Eskalationsklauseln und Beweissicherung: So ist ein drohender Beweisverfall zu vermeiden
Von Alexander Foerster und Clemens Vidal

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Mittlerweile enthalten viele Verträge Eskalationsklauseln, die ein abgestuftes Verfahren der Streitbeilegung mit abschließendem Schiedsverfahren vorsehen. Ein Schiedsverfahren kann dann erst nach erfolgloser Durchführung der vorgeschalteten Stufen der Streitbeilegung eingeleitet werden. Zunächst sollen Unstimmigkeiten der Vertragsparteien etwa durch Verhandlungen zwischen den Parteien sowie durch ein Mediations- oder Schlichtungsverfahren gelöst werden. Dies mag zwar sinnvoll sein, führt aber dazu, dass mit der Beweisermittlung durch ein Schiedsgericht erst nach erfolglosem Durchlaufen der Eskalationsklausel begonnen werden kann und Beweisverfall droht. Der Erfolg eines Schiedsverfahrens sowie jedes anderen Prozesses hängt jedoch häufig entscheidend von dem Umfang und der Aussagekraft der zur Verfügung stehenden Beweise ab. In Einzelfällen kann mit der Beweisermittlung und Beweissicherung nicht abgewartet werden, bis sie von dem Schiedsgericht angeordnet wurden, sondern sie haben ohne Verzögerung zu erfolgen. Besonderes Augenmerk ist hierbei darauf zu legen, dass die Beweise im anschließenden Verfahren verwertet werden können und die Schiedsrichter möglichst an die Beweisermittlung gebunden sind.

In vielen anderen Jurisdiktionen bleibt es den Parteien überlassen, Gutachten etwa über die Fehlerhaftigkeit einer Leistung einzuholen. Regelmäßig benachteiligt das den Lieferanten, weil er nicht ohne weiteres Zugriff auf die gelieferte Sache oder Leistung hat. Dieser Beitrag widmet sich der Darstellung der verschiedenen Möglichkeiten, wie bei einer Eskalationsklausel noch vor Beginn des Schiedsverfahrens (vor)prozessuale Beweise gesichert werden können.

Beweissicherung im Parteibetrieb

Die einfachste, wenn auch nicht unbedingt stichhaltigste Methode der Beweissicherung ist die Heranziehung von Zeugen zum beweiserheblichen Vorfall. Allerdings ist die Aussagekraft des Zeugenbeweises begrenzt, insbesondere weil bei Zeugen, die im Lager einer Partei stehen, der Beweiswert zweifelhaft ist. Jedem erfahrenen Schiedsrichter ist zudem bewusst, dass die Zeugen in der Regel umfassend instruiert wurden, was zumindest nach deutschem Recht zulässig ist. Empfehlenswerter ist es, Beweise durch Bild- und Tonaufnahmen, insbesondere durch Videoaufnahmen, zu sichern. Diese können dem Schiedsgericht einen unmittelbaren Eindruck vermitteln.

Naheliegend ist weiterhin die Beweissicherung durch Beauftragung eines Sachverständigen. Grundsätzlich besteht zu jedem Zeitpunkt eines Schiedsverfahrens und somit auch vor diesem die Möglichkeit, ein Sachverständigengutachten erstellen zu lassen. Dieses sichert die Beweise, allerdings fehlt es einem von einer Partei in Auftrag gegebenen Gutachten an einem neutralen Standpunkt, und es muss damit gerechnet werden, dass die Gegenpartei ein Gegengutachten in Auftrag gibt, so dass sich der Beweiswert des Parteigutachtens verringern kann. Außerdem ist ein Schiedsgericht nicht an die in einem Privatgutachten festgestellten Sachverhalte gebunden, sondern ist in seiner Beweiserhebung und -würdigung frei. Es kann also sowohl ein angebotenes Gutachten ablehnen als auch den Inhalt des Gutachtens aufgrund eines Gegengutachtens unberücksichtigt lassen. Dennoch ist ein Parteigutachten von großem Vorteil, da es das Verfahren beschleunigt und die Gegenpartei unter Zugzwang setzt. Es empfiehlt sich daher, eventuelle Beweise im Rahmen von Parteigutachten zu sichern und bei der Auswahl des Gutachters auf dessen Ruf und Bekanntheitsgrad in der entsprechenden Branche zu achten.

Problematisch ist in diesen Fällen jedoch, dass der Streitgegenstand nicht immer frei zugänglich ist und damit die Beweisermittlung ohne flankierende Maßnahmen unmöglich gemacht sein kann. In Fällen, in denen der Streitgegenstand nicht zugänglich ist, ist deshalb unbedingt an die Einholung einer einstweiligen Verfügung zu denken, die auf die Gewährung des freien Zutritts gerichtet ist und gleichzeitig der Gegenseite untersagt, Veränderungen an dem Streitgegenstand vorzunehmen.

Externe Beweissicherung

Wenn ohnehin bereits ein staatliches Gericht eingeschaltet werden muss, um freien Zugang zu dem Streitgegenstand zu erhalten, warum überlässt man nicht gleich die gesamte Beweisermittlung dem staatlichen Gericht? Nach anerkannter Rechtsprechung ist ein selbständiges Beweisverfahren auch neben einer Schiedsklausel zulässig, da es sich hierbei um eine sichernde Maßnahme im Sinne des § 1033 ZPO handelt. Auch wenn ein derartig ermitteltes Sachverständigengutachten zumindest in einem deutschen Schiedsverfahren ein taugliches Beweismittel sein kann, so übt es dennoch keine unmittelbare Bindungswirkung auf ein Schiedsgericht aus. Da die Schiedsrichter, was die Beweiserhebung und die Beweiswürdigung angeht, vollkommen frei sind, sind sie auch nicht an die Ergebnisse des Verfahrens nach § 485 ZPO gebunden. Ferner ist nicht sichergestellt, dass die Beweisermittlung innerhalb der erforderlichen Zeit durchgeführt wird.

Zu berücksichtigen ist ferner, dass, wenn die Schiedsklausel ein Schiedsverfahren im Ausland vorsieht, es bereits an der Zuständigkeit des angerufenen staatlichen Gerichts fehlen kann. So verneinte das OLG Düsseldorf die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für ein selbständiges Beweisverfahren in einem Fall, in dem die Beweismittel zwar in Deutschland waren, die Schiedsklausel aber ein Schiedsverfahren vor einem ausländischen Schiedsgericht vorsah (OLG Düsseldorf, I-20 W 152/07). Das Gericht begründete dies damit, dass das selbständige Beweisverfahren primär der Vorbereitung eines vor deutschen (staatlichen) Gerichten zu führenden Hauptverfahrens dient und es zu einem solchen aufgrund der Schiedsklausel mit ausländischem Schiedsort nicht kommen konnte. Auch wenn diese Entscheidung den § 1025 Abs. 2 ZPO evident übersah, sollte die Zulässigkeit eines selbständigen Beweisverfahrens bei ausländischem Schiedsort vor dessen Einleitung zumindest kritisch hinterfragt werden.

Häufig lohnt auch ein Blick in die Schiedsordnung der vereinbarten Schiedsinstitution. Viele Schiedsinstitutionen wie etwa die der Internationalen Handelskammer in Paris, ICC, bieten mittlerweile gesonderte Verfahren zur Beweisermittlung an (Expert Determination). Nicht alle Schiedsinstitutionen bieten aber eine solche Expert Determination auf Antrag nur einer Partei an, sondern gestalten sie als schiedsgutachterliches Verfahren aus, was eine Einigung beider Parteien erforderlich macht. Dann kann sich der „Umweg“ über einen eigens eingesetzten Eilschiedsrichter, einen Emergency Arbitrator, lohnen. Viele Schiedsordnungen bieten mittlerweile die Einsetzung eines solchen an, um einstweilen sichernde Maßnahmen und Anordnungen bereits vor Bildung des Schiedsgerichts zu erlassen. Allerdings stehen dem Schiedsgericht keine Möglichkeiten zur Vollstreckung der Entscheidung zu, so dass staatliche Gerichte im Nachgang zur Entscheidung des Eilschiedsrichters tätig werden müssen. Die bei der Beweissicherung notwendige Schnelligkeit ist damit nicht notwendigerweise gewährleistet. Die bisherige Praxis im internationalen Bereich zeigt allerdings, dass die Anordnungen eines Eil-schiedsrichters oftmals befolgt werden.

Fazit

Bei Vorliegen einer Eskalationsklausel gibt es regelmäßig nicht den einen „goldenen Weg“, der zu einer Beweissicherung führt, die auch das Schiedsgericht bindet. Es kann daher nur im Interesse der Parteien sein, möglichst schnell in das Schiedsverfahren einzusteigen und die Schiedsrichter in die Beweissicherung einzubinden.

Sinnvoll erscheint es dennoch, schon vorab ein „prozessfestes“ Privatgutachten erstellen zu lassen, um dem Schiedsgericht mit Beginn des Verfahrens Beweise anbieten zu können. Ergänzend bieten die Schiedsinstitutionen, wie beispielsweise die DIS (DIS-SchGO), mittlerweile eine Vielzahl von Werkzeugen an, deren Einsatz einen Beweisverfall verhindern kann.


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Clemens.vidal@msa.se

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