Warum Whistleblower nützlich sind und wie interne Meldesysteme effektiv eingeführt werden

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Die EU-Whistleblower-Richtlinie gilt ab dem 17. Dezember 2021 – ein deutsches Umsetzungsgesetz ist somit mehr als notwendig. In Berlin formt sich in diesen Tagen eine neue Regierung und sollte es tatsächlich eine Ampelkoalition aus SPD, FDP und Grünen werden, ist davon auszugehen, dass das Hinweisgeberschutzgesetz ohne größere Probleme kommen wird. Als eine von wenigen Parteien hat die FDP die Umsetzung der EU-Richtlinie ausdrücklich im Parteiprogramm erwähnt und sich für einen umfassenden Schutz von Hinweisgebern ausgesprochen. Ein solches Bekenntnis fehlt zwar in den Parteiprogrammen von SPD und Grünen, doch beide Parteien haben sich klar positioniert: Es war Christine Lambrecht, die amtierende Justizministerin der SPD, die den Referentenentwurf in ihrem Haus erarbeiten ließ. Die Grünen sind traditionell für den Schutz von Whistleblowern. In ihrem diesjährigen Wahlprogramm haben sie die Environmental-, Social- und Governance-Kriterien (ESG) der Kapitalmärkte als nationales Regulierungsinstrument für „grüne Finanzmärkte“ entdeckt. Zu diesen Kriterien gehören Hinweisgeberschutz und interne Meldesysteme.

Wie wertvoll Whistleblower für die Gesellschaft und Unternehmen sind, zeigen die zahlreichen Skandale in Wirtschaft und Politik, die oftmals erst durch Hinweisgebende aufgedeckt werden konnten. Betroffen sind alle Unternehmensgrößen und Branchen. Belegt wird diese Aussage zudem vom Whistleblowing Report 2021, der von der Fachhochschule Graubünden und der EQS Group durchgeführt wurde. Die internationale Studie untersuchte über 1.200 Unternehmen in Deutschland, Frankreich, Großbritannien und der Schweiz. Dabei lag das Hauptaugenmerk vor allem darauf, inwieweit Unternehmen von Missständen betroffen sind und wie Meldestellen als Instrument zur Prävention und Aufdeckung von Missständen genutzt werden.

Dem Report zufolge sind viele Unternehmen von illegalem und unethischem Verhalten betroffen. In Deutschland waren dies 2020 etwas mehr als 37 Prozent der Unternehmen. Das waren mehr als in Großbritannien (35,8 Prozent), Frankreich (32,8 Prozent) oder der Schweiz (32,5 Prozent). Den finanziellen Schaden, den diese Missstände verursachen, beziffert gut ein Viertel der betroffenen deutschen Unternehmen auf mehr als 100.000 Euro.

Zufriedene Mitarbeiter

Meldungen über Missstände an eine Stelle im Unternehmen sind nützlich. Laut Whistleblowing Report haben gut 60 Prozent der Unternehmen mindestens eine Meldung zu verzeichnen. Davon sind gut 44 Prozent relevant. Die meisten Meldungen beziehen sich auf die geschäftliche Integrität (23,5 Prozent), Human Resources, Diversität und den Respekt am Arbeitsplatz (knapp 22 Prozent) sowie das Rechnungswesen oder die Wirtschaftsprüfung und Finanzberichterstattung (gut 17 Prozent). Mit Meldestellen decken fast 40 Prozent der befragten deutschen Unternehmen über 80 Prozent der finanziellen Schäden eines Missstandes auf. Bei einem weiteren guten Drittel der Meldungen werden immerhin 40 bis 80 Prozent des finanziellen Schadens aufgeklärt. Die Angst vor Denunziantentum ist angesichts von nur ca. 8 Prozent missbräuchlichen Meldungen unbegründet.

Hinzu kommt der weitere Nutzen interner Meldestellen. In Deutschland nennen die befragten Unternehmen vor allem das bessere Verständnis von Compliance bei den Mitarbeitenden, die optimierten Compliance-prozesse und ein integreres Verhalten sowie eine höhere Zufriedenheit der Mitarbeitenden.

Mit Blick auf die Bundestagswahl, die EU-Richtlinie und das absehbare deutsche Hinweisgeberschutzgesetz ist die Frage der Stunde: Wie können Unternehmen die EU-Richtlinie umsetzen und gleichzeitig alle eingehenden Hinweise rechtssicher bearbeiten?

Interne Hinweisgebersysteme können laut Richtlinie unterschiedliche Meldekanäle sein: Telefonhotlines, Ombudsstellen, digitale Systeme oder kombinierte Systeme zur sicheren Kommunikation und Analyse von Missständen. Ein internes Hinweisgebersystem gilt als Frühwarnsystem, um Missstände zu identifizieren und zu bekämpfen, und bildet somit die Grundlage für ein erfolgreiches Risikomanagement. Hinweisgeber können sich zuerst an eine interne Instanz wenden. Externe Meldungen durch Mitarbeiter werden damit unwahrscheinlicher.

Persönliche Merkmale tarnen

Vielen Hinweisgebenden ist vor allem der Schutz ihrer Identität wichtig: Der Whistleblowing Report zeigt, dass bei Unternehmen, die anonymes Melden ermöglichen (in Deutschland immerhin etwas mehr als 73 Prozent), fast drei Viertel der Erstmeldungen in anonymisierter Form eingehen. Unternehmen sollten diesen Bedarf anerkennen und anonyme Meldungen ermöglichen. Für Anonymität muss das Unternehmen technisch sicherstellen, dass die meldende Person nicht durch persönliche Merkmale (z. B. Abteilung, IP-Adresse, Telefonnummer, Stimme, Handschrift usw.) identifiziert werden kann. Dafür müssen die übermittelten Daten verschlüsselt verarbeitet und gespeichert werden. Dies können Ombudsstellen oder Telefonhotlines nicht gewährleisten.

Maximale Anonymität, Sicherheit und DSGVO-Konformität bieten nur digitale Hinweisgebersysteme. Sie anonymisieren alle personenbezogenen Daten und erfüllen im besten Fall die Kriterien einer ISO-Zertifizierung. Digitale Meldesysteme liefern noch weitere Vorteile: Sie lassen sich unter Umständen sehr gut in den digitalen Workflow bestehender Compliance-Management-Software integrieren. Whistleblowing-Systeme sind zu jeder Uhrzeit und von jedem Ort aus erreichbar. Meldungen lassen sich effizient verwalten und dokumentieren. Zudem erlauben sie eine einfache Aufbereitung der gemeldeten Fälle für Statistiken und Berichte. Außerdem stellen sie eine zentrale und niedrigschwellige Anlaufstelle für Hinweisgeber dar. Schließlich lassen sich digitale Systeme sehr leicht in mehreren Sprachen betreiben und von mobilen Geräten wie Mobiltelefonen sicher nutzen. Dies fördert eine aktive „Speak-up-Kultur“.

Regelkonformes Verhalten als Ziel

Damit ein Unternehmen von einem Hinweisgebersystem profitieren kann, sollte es alle einbeziehen, die im Unternehmen vom Meldesystem und der Vorgangsbearbeitung betroffen sind. Laut Whistleblowing Report sind die Mitarbeiter die wichtigste Anspruchsgruppe. Wer sein System zudem für Außenstehende öffnet, verstärkt den Druck auf regelkonformes Verhalten. Außerdem steigen durch Meldungen von Externen die Chancen, Missstände früh zu entdecken und Schäden zu minimieren.

Neben diesen Maßnahmen, die vordergründig Rechtskonformität mit der EU-Whistleblower-Richtlinie und dem deutschen Hinweisgeberschutz herstellen, brauchen Unternehmen flankierende Kommunikationsmaßnahmen. Mitarbeiter und Externe müssen von der Plattform wissen. Nur dann kann das Meldesystem als effektives und erfolgreiches Frühwarnsystem dienen. Den Mitarbeitenden sollte klar sein, was mit Hinweisen geschieht, wie sie bearbeitet werden und wie das Unternehmen auf Missstände reagiert. Gängige Ängste vor einer Denunziationskultur kann das Unternehmen respektieren und ansprechen. Das Management sollte die Hinweisgebersysteme als Werkzeuge einer ethischen Unternehmensführung begrüßen – und damit ein Zeichen setzen.

helene.blumer@eqs.com

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