Konflikte gehören zur unternehmerischen Tätigkeit und können auch bei bestem Bemühen nicht vollständig vermieden werden. Sie sind Teil der laufenden Managementaufgaben, für die geeignete Strukturen geschaffen werden müssen. In einem Unternehmen ist das effektive Konfliktmanagement („Dispute Management“) eine der Kernaufgaben der Rechtsabteilung, die zur effizienten Erledigung dieser Aufgabe in jede Phase eines Projekts – von der Vertragsgestaltung bis zur Abwicklung – eingebunden werden sollte. Dispute Management hat selten das Ziel, den Konflikt bis zum Rechtsstreit eskalieren zu lassen. Dessen Notwendigkeit kann allerdings auch bei bester Unternehmensführung nicht ausgeschlossen werden, da die Motive und Strategie des Konfliktgegners nicht kontrolliert werden können.
Konfliktvermeidende Vertragsgestaltung
Einem Konflikt kann bereits durch konfliktvermeidende Vertragsgestaltung, zum Beispiel durch Verwendung klarer Sprache im Vertrag, vorgebeugt werden. Eine offensichtliche, aber dennoch oft nicht berücksichtigte Grundregel ist: Ein Vertragstext sollte auch von nicht involvierten Dritten verstanden werden. Unverständliche, zweideutige oder widersprechende Bestimmungen sind oft das Resultat von fehlenden oder widersprüchlichen Vorstellungen der Vertragsverfasser über den Vertragsinhalt. Um eine konfliktvermeidende Vertragsgestaltung durchzusetzen, sollte der Inhouse-Counsel innerhalb eines Unternehmens bereits frühzeitig in Vertragsverhandlungen eingebunden werden. Wird der Inhouse-Counsel erst zu einem Zeitpunkt eingeschaltet, bei dem die wesentlichen Parameter des Vertrags bereits fertig ausverhandelt sind, ist es für die Rechtsabteilung oft schwer, Änderungen durchzusetzen. Werden externe Rechtsberater zugezogen, ist es oft hilfreich, wenn diese auch Prozesserfahrung mitbringen, um mit Erfahrung für problematische Vertragsbestimmungen potentielle Konfliktfelder frühzeitig zu identifizieren und zu vermeiden.
Vertragliche Streitbeilegungsklauseln, die regeln, wie die Parteien im Konfliktfall vorzugehen haben, sind ein essentieller Bestandteil jedes Vertrags. Oft werden auch einvernehmliche Streitbeilegungsverfahren aufgenommen. Die Durchsetzung eigener Ansprüche erfordert allerdings, dass Ansprüche in letzter Konsequenz mit Hilfe staatlicher Zwangsgewalt durchgesetzt werden können.
Nur Entscheidungen von Gerichten und Schiedsgerichten können Streitigkeiten auch gegen den Willen einer oder sämtlicher Parteien bindend entscheiden. Die Vereinbarung einvernehmlicher Streitbeilegungsverfahren muss daher immer mit der Möglichkeit gekoppelt sein, im Fall des Scheiterns einvernehmlicher Lösungen, Ansprüche notfalls auch gerichtlich oder schiedsgerichtlich zwangsweise durchzusetzen. Andernfalls kann eine Partei aufgrund der fehlenden Durchsetzbarkeit von Ansprüchen konsensuale Lösungen sabotieren und letztlich ihre Maximalposition durchsetzen.
Die Wahl zwischen Schiedsgericht und den staatlichen Gerichten ist dabei eine zentrale strategische Weichenstellung bei der Vertragsgestaltung. Unterschiede zwischen Gerichten und Schiedsgerichten bestehen etwa bei der Vollstreckbarkeit von Entscheidungen, den Kosten, der Fachkompetenz der Richter oder Schiedsrichter und der Verfahrensdauer. Für simple Forderungsbeitreibungen ist das Schiedsverfahren weniger geeignet. Je größer und komplexer ein Verfahren ist, desto kosteneffizienter ist die Schiedsgerichtsbarkeit im Vergleich zur staatlichen Gerichtsbarkeit. Bestehen Zweifel über die Wahl der Verfahrensart, sollte vom Inhouse-Counsel jedenfalls der Rat von Spezialisten eingeholt werden.
Konfliktvermeidende Vertragsabwicklung
Auch während der Vertragsabwicklung nimmt der Inhouse-Counsel wichtige Aufgaben im Zusammenhang mit Disputes Management wahr. In vielen Verträgen sind Rügepflichten, Anzeigen und andere Formalitäten vorgesehen. Die Einbindung der Inhouse-Counsels ist hier oft essentiell, um die Geltendmachung der eigenen Ansprüche zu wahren. Zu einem strukturierten Konfliktmanagement zählt auch, dass klar definiert ist, welche Mitglieder des Projektteams Entscheidungskompetenzen im Vertrags- und Konfliktmanagement haben. Sind diese nicht definiert, besteht die Gefahr, dass sämtliche Entscheidungen von der Unternehmensleitung getroffen werden müssen, wodurch Verzögerungen entstehen können. Inhouse-Counsels nehmen in dieser Phase idealerweise die Rolle von Koordinatoren ein, die dafür sorgen, dass der Informationsaustausch innerhalb des Unternehmens funktioniert. Die einzelnen mit einem Projekt befassten Unternehmensabteilungen (Verkauf, Vertragsabwicklung, Technik, Rechtsabteilung etc.) sollten dieselben Vorstellungen haben, welche Konfliktlösungen im Interesse des Unternehmens sind. Dabei sind Realismus und Pragmatismus oft mehr im Interesse des Unternehmens als das Durchsetzen von Maximalpositionen.
Vorprozessuales Konfliktmanagement
Lässt sich ein Konflikt nicht lösen, ist es Aufgabe der Inhouse-Abteilung, eine faktenbasierte, rationale Streitlösung voranzutreiben. Die Einleitung eines Gerichts- oder Schiedsverfahrens muss in dieser Phase zumindest als mögliche Option in Betracht gezogen werden.
Prozessrisikoanalyse
Am Anfang steht eine Prozessrisikoanalyse, deren Ziel es einerseits ist, die Erfolgschancen einer juristischen Auseinandersetzung realistisch abzuschätzen und andererseits die Erfolgschancen in Relation zu den erwarteten Kosten zu setzen. Dafür ist die Sach- und Rechtslage umfassend aufzuarbeiten. Die Sichtung der relevanten Unterlagen ist dabei eine der zentralen Aufgaben des Inhouse-Counsels. Die Qualität der Risikoanalyse hängt wesentlich davon ab, ob die entscheidenden Dokumente vorhanden sind und bei der Analyse berücksichtigt werden. Die Prozessrisikoanalyse hat nicht nur den Zweck, die Entscheidung über die Einleitung eines Prozesses zur Durchsetzung oder Verteidigung von Ansprüchen zu unterstützen. Auch zwischenparteiliche Vergleichsgespräche bedürfen einer objektiven Einschätzung des Kräfteverhältnisses und der verfügbaren Optionen, um evaluieren zu können, ob ein Vergleichsangebot gemacht oder welches Vergleichsangebot vernünftigerweise angenommen werden soll.
Wird ein Verfahren erwogen, sollten realistische Verfahrensziele festgelegt werden. Diese stimmen oft nicht mit den im Verfahren gestellten Anträgen überein. Ist zu erwarten, dass ein Verfahren mediale Aufmerksamkeit erregt, kann etwa die Einleitung eines streitigen Verfahrens kontraproduktiv sein, wenn das Unternehmen negative Publizität jedenfalls abwenden will. Die klare Definition von Zielen hilft dem Inhouse-Counsel, dass die Erwartungen an ein Verfahren im Unternehmen von allen Entscheidungsträgern geteilt werden. Um klare Strukturen zu schaffen, sollten bereits am Anfang der Streitigkeit die Kommunikationswege im Unternehmen festgelegt werden.
Monitoring der Kommunikation
Eine der sensibelsten Aufgaben des Inhouse-Counsels während einer laufenden Konfliktsituation ist das Monitoring der Kommunikation mit dem Gegner. In dieser Phase sind oft entscheidende Wahlrechte auszuüben. So stellt sich etwa oft die Frage, ob weiter auf Erfüllung beharrt werden soll oder ob ein Vertragsrücktritt das Vertragsverhältnis beenden soll. Dies kann auch schlüssig geschehen. Unbedachte oder konstruktiv gemeinte Äußerungen des Projektmanagements könnten etwa auch als Zugeständnisse angesehen werden und haben manchmal prozessentscheidende Bedeutung. Inhouse-Counsels und allenfalls bereits tätige externe Rechtsberater sollten daher in jede Kommunikation mit dem Gegner eingebunden werden und mit Hinblick auf ein mögliches (Schieds-)Gerichtsverfahren genau auf die Wortwahl achten.
Beweissicherung
Zu Beginn eines Konflikts ist es wesentlich, Beweise zu sichern, die andernfalls verloren gehen könnten. Dabei ist einerseits an Prozesse zu denken, die Beweise zerstören (zum Beispiel die automatische Löschung von E-Mails) und die gestoppt werden müssen. Andererseits könnten Beweise später nicht mehr zugänglich sein (etwa Bauteile, die verbaut werden). Bei der Sicherung von Beweisen ist auf eine minutiöse Dokumentation zu achten, da diese im Verfahren vorgelegt werden sollen. Bei Gegenständen, die im Besitz des Gegners sind, sollte die Beweissicherung frühzeitig erfolgen, da im Laufe des Konflikts die Kooperationsbereitschaft sinkt. Technische Beweissicherung sollte grundsätzlich durch einen unabhängigen Experten durchgeführt werden, der die Ergebnisse nachvollziehbar dokumentiert.
Aufbau eines Streitbeilegungsteams
Zeichnet sich die Möglichkeit eines Rechtsstreits ab, empfiehlt es sich, ein Team für die Lösung der Streitigkeit aufzubauen. Die richtige Zusammensetzung und die gute Zusammenarbeit des Streitbeilegungsteams ist einer der wesentlichsten Erfolgsfaktoren in einem Rechtsstreit.
Eine der zentralen Aufgaben des Inhouse-Counsels ist die Wahl des geeigneten externen Rechtsvertreters, da die wenigsten Rechtsabteilungen auf die Führung größerer Streitigkeiten ausgerichtet sind. Für Gerichtsverfahren ist die Vertretung durch einen Rechtsanwalt meist obligatorisch.
Zusätzlich zum externen Rechtsberater besteht das Streitbeilegungsteam in der Regel aus einem oder mehreren Vertretern der Geschäftsleitung, Vertretern der Rechtsabteilung, den Verfahrensanwälten und Vertretern aus den betroffenen Unternehmensabteilungen. Dazu können technische Berater und Local-Counsels kommen, wenn eine weitere Rechtsordnung relevant ist. Der Inhouse-Counsel nimmt in diesem Team idealerweise eine zentrale Stelle ein, die koordiniert, Aufgaben verteilt, Entscheidungen für die Geschäftsleitung aufbereitet und für die nötige Unterstützung und Akzeptanz von Entscheidungen im Unternehmen sorgt. Die Koordination von Zeugeninterviews und Interviews mit internen Experten liegt ebenfalls im Aufgabenbereich des Inhouse-Counsels. Sollte ein Verfahren erforderlich sein, sorgt das Streitbeilegungsteam mit dem Inhouse-Counsel an zentraler Stelle, dass die Verfahrensanwälte das aus dem Unternehmen bekommen, was sie zum Gewinnen des Verfahrens benötigen.
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