Aber: Die Fusionskontrolle könnte wegen der Covid-19-Pandemie länger dauern

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Am 15.05.2020 hat der Bundesrat das tags zuvor vom Bundestag in dritter Beratung verabschiedete Gesetz zur Abmilderung der Folgen der ­Covid-19-Pandemie im Wettbewerbsrecht und für den Bereich der Selbstverwaltungsorganisationen der gewerblichen Wirtschaft beschlossen. Das Gesetz wird am Tag nach der Verkündung in Kraft treten, was in Kürze der Fall sein dürfte. Es gelten zeitlich befristete Erleichterungen im Wettbewerbsrecht und im Bereich der Selbstverwaltungsorganisationen der gewerblichen Wirtschaft, die dazu beitragen sollen, die wirtschaftlichen Folgen der Covid-19-Pandemie auf Bürger, Unternehmen und Institutionen abzumildern.
Im Wesentlichen regelt das Gesetz eine einmalige Verlängerung der Entscheidungsfristen im Fusionskontrollverfahren, die Frist für die Phase I (Vorprüfverfahren) wird von einem auf zwei Monate verdoppelt, im Hauptprüfverfahren (Phase II) wird die Frist von vier auf sechs Monate verlängert. Diese Fristen gelten für Anmeldungen, die zwischen dem 01.03.2020 und dem 31.05.2020 beim Bundeskartellamt eingereicht werden. Darüber hinaus findet eine Aussetzung der Verzinsung von Bußgeldern bis zum 30.06.2021 statt, sofern Zahlungserleichterungen gewährt wurden.

Verlängerung der Fusionskontrollverfahren
Die Prüffristen in der Fusionskontrolle wurden einmalig und zeitlich beschränkt verlängert. Betroffen sind nur solche Zusammenschlüsse, die zwischen dem 01.03.2020 und dem 31.05.2020 angemeldet wurden bzw. werden. Sofern Verfahren bei Inkrafttreten bereits abgeschlossen waren, gelten die neuen Fristen nicht. Die neuen Fristen gelten auch dann, wenn ein Zusammenschluss von der Europäischen Kommission an das Bundeskartellamt verwiesen wird. Andererseits bleibt es bei den alten Fristen von einem beziehungsweise vier Monaten, wenn am Tag des Inkrafttretens des Gesetzes die Monatsfrist in Phase I bereits abgelaufen war, ohne eine Mitteilung des Amts, dass ein Hauptprüfverfahren eröffnet wurde, oder die Frist in Phase II bereits abgelaufen ist oder der Zusammenschluss bereits freigegeben wurde.
Durch die Covid-19-Pandemie hat auch das Bundeskartellamt gewisse Schwierigkeiten, einige Fälle in den kurzen Fristen sachgerecht zu bearbeiten. Die Marktteilnehmer antworten derzeit nicht oder nur zeitverzögert auf Anforderungen des Amts, so dass Marktuntersuchungen nicht mit dem üblichen Tempo erledigt werden können. Befürchtet wurde deshalb, dass wettbewerblich problematische Fusionen mangels sachgerechter Marktinformationen freigegeben werden müssten oder Fristen ablaufen, bevor das Amt eine etwaige Wettbewerbsschädlichkeit nachweisen kann.

Aussetzung der Verzinsungspflicht des Bußgelds
Ferner wurde auch die Pflicht, auf bereits verhängte Bußgelder Zinsen zahlen zu müssen, bis zum 30.06.2021 ausgesetzt, sofern Zahlungserleichterungen gemäß § 18 oder § 93 OWiG gewährt wurden oder noch gewährt werden. Durch diese finanzielle Erleichterung sollen die wirtschaftlichen Belastungen der Covid-19-Pandemie für diejenigen Unternehmen etwas abgemildert werden, die die Voraussetzungen der Gewährung von Zahlungserleichterungen gegenüber der Kartellbehörde nachgewiesen haben. Wenn einem betroffenen Unternehmen nach seinen wirtschaftlichen Verhältnissen nicht zuzumuten ist, die Geldbuße sofort zu zahlen, wird ihm nach § 18 Satz 1 OWiG gestattet, die Geldbuße in Teilbeträgen zu zahlen. In der Gesetzesbegründung wird darauf hingewiesen, dass sich die finanzielle Lage einiger Unternehmen infolge der gravierenden volkswirtschaftlichen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie so verschlechtern kann, dass eine befristete Aussetzung der Verzinsungspflicht nötig ist. Eine komplette Aussetzung der Verzinsungspflicht erfolgt nicht. Die Befristung der Aussetzung bis zum 30.06.2021 soll die zu erwartende Dauer der Covid-19-Pandemie und die Phase ihrer wirtschaftlichen Nachwirkungen abdecken.

Fazit
Die verlängerten Prüffristen sind nachvollziehbar, obwohl sie für den raschen Vollzug einer Transaktion eher hinderlich sind. Gleichwohl werden sich die negativen Folgen in der Praxis wohl in Grenzen halten. Bei größeren Transaktionen etwa, die in mehreren Ländern und Jurisdiktionen anzumelden sind, fällt diese Verlängerung selten bis nie ins Gewicht, da andere Jurisdiktionen meist ohnehin deutlich längere Fristen vorsehen und auch oft nur wenig Flexibilität in einer Verkürzung der Prüfverfahren zeigen. Im positiven Sinn könnte eine Verlängerung der Phase I auch durchaus dazu führen, ein aufwendiges Hauptprüfverfahren zu vermeiden. Andererseits kann dieses Ergebnis in der Praxis auch durch eine Rücknahme der Anmeldung und eine erneute Anmeldung erzielt werden („pull and refile“). Auch ist davon auszugehen, dass das Amt in zeitkritischen Situationen weiterhin ein hohes Maß an Flexibilität und ein hohes Tempo bei der vorzeitigen Freigabe zeigen wird, sofern die Zusammenschlüsse wettbewerbsrechtlich unproblematisch sind und wichtige Gründe für eine rasche Freigabe bestehen. Gerade auch durch die Covid-19-Pandemie befinden sich viele Unternehmen in der Krise, so dass einige Zusammenschlüsse rasch umgesetzt werden müssen. Obwohl auch viele Mitarbeiter des Bundeskartellamts während der Pandemie von zu Hause aus arbeiten, wurde diese sehr positiv hervorzuhebende Flexibilität des Amts in unproblematischen Fällen trotz der Einschränkungen durchaus aufrechterhalten. Auch in der Begründung wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Fristverlängerung lediglich die maximalen Prüffristen betrifft, flexible Abkürzungen bleiben möglich.
Die Aussetzung der Verzinsungspflicht ist sehr zu begrüßen, weil dadurch besonders betroffene Unternehmen finanziell entlastet werden können. Allerdings ist davon auszugehen, dass nur sehr wenige Unternehmen von dieser Erleichterung profitieren können. Zudem ist die Entlastung begrenzt, es geht um eine Verzinsung in Höhe von 4,12%. In der Gesetzesbegründung wird dazu ausgeführt, dass die Einschränkung der Verzinsungspflicht für kartellrechtliche Bußgelder für den Bundeshaushalt Zinsausfälle in Höhe von circa 120.000 Euro erwarten lässt. Insoweit wird davon ausgegangen, dass voraussichtlich Bußgelder aus diversen Fällen in Höhe von 2,5 Millionen Euro betroffen sein werden, was zu einem Zinsausfall von etwa 103.000 Euro führen wird. Aus einem weiteren Fall mit einem im Oktober 2020 fälligen Bußgeld in Höhe von 1,5 Millionen Euro ist ein weiterer Zinsausfall von etwa 15.000 Euro zu erwarten. Sofern die Anzahl der gewährten Zahlungserleichterungen pandemiebedingt noch steigt, wird sich der Zinsausfall entsprechend erhöhen. Insofern scheinen diese Erleichterungen eher marginaler Natur zu sein. Hilfreicher wäre etwa eine zinslose Stundung der Bußgeldzahlung gewesen, wie dies aktuell auch teilweise im Steuerrecht der Fall ist. Ob die bis zum 30.06.2021 bemessene Frist ausreichen wird, lässt sich derzeit nicht feststellen. Eventuell wird ein weiteres Gesetz nötig werden, um diese Maßnahmen zu verlängern oder zu erweitern.
Grundsätzlich ist zu befürchten, dass die wirtschaftlichen Folgen der Covid-19-Pandemie einige Marktteilnehmer über viele Jahre schwer schädigen werden. Obwohl einige Branchen von der Krise derzeit stark profitieren, werden deutliche strukturelle Änderungen in der Wirtschaft stattfinden und viele Branchen zu einer Marktbereinigung zwingen. Auch das Institut der Sanierungsfusion wird in naher Zukunft wohl eine große Rolle spielen.

Sebastian.jungermann@arnoldporter.com

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