher Unterschied zwischen beiden Berufsgruppen besteht in den Voraussetzungen für ein zulässiges Erfolgshonorar und bezüglich der Übernahme von Prozesskostenrisiken. Diese Unterschiede haben zur Folge, dass Rechtsanwälte das beschriebene Geschäftsmodell der Inkassodienstleister, insbesondere die kostenrechtliche Ausgestaltung, nicht adaptieren können. Während den Inkassodienstleistern die Vereinbarung von Erfolgshonoraren in den allgemeinen Grenzen der Vertragsfreiheit zulässig ist, darf gemäß § 4a Abs. 1 RVG ein Rechtsanwalt mit seinem Mandanten ein Erfolgshonorar nur für den Einzelfall und nur dann vereinbaren, wenn der Auftraggeber aufgrund seiner wirtschaftlichen Verhältnisse bei verständiger Betrachtung ohne die Vereinbarung eines Erfolgshonorars von der Rechtsverfolgung abgehalten würde. Gemäß § 49b Abs. 2 S. 2 BRAO sind Vereinbarungen, durch die der Rechtsanwalt sich verpflichtet, Gerichtskosten, Verwaltungskosten oder Kosten anderer Beteiligter zu tragen, unzulässig.
Durch Änderungen des RVG und der BRAO soll nunmehr eine Kohärenz zwischen den Erfolgshonorarregelungen für Inkassounternehmen und Rechtsanwälten hergestellt und das beschriebene Geschäftsmodell in gewissem Umfang auch Rechtsanwälten eröffnet werden. Gemäß § 4a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 RVG-E soll Rechtsanwälten dann, wenn Inkassodienstleistungen außergerichtlich, in einem Mahnverfahren oder in einem Verfahren der Zwangsvollstreckung erbracht werden, auch die Vereinbarung eines Erfolgshonorars zulässig sein. Wird ein solches Erfolgshonorar vereinbart, soll gemäß § 49b Abs. 2 Satz 2 BRAO-E auch die Übernahme der Gerichtskosten, Verwaltungskosten und Kosten anderer Beteiligter durch den Rechtsanwalt möglich sein.
Nach § 4a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RVG-E sowie § 49b Abs. 2 Satz 2 BRAO-E sollen zudem anwaltliche Erfolgshonorare und die Übernahme von Prozessrisiken durch den Rechtsanwalt zulässig sein, soweit sich ein Auftrag auf Geldforderungen bis einschließlich 2.000 € bezieht. Der Gesetzgeber begründet diese Wertgrenze im Wesentlichen mit zwei Argumenten. Zum einen blieben bis zu diesem Wert die entstandenen Kosten überschaubar. Dies ermögliche dem Rechtsanwalt die Prozessfinanzierung für seinen Mandanten, ohne dass durch das drohende Kostenrisiko Einbußen im Hinblick auf die anwaltliche Unabhängigkeit zu befürchten seien. Zum anderen beruft sich der Entwurf auf eine Befragung des Instituts für Demoskopie Allensbach, nach der Bürger durchschnittlich erst ab Streitwerten von etwa 1.800 € bereit seien, gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen (sogenanntes rationales Desinteresse). Die Angst vor dem Kostenrisiko sei gerade bei niedrigen Streitwerten besonders präsent, weil die Kosten prozentual einen hohen Teil des begehrten Anspruchs ausmachen können. Durch die Vereinbarung eines Erfolgshonorars mit einer Kostenübernahme durch den Rechtsanwalt im Fall des Unterliegens könnten Bürger auch in diesem Bereich niedriger Streitwerte zur Durchsetzung ihrer Rechte bewegt werden.
Stellungnahmen aus Anwaltschaft und Wirtschaft
Die Meinungen aus Anwaltschaft und Wirtschaft zum Entwurf sind erwartungsgemäß vielfältig. Im Zentrum der Diskussion steht dabei der Versuch, die Wettbewerbsnachteile von Rechtsanwälten zu beseitigen.
Der Deutsche Anwaltverein (DAV) ist der Ansicht, dass der Ansatz des Gesetzgebers zu kurz greift. Eine Auflösung von Ungleichheiten werde nicht erreicht, vielmehr würden sie noch deutlicher in Erscheinung treten. Denn Rechtsanwälte seien mit einer Vielzahl von allgemeinen Berufspflichten konfrontiert, die Inkassodienstleister nicht treffen. Es sei klärungsbedürftig, weshalb bei Rechtsanwälten als Organen der Rechtspflege solche Berufspflichten zum Schutze der Mandanten erforderlich seien und weshalb sie bei Inkassodienstleistern bei identischer Tätigkeit weitestgehend nicht eingriffen. Die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) spricht sich insgesamt gegen das Gesetzesvorhaben aus und lehnt die Lockerung des anwaltlichen Erfolgshonorarverbots und das Verbot der Übernahme von Prozesskosten ab. Die Empfehlung der Ausschüsse des Bundesrats geht in dieselbe Richtung und lehnt eine Liberalisierung des Erfolgshonorarverbots als Gefahr für die anwaltliche Unabhängigkeit ab. Die Erweiterung des Rechtszugangs der Verbraucher solle auf anderem Wege als durch marktwirtschaftliche Mechanismen gewährleistet werden.
Der Legal Tech Verband Deutschland fordert wiederum (wenig überraschend) eine weitergehende Liberalisierung des Rechtsdienstleistungsmarkts. Neben einer vollständigen Streichung des anwaltlichen Erfolgshonorarverbots und des Verbots der Kostenübernahme fordert dieser einen erweiterten Verbraucherschutz dergestalt, dass etwaige Verstöße der Dienstleister gegen das RDG die Wirksamkeit der Abtretung der Forderung des Verbrauchers unberührt lassen, um ihn vor einem endgültigen Anspruchsverlust zu bewahren.
Fazit
Jedes Gesetzgebungsverfahren ist geprägt von der Abwägung sich teilweise entgegenstehender Interessen. Kompromissbereitschaft liegt in der Natur der Sache. Der Gesetzesentwurf versucht ein Mittler zwischen den vielfältigen Interessen zu sein. Die evidenzbasierte Annahme, dass Bürger bei Streitwerten unter 2.000 € den Weg zum Rechtsanwalt scheuen, deckt ein Defizit beim Rechtszugang auf. Ein solches Defizit konterkariert jede gesetzgeberische Bemühung in Richtung Verbraucherschutz – sei es im Kauf-, Miet- oder Reisevertragsrecht. Denn eine Regelung schützt erst dann den Verbraucher umfassend, wenn sie auch durchgesetzt wird. Durch die Möglichkeit des Erfolgshonorars und der Reduzierung des Kostenrisikos auf null könnte dieses Defizit behoben werden. Dabei sollten die Auswirkungen auf die anwaltliche Unabhängigkeit bei Streitwerten von maximal 2.000 € überschaubar bleiben, da für den Anwalt das Kostenrisiko verkraftbar ist. Aber auch bei höheren Kostenrisiken wäre es wünschenswert, wenn der Anwaltschaft mehr Vertrauen entgegengebracht werden würde. Da auch nach dem Gesetzesentwurf eine vollständige Freigabe des anwaltlichen Erfolgshonorars (im Rahmen der Grenzen der Privatautonomie) nicht vorgesehen ist, muss sich der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang die Frage gefallen lassen, weshalb er bei Rechtsanwälten als Organen der Rechtspflege im Vergleich zu Inkassodienstleistern einen erweiterten Regulierungsbedarf sieht. Spannend bleibt auch die Frage, inwieweit die fortbestehenden Inkohärenzen zwischen Inkassounternehmen und Rechtsanwälten mit dem unionsrechtlichen Kohärenz-gebot und dem verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in Einklang zu bringen sind. Sicher scheint, dass der vorliegende Entwurf in diesem Zusammenhang nicht die letzte Gesetzesänderung bleiben wird.
Borbala.dux-wenzel@luther-lawfirm.com
patrick.vapore@luther-lawfirm.com