Zwischen eigenverantwortlichem Heimwerkeransatz und mündiger Verfahrenskompetenz – Einsichten aus einer Umfrage von IHK Frankfurt und Mazars
Von Christine Seitz und Harald Nikutta

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Konflikte sind vielfältig, sie kommen überall vor, und wir müssen mit ihnen umgehen – auch im Unternehmensalltag. Zur Lösung von Konflikten gibt es generell zahlreiche verschiedene Möglichkeiten, doch nur wenige kommen in Unternehmen zur Anwendung. Dabei ist es der Umgang mit Streitigkeiten, der ihre Auswirkungen maßgeblich beeinflusst. Denn nicht jedes Mittel der Konfliktlösung ist für jeden Konflikt geeignet. Für die Beteiligten ist es entscheidend, die verschiedenen Verfahren zur Konfliktbeilegung, insbesondere auch die alternativen Verfahren wie etwa Mediation und Schlichtung, zu kennen. Nur so kann die Auswahl desjenigen Lösungswegs gelingen, der im Verhältnis zu der Streitigkeit die beste Lösung verspricht.

In den meisten Unternehmen fehlen spezifische Einrichtungen zur Konfliktbeilegung. Darüber hinaus mangelt es an Vertrautheit mit den verschiedenen Verfahren und deren Wirksamkeit sowie an der Kenntnis, welches Verfahren für welchen Konflikt am besten geeignet ist. Das zeigen die Ergebnisse der Umfrage zum Thema „Konflikte und deren Beilegung in Unternehmen“, die die IHK Frankfurt am Main gemeinsam mit der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft Roever Broenner Susat Mazars durchgeführt hat. Gegenstand der Studie sind die Bekanntheit von Konfliktlösungsverfahren, die verschiedenen Konfliktarten und die Anwendung und Wirksamkeit von Lösungsverfahren bei den einzelnen Konfliktarten.

Wenig professioneller Umgang mit Konflikten in Unternehmen

Laut der Befragung verfügt nur rund ein Drittel der Unternehmen über Einrichtungen zur Konfliktbeilegung. So gibt es nur in 25%, tendenziell größeren Unternehmen, eine eigene Rechtsabteilung. Das bedeutet, dass in rund zwei Dritteln der Unternehmen die Notwendigkeit besteht, selbst mit Streitigkeiten umzugehen und diese mit zumeist individuellen Kompetenzen zu lösen. Demgegenüber ist die Vertrautheit mit den verschiedenen Verfahren eher gering. Mit 10% verfügt ein unerwartet hoher Anteil an Unternehmen über einen Mediator. Erstaunlicherweise lassen sich jedoch Rechtsabteilung und Mediator zugleich in keinem der teilnehmenden Unternehmen finden. Diese beiden Konfliktbeilegungskompetenzen scheinen in einer Art Ausschlussverhältnis zu stehen. In einigen Unternehmen ist die Kompetenz zur Konfliktlösung an Rechtsanwälte oder an Unternehmensberater ausgelagert. Auch in den Industrie- und Handelskammern gehört die außergerichtliche Streitbeilegung auf Basis des gesetzlichen Auftrags der IHKs zum traditionellen Aufgabenspektrum. Diese externen Lösungsansätze bieten insbesondere dann gute Chancen, wenn der Dienstleister das Spektrum der Handlungsoptionen erweitert.

Unterschiedliche Bekanntheit der Verfahren zur Konfliktlösung

Die Bekanntheit der alternativen Verfahren zur Konfliktbeilegung liegt mit einer Quote von 50% bis 60% der Befragten deutlich höher als erwartet. Vor dem Hintergrund, dass nur 80% angeben, die Gerichtsverfahren und den traditionellen Rechtsweg angemessen zu kennen, scheint diese Quote auch vergleichsweise ausgesprochen hoch. Allerdings weichen Bekanntheit und Nutzung alternativer Verfahren, anders als beim traditionellen Rechtsweg, stark voneinander ab: Obwohl Mediation, Schlichtung und Schiedsgerichtsverfahren weitgehend bekannt sind, werden diese in deutlich geringerem Umfang genutzt – so auch die praktische Erfahrung der IHK Frankfurt, die qualifizierte Angebote für kaufmännische Konflikte vorhält.

Interne Konfliktpartner weit vor externen Streitigkeiten in den eigenen Reihen treten am häufigsten auf: Konflikte mit Mitarbeitern führen mit 37% das Feld an, gefolgt von Konflikten mit Führungskräften (35%) und mit der Geschäftsführung (25%). Sie haben die emotional intensivste Wirkung. Das mag an der Intensität des Miteinanders liegen, die Anlass zu Streitigkeiten gibt. Streitigkeiten mit externen Konfliktpartnern betreffen vor allem Kunden mit 23% und Zulieferer mit 14%. Kooperationspartner folgen mit je 7% sowie Banken und Kapitalgeber mit 3%.

Unabhängig vom Konfliktpartner kosten Streitigkeiten Zeit und Nerven. Eine interessante Erkenntnis der Befragung ist: Während Konflikte mit Kunden emotional weniger belasten, aber einen hohen Zeitaufwand erfordern, stellen interne Konflikte zusätzlich zu der hohen zeitlichen Belastung eine besonders große emotionale Belastung dar.

Unterschiedliche Lösungswege je nach Konfliktart

Bei der Lösung von internen und externen Streitigkeiten dominiert unabhängig vom jeweiligen Konfliktpartner die unmittelbare Klärung zwischen den Betroffenen. Bei unternehmensinternen Konflikten mit Mitarbeitern, Führungskräften und der Geschäftsleitung ist das Einschalten des Vorgesetzten durchaus üblich. Alternativ sind hier Mediatoren als neutrale Dritte gefragt.

An zweiter Stelle folgt bei Streitigkeiten mit externen Partnern (etwa: Behörden) der traditionelle Rechtsweg, ein sehr distanzierter Lösungsweg. Dies lässt sich mit der geringeren Intensität und emotionalen Belastung bei externen Streitigkeiten im Vergleich zu solchen mit internen Partnern erklären. Wenn überhaupt, werden Schiedsrichter zur Lösung von Konflikten mit Externen eingesetzt. Außergerichtliche Streitbeilegung im Sinn von Mediation und Schlichtung findet in nahezu allen Konfliktkonstellationen Anwendung, insbesondere jedoch unternehmensintern. So bietet die Mediation heute bereits ein breites internes und externes Anwendungsspektrum.

Nutzung bleibt bei alternativen Verfahren hinter der Wirksamkeitseinschätzung zurück

Knapp die Hälfte der Teilnehmer schätzt eigene Verfahren, also die Klärung zwischen den Parteien selbst, als besten Weg zur Streitbeilegung. Mit nur noch halb so vielen Nennungen, aber dennoch auf dem zweiten Platz wirksamer Verfahren zur Konfliktbeilegung, folgt die Mediation. Damit werden diese Verfahren in ihrer Wirksamkeit deutlich höher bewertet als Gerichtsverfahren. Je emotionaler der Konflikt, desto wirksamer wird die Mediation eingeschätzt – bei internen Konflikten von jedem Zweiten als wirksamste Methode.

Bei dem Vergleich der individuellen Einschätzung von Nutzung und Wirksamkeit der verschiedenen Verfahren zur Lösung von Konflikten fallen drei Ergebnisse besonders auf:

  • Einer direkten Lösung zwischen den Konfliktpartnern, gegebenenfalls unter Einbindung von Autoritäten, wird eine hohe Wirksamkeit beigemessen. Dieses Vorgehen zur Konfliktbeilegung wird vergleichsweise oft genutzt.
  • Der Rechtsweg wird im Vergleich zu seiner Bekanntheit deutlich weniger genutzt und als wenig wirksam eingestuft.
  • Die alternativen Verfahren, allen voran die Mediation, werden als überproportional wirksam gesehen, aber vergleichsweise wenig genutzt.

Zusammengefasst, halten deutlich mehr Teilnehmer der Umfrage alternative Wege der Streitbeilegung für wirksamer als den traditionellen Rechtsweg, wenden diese aber nicht an.

Pragmatische Aufklärung mit Praxisnähe ist gefragt

Die Bereitschaft und Offenheit, sich unternehmensseitig mit alternativen Wegen zur Lösung von Konflikten zu befassen, scheint in der Breite zu bestehen. Dennoch gilt es, das Vertrauen in die alternativen Verfahren zu stärken. Drei Vierteln der Befragten fehlt es an relevanten Informationen über die Verfahren selbst, und rund die Hälfte sieht Nachweise über die tatsächliche Wirksamkeit von Verfahren wie Mediation als Voraussetzung für deren Anwendung.

In diesem Zusammenhang sind glaubwürdige und verlässliche Dienstleister als praktische Optionen gefordert. Praxisbeispiele und Erfolgsgeschichten, die die Wirksamkeit dieser Verfahren zur Konfliktbeilegung dokumentieren, unterstützen den Prozess der Bildung des Vertrauens in die alternativen Verfahren sowie in der Folge deren verstärkte Anwendung.

Hinweis der Redaktion: Die Studie finden Sie unter http://www.mazars.de/Home/Aktuelles/Publikationen/Studien/Streit-Erfolgreich-oder-folgenreich.

c.seitz@frankfurt-main.ihk.de

harald.nikutta@mazars.de

 

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