Auslandsbestechung: praktische Auswirkungen des Gesetzes zur Bekämpfung der Korruption
Von Dr. Jan Kappel und Florian Junkers
Hintergrund
Am 26.11.2015 ist das Gesetz zur Bekämpfung der Korruption in Kraft getreten. Mit diesem gehen einige Reformen im materiellen Strafrecht, aber auch eine gesteigerte Zumessung der Bedeutung des deutschen Strafrechts (vor allem der Korruption) im Ausland einher. So sind insbesondere die Vorschriften zur Bestechung und Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr dergestalt angepasst worden, dass nunmehr ausdrücklich auch die Interessen des Geschäftsherrn vom Schutz des Straftatbestands erfasst sind (sogenanntes Geschäftsherrenmodell). Zwar war in Rechtsprechung und Literatur einhellig anerkannt, dass diese Interessen neben dem Schutz der Integrität des Wettbewerbs (sogenanntes Wettbewerbsmodell) ebenfalls vom Schutzbereich der Norm erfasst sind. Durch die nunmehrige Transformation tritt allerdings das Geschäftsherrenmodell ausdrücklich neben das Wettbewerbsmodell, so dass der Schutz der Interessen des Geschäftsherrn gestärkt wird. Konkret bedeutet dies, dass nunmehr jede Pflichtverletzung gegenüber dem Geschäftsherrn, die im Zusammenhang mit dem Bezug von Waren oder Dienstleistungen steht, zur Begründung einer Strafbarkeit ausreichen kann. Eine – zuvor erforderliche – Bevorzugung im Wettbewerb ist nicht mehr erforderlich.
Von hervorgehobenem Interesse und im Fokus des nachfolgenden Beitrags sind zudem die Anpassungen im Bereich der Amtsträgerbestechung im Ausland, die erfahrungsgemäß ein nicht unerhebliches Haftungsrisiko für Unternehmen und Entscheider mit sich bringen kann.
Bislang waren die Regelungen des deutschen Strafrechts zur Korruption im Ausland wenig prominent im Nebenstrafrecht (EUBestG und IntBestG) geregelt. Im Vergleich zu den deutlich bekannteren Vorschriften etwa des amerikanischen Foreign Corrupt Practices Act (FCPA) und des britischen UK Bribery Act waren deren deutsche Pendants zur Auslandskorruption wesentlich unbekannter und selten Gegenstand von strafrechtlichen Ermittlungsverfahren. Das könnte sich zukünftig ändern.
Der lange Arm auch des deutschen Korruptionsstrafrechts
Bei Verfolgung von Straftaten mit Auslandsbezug ist für die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts immer eine völkerrechtliche und verfassungsrechtliche Legitimationsgrundlage notwendig. Dies wird im sogenannten Strafanwendungsrecht (§§ 3–9 StGB) geregelt.
Nach dem Territorialitätsprinzip (§ 3 StGB) ist deutsches Strafrecht anwendbar, wenn auf deutschem Territorium gehandelt wurde. Bezogen auf Korruptionsdelikte, bedeutet dies, dass eine Bestechungstat jedenfalls immer dann deutschem Strafrecht unterfällt, wenn die Tathandlung (zumindest auch) in Deutschland erfolgt ist. Tathandlung der Korruptionsdelikte sind dabei das Anbieten, Versprechen oder Gewähren eines Vorteils oder auf Nehmerseite das Fordern, Sich-versprechen-Lassen oder Annehmen eines Vorteils. Klassisches Beispiel ist hier die Überweisung von „Schmiergeldern“ aus Deutschland an den Bestochenen im Ausland.
Anders ist die Rechtslage zu beurteilen, wenn die Tathandlung ausschließlich im Ausland stattgefunden hat. Die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts kann hier gerade nicht über das Territorialitätsprinzip begründet werden. Regelmäßig kann eine völkerrechtliche Legitimation in diesen Fällen über die deutsche Staatsbürgerschaft des Täters hergestellt werden. Hierbei ist jedoch zwischen der Bestechung im geschäftlichen Verkehr und der Bestechung von ausländischen Amtsträgern zu differenzieren: Bei einer Bestechung im geschäftlichen Verkehr kommt deutsches Strafrecht (nur) dann zur Anwendung, wenn der Täter Deutscher ist und die konkrete Korruptionshandlung auch am Tatort nach der jeweiligen ausländischen Rechtsordnung mit Strafe bedroht ist (§ 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB). Anders ist dies mit Blick auf unlautere Zahlungen an Amtsträger. Über die im Wege der Reform neu eingeführte Vorschrift des § 5 Nr. 15 StGB ist deutsches Strafrecht bei der Amtsträgerkorruption im Ausland sogar unabhängig vom Recht des Tatorts anwendbar, wenn der Täter deutscher Staatsbürger ist. Das heißt konkret, die Tat kann selbst dann nach deutschem Strafrecht verfolgbar sein, wenn sie nach dem ausländischen Strafrecht erlaubt ist.
Der Anwendungsbereich des deutschen Strafrechts macht insofern nicht an den Landesgrenzen halt, sondern kann – bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen – globale Auswirkungen entfalten. Spätestens über die Vorschriften des Ordnungswidrigkeitenrechts können in diesen Fällen mit Auslandsbezug auch dem Unternehmen, für welches der Täter handelt, empfindliche Geldbußen drohen.
Ausweitung der Straftatbestände der Amtsträgerkorruption im Ausland durch die Gesetzesreform
Im Wege der Einführung des Gesetzes zur Bekämpfung der Korruption erfolgte eine weitere spürbare Ausweitung der Straftatbestände der Amtsträgerkorruption im Ausland.
So wurde zum einen die Legaldefinition des „europäischen Amtsträgers“ in das deutsche Strafrecht eingeführt. Hiernach werden Amtsträger der Europäischen Union (nicht Amtsträger anderer EU-Mitgliedstaaten) den deutschen Amtsträgern für die Anwendbarkeit der Straftatbestände der Amtsträgerbestechung gleichgestellt und unterfallen damit (bei Vorliegen der oben dargelegten Voraussetzungen) dem deutschen Korruptionsstrafrecht der §§ 331 ff. StGB. Die hiermit verbundene Ausweitung (die Gleichstellung erfolgt nunmehr gerade auch im Hinblick auf die Straftatbestände der Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung) wird vermutlich eine noch sensiblere Prüfung der Lobbyarbeit von Unternehmen auf Ebene der Europäischen Union nach sich ziehen.
Eine weitere Gleichstellung mit deutschen Amtsträgern sieht die neu eingeführte und praxisrelevante Norm des § 335a StGB vor. Hiernach werden Bedienstete eines ausländischen Staates oder einer internationalen Organisation sowie Personen, die beauftragt sind, für einen ausländischen Staat oder eine internationale Organisation öffentliche Aufgaben wahrzunehmen, für Straftaten der Bestechlichkeit und Bestechung von Amtsträgern (§§ 332, 334 StGB) einem deutschen Amtsträger gleichgestellt. Diese – zuvor im EUBestG und im IntBestG normierte – Gleichstellung hat zur Folge, dass die Bestechung ausländischer Amtsträger durch einen deutschen Staatsbürger weltweit nach deutschem Strafrecht verfolgt werden kann. Auch diese Gleichstellung hat allerdings durch die Gesetzesreform eine wesentliche Ausweitung erfahren: Nach der außer Kraft getretenen Vorschrift des IntBestG konnte die Bestechung eines ausländischen, nichteuropäischen Amtsträgers nur dann nach deutschem Strafrecht verfolgt werden, wenn diese erfolgte, „um einen Auftrag oder einen unbilligen Vorteil im internationalen geschäftlichen Verkehr“ zu erlangen. Hier war unklar, was konkret mit dem Terminus des „internationalen geschäftlichen Verkehrs“ gemeint war und folglich, wann diese Tatbestandsvoraussetzung verwirklicht war. Nach verbreiteter Ansicht setzte die Norm tatsächlich einen grenzüberschreitenden Sachverhalt voraus, mit der Konsequenz, dass eine Bestechung dann nicht nach deutschem Korruptionsstrafrecht verfolgbar war, wenn ein ausländisches Tochterunternehmen einer deutschen Konzernmutter durch die Bestechung des ausländischen Amtsträgers einen Auftrag erlangte, der ausschließlich im jeweiligen Ausland durchzuführen war (also nicht „grenzüberschreitend“). Diese Voraussetzung ist im Wege der Reform entfallen, so dass deutsches Strafrecht – unabhängig vom Recht des Tatorts (§ 5 Nr. 15 StGB) dann anzuwenden ist, wenn ein (etwa bei der Konzerntochter im Ausland tätiger) deutscher Staatsangehöriger an der Bestechung des Amtsträgers beteiligt ist.
Fazit
Die Straftatbestände der Auslandskorruption haben durch die Gesetzesreform deutliche Ausweitungen und (durch die Konsolidierung im Kernstrafrecht) gesteigerte Prominenz erfahren. Es darf mit Spannung erwartet werden, ob sich das bald auch in der Strafverfolgungspraxis durch die deutschen Behörden widerspiegeln wird. Aufgrund des geltenden Legalitätsprinzips besteht bei Vorliegen eines Anfangsverdachts jedenfalls die Verpflichtung der Behörden, entsprechende Ermittlungen aufzunehmen. Der Umgang mit den entsprechenden Fällen wird – nicht zuletzt aufgrund der internationalen Zusammenhänge – Unternehmen, Strafverteidiger und Strafverfolgungsbehörden vor spürbare Herausforderungen stellen.