Im Blickpunkt: Typische Streitigkeiten bei Kaufpreisanpassungen
Von Dr. Michael Hammes und Arndt Engelmann
Worum es geht
Zeit ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor für eine M&A-Transaktion. Streitigkeiten mit dem Verkäufer nach dem Closing lenken von der Integration des übernommenen Unternehmens ab und binden die Aufmerksamkeit des Managements. Neben der Verletzung von Garantien und Gewährleistungen streiten die Parteien häufig im Rahmen der Auslegung vertraglich festgelegter Kaufpreisanpassungsklauseln.
Kaufpreisanpassungsklauseln sind in vielen Unternehmenskaufverträgen [Share Purchase Agreements (SPAs)] enthalten. Sie basieren auf Kennzahlen wie Vermögen abzüglich Verbindlichkeiten (Net Asset Value), Umlaufvermögen abzüglich kurzfristiger Verbindlichkeiten (Working Capital) oder auf Ergebnisgrößen (etwa Ergebnis vor Zinsen und Steuern). Abweichungen der jeweils zum Zeitpunkt des Closings aus der Übertragungsbilanz ermittelten Kennziffern von den im SPA ausgewiesenen Richtwerten führen zu Kaufpreisanpassungen, sofern die Abweichungen nicht unter einer sogenannten De-minimis-Schwelle liegen.
Kaufpreisanpassungsklauseln werden benutzt, um Veränderungen zu berücksichtigen, die sich im Zeitraum zwischen Signing und Closing ereignen. Das Unternehmen wird während dieser Zeit normalerweise vom Verkäufer verwaltet, und dieser hat auch Anspruch auf den Gewinn des Unternehmens. Letzteres könnte den Verkäufer veranlassen, den Gewinn durch einmalige Maßnahmen zu erhöhen und diesen dem Käufer vor dem Closing zu entziehen. Denkbar sind unter anderem die Unterlassung von Rückstellungen oder Wertberichtigungen. Der Käufer müsste dann nach dem Closing entsprechende Positionen bilden. Weiterhin ist vorstellbar, dass Zahlungen an Kreditoren bewusst verzögert oder Zahlungen von Debitoren beschleunigt werden. Im Ergebnis könnte das Working Capital des übernommenen Unternehmens nicht mehr ausreichen, um das Geschäft fortzuführen. Eine zusätzliche Finanzierung durch den Käufer könnte notwendig werden.
Einzelfälle
Obwohl Kaufpreisanpassungsklauseln individuell definiert werden, gibt es typische und immer wiederkehrende Streitpunkte:
- Zeitliche Abgrenzungen und Wertaufhellungsperioden: Insbesondere stellt sich die Frage, welcher Abgrenzungszeitpunkt benutzt wird, um Ereignisse noch als relevant für die Erstellung der Übertragungsbilanz zu klassifizieren. Dies könnte das Datum der Übertragung, das Datum der Feststellung der Übertragungsbilanz, das Datum der Rüge oder sogar das Datum des Schiedsgutachtens oder einer Entscheidung sein.
- Annahmen und Schätzungen: Rechnungslegung und Bewertung beruhen auf Annahmen und Schätzungen von zukünftigen Entwicklungen durch das Management. Diese Annahmen und Schätzungen sind häufig Grund für Streitigkeiten zwischen Käufer und Verkäufer, weil sie die Angemessenheit von Rückstellungen, Wertberichtigungen von Forderungen und Vorräten, Wertminderungen von Sachanlagen oder auch die Ertragsrealisierungen beispielsweise über die Schätzung des Fertigstellungsgrades betreffen.
- Buchhaltungspraxis: Häufig drehen sich Streitigkeiten auch um die Frage, ob die frühere Buchhaltungspraxis bei der Erstellung der Übertragungsbilanz berücksichtigt wurde. Dieser Streitpunkt wird noch verschärft, wenn Buchhaltungsregeln in der Vergangenheit oft geändert wurden.
- Geschäftspraxis: Weiterhin kann die bisherige Geschäftspraxis eine Rolle spielen, wonach der Verkäufer die Geschäfte bis zum Closing unverändert weiterführen soll. Allerdings tendieren Käufer dazu, nach dem Closing zu behaupten, dass der Verkäufer von der ursprünglichen Geschäftspraxis abgewichen sei. Typische Beispiele sind die Verzögerung von Zahlungen, um die Liquidität zu erhöhen, oder die beschleunigte Anforderung von Rechnungen, um den Fertigstellungsgrad zu verbessern.
- Bewertungsvorschriften: Zusätzlich kann die Hierarchie von Bewertungsvorschriften relevant sein. Die Buchhaltungspraxis kann in Konflikt mit spezifischen, im SPA festgelegten und für die Übertragungsbilanz maßgeblichen Bewertungsvorschriften stehen. Diese Vorschriften können von den allgemein anerkannten Grundsätzen der Rechnungslegung abweichen, die dem SPA zugrunde liegen. Solche Streitigkeiten entstehen oft, wenn das verkaufte Unternehmen in der Vergangenheit keine geprüften Jahresabschlüsse veröffentlicht hat.
- Übertragungsbilanz: Regelmäßig stellt sich die Frage, ob ein Sachverhalt einen wesentlichen Einfluss auf die Übertragungsbilanz hat. Die Parteien können unterschiedliche Vorstellungen einer Wesentlichkeitsgrenze haben. IFRS beurteilen die Wesentlichkeit aus der Perspektive des Investors. Danach ist ein Sachverhalt wesentlich, wenn er einen Einfluss auf die Entscheidung des Investors hat. Offenbar liegt diese Beurteilung aber im Ermessen des Betrachters. Wesentlichkeit kann etwa im Hinblick auf den Umsatz, das Anlagevermögen oder durch die besondere Hervorhebung eines Sachverhalts gemessen werden.
- Kennzahlen: Ferner entstehen Streitigkeiten auch bezüglich der Definition von Kennzahlen, die für die Bestimmung der Klauseln zur Kaufpreisanpassung herangezogen werden: Working Capital, Current Net Assets, finanzielle Verbindlichkeiten oder flüssige Mittel sind allesamt nicht präzise durch IFRS, US-GAAP oder andere, lokale Bilanzierungsvorschriften definiert. Insbesondere in grenzüberschreitenden Transaktionen können die Parteien voneinander abweichende Vorstellungen von solchen Kennzahlen haben.
- Wortwahl: Schließlich kann eine unpräzise Wortwahl Streitigkeiten verursachen. Beispiele sind „wichtige“ Reparaturen, „überflüssige“ und „veraltete“ Vorräte, „schlechte“ oder „fragliche“ Debitoren, „abnormaler“ Aufwand, „vorsichtige“ Schätzungen. Dieses Problem wird noch verschärft, wenn Begriffe verwendet werden, die nicht in den Bilanzierungsvorschriften zu finden sind, auf denen das SPA beruht.
Während Garantieverletzungen regelmäßig durch Gerichte oder Schiedsgerichte entschieden werden, werden Streitigkeiten zu Kaufpreisanpassungsklauseln typischerweise durch Schiedsgutachten gelöst. Schiedsgutachten sind sinnvoll, wenn die Streitigkeit hauptsächlich die Rechnungslegung und keine rechtlichen Fragen betrifft. Das schiedsgutachterliche Verfahren ist nicht gesetzlich geregelt. SPAs legen häufig eine mündliche Anhörung als Teil des Verfahrens und eine schriftliche und begründete Entscheidung fest. In der Praxis wird das Schiedsgutachten häufig als eine Art „Miniarbitration“ aufgesetzt.
Wichtiges Tool in der Praxis: Locked-Box-Mechanismus
Zur Prävention von Kaufpreisstreitigkeiten bietet sich der sogenannte Locked-Box-Mechanismus an. Diese Alternative zur Kaufpreisanpassung wird häufig von Private-Equity-Investoren verwendet. Bei diesem Mechanismus wird die Übertragungsbilanz bereits zum Datum des Signings vereinbart, so dass Änderungen zum Closing ausgeschlossen sind. Daher gilt der Kaufpreis als fixiert oder „locked in“. Der Verkäufer darf bis zum Übertragungsdatum kein Vermögen aus dem Unternehmen entziehen oder muss den Käufer dafür entschädigen. Somit ist der Käufer ab dem Stichtag der Begünstigte des übernommenen Unternehmens. Da der Käufer den Preis erst zum Closing bezahlt, wird der Kaufpreis oder ein vereinbarter Betrag als Gegenleistung für die Zeit zwischen Stichtag und Closing verzinst.
Der Locked-Box-Mechanismus hat den Vorteil, dass Streitigkeiten bezüglich Kaufpreisanpassungen verhindert oder auf den erlaubten Grad der Abführung von Vermögen begrenzt werden. Eine Übertragungsbilanz wird daher nicht benötigt. Neben einer Kostenersparnis kann sich der Käufer auf die Integration des neuen Geschäfts konzentrieren, während der Verkäufer den Fokus auf sein Kerngeschäft richten kann. Allerdings erfordert die Fixierung der Übertragungsbilanz mehr Arbeit vor dem Signing. Dies ist bei Transaktionen kritisch, bei denen das zu verkaufende Geschäft keine eigenständige Gesellschaft ist, sondern aus einem bestehenden Unternehmen ausgegliedert werden muss. Insgesamt ist der Locked-Box-Mechanismus nichts anderes als ein Closing, das zum Signing durchgeführt wird. Der wichtigste Vorteil ist, dass Methoden und Kennzahlen vor dem Signing diskutiert werden, wenn beide Parteien die Intention haben, den Deal durchzuführen. Daher werden Streitigkeiten schneller und auf eher freundschaftlicher Basis gelöst.
Klauseln zur Kaufpreisanpassung sind immer noch der am häufigsten gewählte Weg. Da Private-Equity-Häuser typischerweise von ihrem Portfolio wirtschaftlich und rechtlich unabhängige Gesellschaften verkaufen, ist es wenig überraschend, dass der Locked-Box-Mechanismus besonders in Transaktionen zur Anwendung kommt, in denen Private-Equity-Häuser als Verkäufer agieren.
Dr. Michael Hammes, Director Forensic Services, PricewaterhouseCoopers AG, Frankfurt am Main
michael.hammes[at]de.pwc.com
Arndt Engelmann, Partner, PricewaterhouseCoopers AG, München
arndt.engelmann[at]de.pwc.com
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