Der Court of Innovative Arbitration (COIA): eine Alternative in der internationalen Handelsschiedsgerichtsbarkeit
Ein Gastbeitrag von Dr. Dirk-Reiner Martens und Dr. Heiner Kahlert
Einführung
Die Schiedsgerichtsbarkeit steht massiv in der Kritik. Das gilt nicht nur im Zusammenhang mit der in der Öffentlichkeit zum Teil recht unsachlich geführten Debatte über das Für und Wider von Schiedsgerichten im Rahmen der geplanten Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP), sondern auch in Fachkreisen wegen der verbreiteten Auffassung, Schiedsverfahren seien zu zeitaufwendig und zu teuer. Zur Lösung des letztgenannten Problems will der Court of Innovative Arbitration (COIA) einen kleinen Beitrag leisten. Dieser kurze Aufsatz stellt die Entstehungsgeschichte und die Funktionsweise dieses neuartigen Schiedsgerichts vor, erläutert das System einer Entscheidungsfindung ex aequo et bono (nach Billigkeit) und wagt einen Ausblick auf die Chancen eines Markteintritts des COIA.
Entstehungsgeschichte des COIA
Im Jahr 2007 gründeten Martens Rechtsanwälte das Basketball Arbitral Tribunal (BAT), ein Schiedsgericht nach Schweizer Recht, das finanzielle Streitigkeiten zwischen Berufsbasketballspielern, Spieleragenten und Vereinen auf schnelle und kostengünstige Weise entscheidet. Neben anderen beschleunigungswirksamen Eigenschaften verdient das folgende Merkmal des BAT besondere Erwähnung: Zur Vermeidung der häufig zeitaufwendigen Komplikationen bei der Anwendung einer nationalen Rechtsordnung in internationalen Streitigkeiten wendet der BAT-Einzelschiedsrichter eine solche Rechtsordnung nicht an, sondern entscheidet ex aequo et bono, also nach Billigkeitsgesichtspunkten.
Trotz anfänglicher großer Skepsis in Fachkreisen hat sich das BAT im Markt durchgesetzt. Insgesamt sind in den vergangenen sieben Jahren über 820 Anträge anhängig gemacht worden, und jährlich gehen weiterhin durchschnittlich 150 neue Schiedsanträge ein.
So lag der Gedanke nahe, auch für handelsrechtliche Streitigkeiten ein dem BAT nachgebildetes Schiedsverfahren anzubieten: Im Oktober 2015 erfolgte die Gründung des COIA als Tochtergesellschaft von Martens Rechtsanwälte.
Die Funktionsweise des COIA
Der COIA kann für sich in Anspruch nehmen, ein schnelles und kostengünstiges Verfahren anzubieten, das sich auf ein weitgehend auch im BAT-Verfahren tätiges und somit mit viel Erfahrung ausgestattetes Team stützen kann. Die zeit- und kostensparenden Merkmale des
COIA-Verfahrens können wie folgt zusammengefasst werden:
- Der COIA arbeitet ausschließlich mit Einzelschiedsrichtern und einer geschlossenen Schiedsrichterliste. Auf ihr befinden sich (derzeit acht) sorgfältig ausgewählte und erfahrene Schiedsrichter, die die Unabhängigkeit, Effizienz und Qualität der COIA-Verfahren gewährleisten. Die Parteien einer Streitigkeit können sich binnen kurzer Frist auf einen der Schiedsrichter aus der Liste einigen. Gelingt dies nicht, wird der Schiedsrichter durch das COIA-Sekretariat bestimmt.
- Die COIA-Schiedsordnung vermeidet es bewusst, das Verfahren in allen Einzelheiten zu regeln. Somit verfügen die COIA-Schiedsrichter über ein hohes Maß an Flexibilität in der Verfahrensführung, immer das Ziel eines schnellen und kostengünstigen, jedoch stets hohen Qualitätsansprüchen genügenden Verfahrens vor Augen.
- Die COIA-Regeln sehen vergleichsweise kurze Fristen vor und erwarten von den Verfahrensbeteiligten Mitwirkung bei der Straffung des Verfahrens.
- Ein Urkundenvorlageverfahren (Discovery) findet nicht statt, es sei denn, es wird vom Schiedsrichter aufgrund außergewöhnlicher Umstände angeordnet.
- Grundsätzlich sehen die COIA-Regeln nur jeweils einen Schriftsatz vor. Nach Erhalt des Schiedsantrags und der Antwort entscheidet der Schiedsrichter, ob weitere Schriftsätze erforderlich sind. Mündliche Verhandlungen (in Anwesenheit der Parteien oder über elektronische Hilfsmittel) sind nur vorgesehen, wenn der Schiedsrichter dies für erforderlich hält oder wenn beide Parteien dies beantragen.
- Falls eine Partei ihren Anteil am Vorschuss auf die Verfahrenskosten nicht bezahlt, kann der Schiedsrichter auf Antrag der anderen Partei einen Schiedsspruch ohne Begründung erlassen. In allen anderen Fällen wird der Schiedsspruch begründet.
- Die Sprache der COIA-Verfahren ist Englisch, es sei denn, die Parteien, der Schiedsrichter und das COIA-Sekretariat einigen sich auf die Verwendung einer anderen Sprache.
- Das Verfahren wird, soweit irgend möglich, elektronisch durchgeführt.
- Die COIA-Schiedsrichter sollen – außer bei Vorliegen besonderer Umstände – ihre Schiedssprüche innerhalb von sechs Monaten ab Eingang des vollen Verfahrensvorschusses erlassen.
Die Kombination der vorstehend aufgeführten Merkmale hat in mehr als 800 BAT-Fällen zu einer sehr erheblichen Reduzierung von Dauer und Kosten der Verfahren geführt, und es besteht die begründete Hoffnung, dass dies auch in den Verfahren vor dem COIA nicht anders sein wird – wenngleich zu erwarten ist, dass COIA-Verfahren oftmals eine höhere Komplexität aufweisen werden, als dies beim BAT der Fall ist.
Ex aequo et bono
Die Schiedsrichter in Verfahren vor dem Basketball Arbitral Tribunal (BAT) entscheiden schon seit Gründung dieses Schiedsgerichts vor neun Jahren durchgängig ex aequo et bono, also nicht auf der Basis einer nationalen Rechtsordnung, sondern unter Anwendung der Grundsätze von Fairness und Gerechtigkeit (der Schiedsrichter „shall decide the dispute ex aequo et bono, applying general considerations of justice and fairness without reference to any particular national or international law“, Art. 15.1 der BAT-Schiedsordnung). Anlass für diese Regelung war die Erkenntnis, dass in internationalen Schiedsverfahren der Schiedsrichter häufig eine ihm nicht vertraute fremde Rechtsordnung anwenden müsste, was oftmals die Einholung von Rechtsgutachten erforderlich machen und somit zur Verlängerung der Verfahren führen würde.
Die vorstehende Erkenntnis veranlasste die Gründer des COIA, (zukünftige) Parteien auch vor diesem Schiedsgericht zu ermutigen, ein Verfahren ex aequo et bono zu vereinbaren (Art. 16.1 der COIA-Schiedsordnung sowie Musterschiedsklausel). Kritische Stimmen ließen nicht lange auf sich warten: Macht die Abkehr von einer nationalen Rechtsordnung den Ausgang von COIA-Verfahren nicht allzu unvorhersehbar? Auf den ersten Blick scheinen diese Bedenken gerechtfertigt, klingt doch der Bezug auf Grundsätze wie Fairness und Gerechtigkeit sehr vage und unbestimmt. Die Erfahrungen aus mehr als 800 Verfahren vor dem BAT zeigen jedoch, dass der Einwand fehlender Vorhersehbarkeit bei ex aequo et bono nicht mehr und nicht weniger berechtigt ist als in gewöhnlichen Schiedsverfahren, und zwar aus folgenden Gründen:
- Unabhängig davon, ob ein Schiedsrichter ein nationales Recht anwendet oder ex aequo et bono entscheidet: In beiden Fällen hat er in erster Linie den von den Parteien geschlossenen Vertrag anzuwenden. Genau dies war in fast allen Entscheidungen der BAT-Schiedsrichter der Fall: Sie legten die vertraglichen Bestimmungen aus und wendeten diese an. Nur wenn das so gefundene Ergebnis grob unbillig ist, kann der Schiedsrichter von der vertraglichen Vereinbarung abweichen. In derartigen Ausnahmesituationen würde aber auch die Anwendung der allermeisten nationalen Rechtsordnungen zum gleichen Ergebnis führen (und oft sogar ein Ordre-public-Verstoß in Frage stehen).
- In internationalen Schiedsverfahren ist zumeist mindestens eine Partei mit der im Vertrag vereinbarten Rechtordnung nicht vertraut. In der Tat einigen sich die Parteien in Vertragsverhandlungen häufig erst in letzter Minute und ohne viel nachzudenken auf das anwendbare Recht. Dies kann zu unliebsamen Überraschungen führen, wenn die gewählte Rechtsordnung Bestimmungen enthält, mit denen niemand gerechnet hat und die von dem abweichen, was die Parteien vereinbaren wollten und glaubten, vereinbart zu haben.
- Schiedsrichter in internationalen Schiedsverfahren sind häufig nicht mit der Rechtsordnung vertraut, die sie nach dem Vertrag anzuwenden haben. Die Erfahrung zeigt, dass die Schiedsrichter in derartigen Fällen eine faire und vernünftige Lösung suchen, solange diese nicht offensichtlich in Widerspruch zum anwendbaren Recht steht. Wenn dem so ist, dann ist das Ergebnis eines Schiedsverfahrens bei Anwendung von ex aequo et bono nicht weniger vorhersehbar als bei Anwendung einer nationalen Rechtsordnung. Mindestens ein Unterschied besteht allerdings: Bei ex aequo et bono ersparen sich die Parteien umfangreiche Schriftsätze zu einer nationalen Rechtsordnung und die Schiedsrichter die Überprüfung derselben, möglicherweise sogar erst nach Einholung eines Rechtsgutachtens.
Wie stehen die Chancen auf Erringung eines Marktanteils durch den COIA?
Der COIA ist fraglos schnell und kostengünstig und verdient diese Attribute vielleicht eher als manch andere Schiedsinstitution. Dies gilt auch dann, wenn die Parteien sich nicht auf die Anwendung von ex aequo et bono einigen können, denn in ihrer Gesamtheit sind die zeit- und somit kostensparenden Besonderheiten des COIA-Verfahrens (siehe oben), soweit ersichtlich, ohne Beispiel in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit. Am ehesten wird sich die Diskussion entzünden an der konsequenten Verwendung von Einzelschiedsrichtern, einer Verfahrensart, die gegenwärtig zunehmend Befürworter findet angesichts anhaltender Bedenken bezüglich der Unabhängigkeit parteiernannter Schiedsrichter. The jury is still out!
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