Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) ist am 01.01.2023 in Kraft getreten und verpflichtet seitdem Unternehmen mit mindestens 3.000 Beschäftigten, menschenrechtliche Sorgfaltspflichten und bestimmte Umweltstandards in ihren Lieferketten zu beachten. Das Gesetz soll kein zahnloser Papiertiger werden: Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) ist für die Umsetzungskontrolle zuständig und zu diesem Zweck mit Eingriffsbefugnissen ausgestattet worden. Unternehmen, die ihren Pflichten unter dem Gesetz nicht nachkommen, drohen im Einzelfall Bußgelder von bis zu 2% des Jahresumsatzes, sofern es sich um Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als 400 Millionen Euro handelt, oder auch ein Ausschluss von der Vergabe öffentlicher Aufträge. Eine unmittelbare zivilrechtliche Haftung unter dem Gesetz ist indes nicht vorgesehen. Eine solche könnte aber nach den aktuellen Plänen der EU, wie sie im Entwurf der EU-Kommission für eine Corporate Sustainability Due Diligence-Richtlinie vorgesehen ist, in Zukunft auf Unternehmen zukommen.
Hintergrund
Das LkSG verpflichtet Unternehmen, ihrer Verantwortung in der Wertschöpfungskette im Hinblick auf Sozialstandards wie Arbeitsbedingungen, Sicherheit und Gesundheit sowie umweltbezogene Aspekte nachzukommen, indem ihnen eine Reihe von Sorgfaltspflichten auferlegt werden. Es gilt für Unternehmen, die in der Regel mindestens 3.000 Arbeitnehmer im Inland beschäftigen, und ab 2024 wird dieser Schwellenwert auf 1.000 Arbeitnehmer abgesenkt. Ähnliche Bestrebungen gibt es auch auf EU-Ebene: Am 23.02.2022 hat die Kommission einen Richtlinienentwurf über Nachhaltigkeitspflichten von Unternehmen vorgelegt, der deutlich über das LkSG hinausgeht. So sollen die Sorgfaltspflichten bereits greifen für EU-Unternehmen mit mindestens 500 Beschäftigten und einem Nettoumsatz von mindestens 150 Millionen Euro weltweit (Gruppe 1), andere EU-Unternehmen, die mehr als 250 Beschäftigte haben sowie einen Nettoumsatz von mindestens 40 Millionen Euro weltweit vorweisen können (sofern mindestens 50% des Umsatzes aus Risikosektoren stammt; Gruppe 2) sowie in der EU tätige Unternehmen aus Drittstaaten, die einen Umsatz in Höhe von Gruppe 1 oder Gruppe 2 innerhalb der EU erwirtschaften.
Kontrolle und Durchsetzung des LkSG
Das LkSG weist dem BAFA die Aufgabe der behördlichen Kontrolle und Durchsetzung zu. Es soll bei seiner Tätigkeit einen sogenannten risikobasierten Ansatz verfolgen. Bereits aus der Gesetzesbegründung geht hervor, dass hier nicht nur zufällige Stichproben vorgenommen werden dürfen. Vielmehr soll sich das BAFA „zunächst auf Fälle mit den schwersten Risiken“ konzentrieren, wobei die konkrete Umsetzung des risikobasierten Ansatzes letztlich aber dem BAFA selbst überlassen bleibt. Die Gesetzesbegründung geht insoweit davon aus, dass ein behördeninternes Prüfkonzept erstellt wird.
Im Rahmen der risikobasierten Kontrolle darf das BAFA nach pflichtgemäßem Ermessen die geeigneten, erforderlichen und angemessenen Anordnungen und Maßnahmen ergreifen, um Verstöße gegen Pflichten unter dem LkSG festzustellen, zu beseitigen und zu verhindern. Hierzu gehört unter anderem die Befugnis, Personen zu einer Befragung zu laden, dem Unternehmen aufzugeben, binnen drei Monaten einen Plan zur Behebung der Missstände vorzulegen, oder auch die Befugnis, dem verstoßenden Unternehmen konkrete Handlungen zur Erfüllung seiner Pflichten aufzugeben, was letztlich einen Eingriff in unternehmensinterne Abläufe beinhaltet und daher vor allem unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten gerechtfertigt sein muss. Betretensrechte, einschließlich der Befugnis, in den Geschäftsräumen Unterlagen einzusehen und zu prüfen, runden das Spektrum der dem BAFA zur Verfügung stehenden Befugnissen ab.
Verstöße gegen Pflichten unter dem LkSG können aber nicht nur durch das BAFA selbst zu Tage gefördert werden. Das BAFA stellt auf seiner Homepage etwa ein Online–Formular zur Verfügung, das für Beschwerden über Unternehmen, die aus Sicht des Beschwerenden einen Verstoß gegen das LkSG begangen haben, genutzt werden kann. Ein Verstoß soll dabei dann vorliegen, „wenn in der Lieferkette eines deutschen Unternehmens eine Verletzung von im Gesetz genannten Menschenrechten oder Umweltbelangen eingetreten ist oder unmittelbar bevorsteht“. Voraussetzung für die Einreichung einer Beschwerde ist eine nachvollziehbare und möglichst umfassende Schilderung des Sachverhalts sowie eine Betroffenheit des sich Beschwerenden von der Verletzung des LkSG beziehungsweise jedenfalls von den Auswirkungen der Verletzung. Ausländische Unternehmen können zudem nur dann Gegenstand einer Beschwerde sein, wenn es sich hierbei um einen Zulieferer eines deutschen Unternehmens handelt.
Gegenüber dem BAFA sind Unternehmen zur Auskunftserteilung und Herausgabe von Unterlagen verpflichtet. Hinzu kommt die Pflicht, über die Erfüllung ihrer Sorgfaltspflichten jährlich Bericht zu erstatten. Zudem obliegen ihnen Duldungs- und Mitwirkungspflichten im Hinblick auf die von der Behörde im Rahmen der risikobasierten Kontrolle durchgeführten Maßnahmen.
Liegen Verstöße gegen bestimmte Pflichten unter dem LkSG vor, so können diese als Ordnungswidrigkeiten geahndet werden. Straftatbestände sieht das LkSG nicht vor. Zuständig für das Verhängen von Zwangs- und Bußgeldern ist ebenfalls das BAFA. Die Höhe der Geldbußen richtet sich gestaffelt nach den einzelnen relevanten Ordnungswidrigkeitentatbeständen. Für Unternehmen können bestimmte Verstöße gar ein Bußgeld von bis zu 8 Millionen Euro nach sich ziehen. Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als 400 Millionen Euro können für bestimmte Ordnungswidrigkeiten, wie dem Unterlassen einer rechtzeitigen Abhilfemaßnahme oder dem Unterlassen einer rechtzeitigen Erstellung oder Umsetzung eines Konzepts zur Beendigung oder Minimierung eines menschenrechtlichen oder umweltbezogenen Risikos mit bis zu 2% des durchschnittlichen Jahresumsatzes zur Kasse gebeten werden. Für die Bemessung des durchschnittlichen Jahresumsatzes ist der weltweite Umsatz aller natürlichen und juristischen Personen sowie aller Personenvereinigungen der letzten drei Geschäftsjahre, die der Behördenentscheidung vorausgehen, maßgeblich, soweit diese Personen und Personenvereinigungen als wirtschaftliche Einheit operieren.
Hinzu kommt, dass mit § 22 LkSG ein besonderer Grund für den Ausschluss von Unternehmen von der Teilnahme an Vergabeverfahren für die Dauer von bis zu drei Jahren geschaffen worden ist. Voraussetzung hierfür ist, dass ein Bußgeld von einer bestimmten Mindesthöhe verhängt worden ist, wobei hier, je nach Schwere des Verstoßes, Schwellenstufen von 175.000 Euro beziehungsweise 1,5 Millionen Euro, 2 Millionen Euro oder 0,35% des Jahresumsatzes gelten. Ein Ausschluss wird vom Bundeskartellamt auch in das Wettbewerbsregister eingetragen.
Eine Verletzung der menschenrechtlichen und umweltbezogenen Sorgfaltspflichten begründet allerdings keine zusätzliche zivilrechtliche Haftung für Unternehmen. Möglich bleiben vertragliche oder deliktische Ansprüche aus dem allgemeinen Zivilrecht, wie etwa Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB wegen der Verletzung eines Schutzgesetzes oder im Einzelfall möglicherweise auch Ansprüche nach ausländischem Sachrecht bei Sachverhalten mit Auslandsbezug.
Durchsetzung der Sorgfaltspflichten nach dem CSDD-Richtlinienentwurf
Während sich das LkSG auf eine öffentlich-rechtliche Durchsetzung der menschen- und umweltrechtlichen Sorgfaltspflichten durch das BAFA beschränkt, sieht der CSDD-Richtlinienentwurf sowohl eine öffentlich-rechtliche Durchsetzung als auch eine zivilrechtliche Haftung vor. Im Bereich des „public enforcement“ sind umsatzbezogene Geldbußen vorgesehen, deren Höhe in dem CSDD-Richtlinienentwurf noch nicht geregelt wird. Die wird im Rahmen der Umsetzung von den Mitgliedstaaten zu konkretisieren sein. Gleiches gilt für die Einrichtung einer Aufsichtsbehörde mit effektiven Eingriffsbefugnissen. Auch dies wird im CSDD-Richtlinienentwurf den Mitgliedstaaten überlassen.
Im Rahmen der zivilrechtlichen Haftung, die ebenfalls von den Mitgliedstaaten ausgestaltet werden soll, ist eine Haftung vorgesehen für Verstöße gegen nachhaltigkeitsbezogene Sorgfaltspflichten.
Hiervon macht der CSDD-Richtlinienentwurf eine Ausnahme für den Fall, dass das Unternehmen bestimmte Abhilfemaßnahmen ergriffen hat. Konkret soll das Unternehmen grundsätzlich nicht für Schäden durch negative Auswirkungen haften, wenn diese auf Tätigkeiten eines indirekten Geschäftspartners zurückzuführen sind, mit dem das Unternehmen eine etablierte Geschäftsbeziehung unterhält, sofern das Unternehmen Maßnahmen ergriffen hat, die geeignet waren, um die negativen Auswirkungen zu vermeiden, abzuschwächen, zu beheben oder zu minimieren. Hiermit sind vertragliche Zusicherungen von direkten Geschäftspartnern gemeint, einschließlich der Zusicherung von direkten Geschäftspartnern, dass sie sich von ihren Partnern ebenfalls solche vertraglichen Zusicherungen einholen, sogenannte Vertragskaskaden.
Ausblick
Auch wenn das BAFA jüngst mitgeteilt hat, dass es erst zum Stichtag 01.06.2024 das Vorliegen der Berichte beim BAFA sowie deren Veröffentlichungen nachprüfen werde, müssen Unternehmen, für die das LkSG schon seit diesem Jahr Anwendung findet, schon jetzt ihre übrigen Sorgfaltsplichten erfüllen, um nicht Gefahr zu laufen, einen möglicherweise bußgeldbewehrten Verstoß zu begehen. Auch sind Unternehmen gut beraten, die Entwicklungen auf europäischer Ebene zu verfolgen, da hier voraussichtlich in Zukunft noch weitergehende Pflichten einschließlich einer weitergehenden (zivilrechtlichen) Haftung auf sie zukommen können.
kerstin.wilhelm@linklaters.com