Ein Rückblick auf die Ernennung neuer Rechtsanwälte beim Bundesgerichtshof
Von Dr. Matthias Siegmann
Die Rechtsanwaltschaft beim Bundesgerichtshof, gesetzlich geregelt in den §§ 162 ff. BRAO, gehört nicht gerade zu den publicityträchtigsten Institutionen der Republik. Eine kleine Schar ausgewählter Rechtsanwälte beschäftigt sich – in ihrer Existenzberechtigung bestätigt durch die Rechtsprechung von Bundesgerichtshof (vgl. etwa BGHZ 170, 137) und Bundesverfassungsgericht (vgl. NJW 2008, 1293) – in zumeist rein schriftlichen Verfahren mit der dritten Instanz zivilrechtlicher Rechtsstreitigkeiten. Je nach Parteirolle geht es darum, die letzte Chance für die vertretene Partei in einem bisher verlorenen Rechtsstreit in mühevoller Kleinarbeit anhand oft umfänglicher Gerichtsakten zu nutzen oder aber das bisher Erreichte für den Mandanten gegenüber den Angriffen des Rechtsmittelsführers zu bewahren. Hin und wieder gilt es auch, Mandanten von der Einlegung oder Durchführung unzulässiger oder völlig aussichtsloser Rechtsmittel – auch im Interesse des Gerichts – abzuhalten. Die nicht allzu zahlreichen mündlichen Verhandlungen, die dank intensiver Pressearbeit der Pressestelle des Bundesgerichtshofs das Interesse einer breiteren Öffentlichkeit finden, betreffen zudem oft Rechtsgebiete wie das private Mietrecht oder das Nachbarrecht, die forensisch tätige Anwälte aus wirtschaftsrechtlich orientierten Kanzleien regelmäßig nur vom Hörensagen kennen.
Alle Jahre wieder: Schlagzeilen aus der Residenz des Rechts
Schlagzeilen macht die Rechtsanwaltschaft beim Bundesgerichtshof seit einiger Zeit aber immer dann, wenn es um die Wahl neuer Rechtsanwälte geht. Dabei richtet sich das Interesse weniger auf die – im Vorfeld aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes ohnehin anonym bleibenden – Kandidaten oder die letztlich Gewählten und nachfolgend vom Bundesministerium der Justiz Ernannten als vielmehr auf das Wahlkampfgetöse, das mit den Neuwahlen regelmäßig einhergeht. Da wird dann auf der ersten Seite einer großen deutschen Tageszeitung über das Wahlverfahren und die gegen seinen Ausgang gerichteten Angriffe berichtet und findet sich gar im Editorial der altehrwürdigen NJW ein neuerliches Plädoyer für die Abschaffung der gesonderten Zulassung beim Bundesgerichtshof. Viel Lärm um wenig, ist man geneigt zu denken. Dass eine Institution wie die Rechtsanwaltschaft beim Bundesgerichtshof regelmäßig neuer Kollegen bedarf, ist selbstverständlich. Nur so ist gewährleistet, dass eine moderne, dynamische und dienstleistungsorientierte Anwaltschaft und die von ihr betreuten Mandanten auch vor dem Bundesgerichtshof stets eine hinreichend große Zahl an hochqualifizierten Kollegen vorfindet, die bereit und in der Lage sind, die Vertretung der Mandanten in dritter Instanz vor dem Bundesgerichtshof in allen an sie herangetragenen zivilrechtlichen Streitigkeiten zu übernehmen. Es überrascht angesichts der Attraktivität der Tätigkeit auch nicht, dass die Zahl an exzellenten Bewerbern den vom Wahlausschuss ermittelten Bedarf an neuen Bewerbern regelmäßig deutlich übersteigt, so dass sich der eine oder andere hochkarätige Kandidat damit abfinden muss, dass die Mitglieder des Wahlausschusses – aus welchen Gründen auch immer – andere Kandidaten als noch geeigneter eingeschätzt haben. Auch dies ist als Ergebnis eines Wahlverfahrens letztlich eine Selbstverständlichkeit. Dass die vom Wahlausschuss diesmal als besonders geeignet angesehenen acht Kandidaten (Frau Rechtsanwältin Dr. Ziemons, Frankfurt am Main; und – in alphabetischer Reihenfolge – die Herren Rechtsanwälte Dr. Hammer, München; Dr. Rädler, Düsseldorf; Professor Dr. Rohnke, Hamburg; Tretter, Karlsruhe; Dr. Wessels, Berlin; Dr. Winter, Karlsruhe; Dr. Zwade, Dresden), die nachfolgend vom Bundesministerium der Justiz vorschlagsgemäß ernannt wurden, jeder für sich ebenso wie bei einer Gesamtschau im Hinblick auf ihre unterschiedlichen beruflichen Erfahrungen sehr gut geeignet sind, den Aufgaben, die der Gesetzgeber und die Rechtssuchenden der Rechtsanwaltschaft beim Bundesgerichtshof stellen, zu genügen, wird niemand bezweifeln können.
Nicht in Stein gemeißelt
Das heißt nicht, dass nicht auch eine andere Reihung der bekanntlich in doppelter Zahl des ermittelten Bedarfs gewählten Kandidaten (vgl. § 168 Abs. 2 BRAO) überzeugt hätte, und will auch nicht den Ausgang der noch anhängigen Anfechtungsverfahren einzelner unterlegener Kandidaten vorhersagen. Mit überzeugenden Erwägungen hat der Anwaltssenat des Bundesgerichtshofs jedenfalls mit seinen Beschlüssen vom 11.10.2013 (AnwZ 2/13 – 4/13, veröffentlicht in juris) den Wahlanfechtungen keine aufschiebende Wirkung zuerkannt und dies damit begründet, dass ein nach Auffassung der angerufenen Gerichte zu Unrecht übergangener Bewerber – anders als etwa bei der Besetzung von Notarstellen – ja ohne weiteres noch „nachernannt“ werden könne. Mit der rasch erfolgten Ernennung der gewählten Kandidaten Ende Oktober 2013 hat sich das Medieninteresse denn auch bald wieder gelegt, es sind nur noch Branchenmedien daran interessiert, wie sich die neu ernannten Rechtsanwälte in dem engen Karlsruher Markt positionieren werden (vgl. etwa www.juve.de vom 21.11.2013). Rückblickend wird man – frei nach F. W. Bernstein – sogar feststellen können: „Die größten Kritiker der Elche wären gerne selber welche“ … (vgl. Römermann, www.lto.de vom 21.10.2013). Dennoch sollte man es bei diesem Fazit nicht bewenden lassen, sondern überlegen, ob es Umstände gibt, die dazu beitragen könnten, den nächsten Wahlkampf in Karlsruhe und insbesondere die Berichterstattung darüber zu versachlichen und zur Auswahl der befähigtsten Kandidaten zu gelangen, ohne dass gleich wieder das Kind mit dem Bade ausgeschüttet und über die Existenzberechtigung der Singularzulassung beim Bundesgerichtshof gestritten wird. Dazu könnten aus der persönlichen Sicht des Unterzeichners vor allem zwei Aspekte beitragen, die freilich allein in die Zuständigkeit des Gesetzgebers fallen.
Anregungen für zukünftige Wahlverfahren
Zum einen erscheint es durchaus fraglich, ob es bei der Entscheidung des Gesetzgebers bleiben sollte, auch die Mitglieder des Präsidiums der Rechtsanwaltskammer bei dem Bundesgerichtshof in den Wahlausschuss zu berufen (vgl. § 165 Abs. 1 BRAO). Gerade bei den Kandidaten, die ihre anwaltliche Tätigkeit zuvor in Karlsruher Revisionskanzleien ausgeübt haben, entsteht dadurch eine problematische Nähe zu einem namhaften Teil des Wahlausschusses. Dabei mag dahingestellt bleiben, ob das eigentliche Problem wirklich darin liegt, dass der eigene Nachfolger durchgesetzt werden soll (hier hat sich in der Praxis längst die Stimmenthaltung betroffener Ausschussmitglieder etabliert), oder nicht vielmehr darin, dass durch die gemeinsame Berufsausübung in konträren Rollen entstandene Animositäten mit Kollegen zu einer (versteckten) Gegnerschaft zu einzelnen Kandidaten führen können, die mit deren Befähigung und Eignung nicht das Geringste zu tun hat. So oder so erscheint die häufige Kritik in diesem Punkt jedenfalls nicht von vornherein als unberechtigt, und es könnte hier durch eine veränderte Zusammensetzung des Wahlausschusses leicht für eine höhere Akzeptanz des Wahlverfahrens und seines Ausgangs gesorgt werden, zumal der revisionsrechtliche Sachverstand bei der Beurteilung der Kandidaten durch die richterlichen Mitglieder des Wahlausschusses allemal gewährleistet ist. Zum anderen erscheint es durchaus erwägenswert, für die Tätigkeit als Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof nicht nur ein gesetzliches Mindestalter festzulegen (vgl. § 166 Abs. 3 BRAO: 35 Jahre), sondern auch ein gesetzliches Höchstalter, wie dies etwa in den insoweit durchaus vergleichbaren Bereichen der Notarzulassung oder der Kassenarztzulassung immer schon vorgesehen war und auch durch das AGG nicht unzulässig geworden ist. Hier bietet sich die Vollendung des 70sten Lebensjahres an, ein Zeitpunkt, zu dem mittlerweile zahlreiche namhafte Rechtsanwälte beim Bundesgerichtshof aus freien Stücken auf ihre Zulassung verzichten. Eine zwingende gesetzliche Regelung könnte hier dennoch helfen, den auftretenden Bedarf an neuen Kollegen zu erhöhen und so den Konkurrenzkampf um die begehrten Zulassungen etwas zu entschärfen, für die allgemein als wünschenswert angesehene Verjüngung der beim Bundesgerichtshof tätigen Kollegen sorgen und nicht zuletzt dem einen oder anderen Kollegen die schwierige Entscheidung abnehmen, auf eine als erfüllend empfundene Betätigung beim BGH allein aus Gründen des Lebensalters verzichten zu sollen, obwohl man diese doch seit Jahrzehnten erfolgreich ausgeübt hat. Unzumutbar wäre eine solche Beschränkung sicher nicht, bliebe doch immer noch die Möglichkeit einer Fortführung der anwaltlichen Tätigkeit außerhalb des Bundesgerichtshofs und ließe sich der möglicherweise befürchtete Bedeutungsverlust mit einer gesetzlichen Regelung abmildern, die erlaubte, den Titel eines „Rechtsanwalts bei dem Bundesgerichtshof a.D.“ zu führen. Wie auch immer man über diese Vorschläge denkt: Das nächste Wahlverfahren wird kommen und mit ihm das Interesse der Medien. Nach der Wahl ist vor der Wahl.
Dr. Matthias Siegmann, Rechtsanwalt beim BGH, Karlsruhe
bgh@forensik-boutique.de
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