Im Blickpunkt: Reform der Außenwirtschaftsverordnung und des Außenwirtschaftsgesetzes

Beitrag als PDF (Download)

Durch das SARS-CoV-2/Covid-19-Virus (Corona) bedingte Einschränkungen haben nicht nur unseren Alltag verändert, sondern auch die deutsche Wirtschaft erheblich beeinflusst. In diesem Zusammenhang wurde auch in der Öffentlichkeit die Prüfung von Unternehmenserwerben durch ausländische Investoren thematisiert. Es soll verhindert werden, dass unionsfremde Investoren die aktuelle Schwäche der Wirtschaft ausnutzen und unkontrolliert Beteiligungen an Unternehmen aus Schlüsselbereichen erwerben. Zudem werden im Medizin- und Gesundheitssektor tätige Unternehmen als besonders schützenswert erkannt. In diesem Zusammenhang wurde entschieden, einige Maßnahmen des geplanten umfassenden Änderungsverfahrens des Außenwirtschaftsgesetzes (AWG) und der Außenwirtschaftsverordnung (AWV) zur Anpassung der nationalen Regelungen an die europäische Verordnung 2019/452 vom 19.03.2019 zur Schaffung eines Rahmens für die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen in der Union (EU-Screening-Verordnung) vorzuziehen. Am 20.05.2020 wurde zu diesem Zweck die 15. Verordnung zur Änderung der AWV durch die Bundesregierung beschlossen. Sie wurde am 02.06.2020 im Bundesanzeiger verkündet (BAnz AT 02.06.2020 V1) und ist damit am 03.06.2020 in Kraft getreten. Die Möglichkeit der Prüfung von Unternehmenserwerben durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) ist allerdings nicht neu; es gibt bereits seit 2009 das Instrument der Investitionskontrolle, das es dem BMWi erlaubt, bestimmte Erwerbe von inländischen Unternehmen oder Beteiligungen an diesen (hier zusammenfassend als Erwerbe bezeichnet) durch unionsfremde Investoren unter Auflagen zu stellen oder gar zu verbieten (§§ 55 ff. AWV). Diese Kompetenz wurde vom BMWi auch durchaus genutzt: So wurden beispielsweise im Jahr 2019 insgesamt 106 Fälle geprüft (im Vorjahr waren es noch 78 Fälle).

Neue Fallgruppen besonders sensitiver Erwerbe

§ 55 AWV a.F. sah bereits vor der Novelle vor, dass grundsätzlich bei jedem Erwerb eines deutschen Unternehmens durch einen Unionsfremden geprüft werden kann, ob dieser die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Seit 2017 listete § 55 Abs. 1 AWV a.F. bestimmte Branchen, die als besonders sensitiv gelten, wie unter anderem Betreiber von kritischen Infrastrukturen im Sinne des BSI-Gesetzes oder Hersteller von Software für den Betrieb von Anlagen der Grundversorgung oder Krankenhäusern. Bei Erwerben von Unternehmen, die in einem gelisteten Bereich tätig sind, besteht die Prüfungskompetenz des BMWi schon, wenn der Erwerber (direkt oder indirekt) mindestens 10% der Stimmrechte im Unternehmen erwirbt, während der Schwellenwert bei einem sonstigen Unternehmen bei 25% liegt. Darüber hinaus ist der Erwerb eines Unternehmens der gelisteten Branchen dem BMWi schriftlich zu melden. Mit der Novelle werden nun weitere Unternehmen der Gesundheits- und Medizinbranche in diese Fallgruppen besonders kritischer Erwerbe aufgenommen. Dazu gehören Unternehmen, die persönliche Schutzausrüstungen, wesentliche Arzneimittel oder deren Ausgangs- und Wirkstoffe, Medizinprodukte zur Prognose oder Behandlung von Infektionskrankheiten oder In-vitro-Diagnostika herstellen oder entwickeln. Außerdem sind Unternehmen, die Dienstleistungen erbringen, die zur Sicherstellung der Störungs- und Funktionsfreiheit staatlicher Kommunikationsinfrastrukturen im Sinne des BDBOS-Gesetzes erforderlich sind, nun dort gelistet. Für alle Erwerbe von Unternehmen dieser Branchen gilt nun ebenfalls eine Meldepflicht, wenn wenigstens 10% der Stimmrechte erworben werden. In der Praxis führt die Änderung dazu, dass mehr Erwerbe dem BMWi schriftlich gemeldet werden müssen. Der Gesetzgeber geht aufgrund der neuen Fallgruppen von etwa 20 zusätzlichen Fällen pro Jahr aus, wobei bei einer signifikante Anzahl dieser Transaktionen ein umfassendes Prüfverfahren erwartet wird (Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes und anderer Gesetze vom 21.04.2020, Drucksache 19/18700, S. 3.).

Klarstellung zur Prüfung des Erwerbers

Neben dieser Neuerung enthält die Novelle der AWV auch Klarstellungen zur geltenden Rechtslage. § 55 Abs. 1b AWV n.F. statuiert nun ausdrücklich, dass insbesondere berücksichtigt werden kann, ob der Erwerber unmittelbar oder mittelbar von einer Regierung eines Drittstaates kontrolliert wird, ob er an Aktivitäten beteiligt war, die nachteilige Auswirkungen auf die öffentliche Ordnung oder Sicherheit Deutschlands oder eines EU-Mitgliedsstaates hatten, oder ob ein Risiko besteht, dass der Erwerber oder für ihn handelnde Personen an Aktivitäten beteiligt sind oder waren, die in Deutschland den Tatbestand einer Straftat nach § 123 Abs. 1 GWB oder einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit nach dem AWG oder dem Kriegswaffenkontrollgesetz (KrWaffKontrG) erfüllen würden. Selbstverständlich sind diese Aspekte aber auch in der Vergangenheit durch das BMWi bei der Prüfung von ausländischen Investitionen berücksichtigt worden. Da die Regelung für eine mögliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit unter anderem auf die Kontrolle des Erwerbers durch einen Drittstaat abstellt, sollen dem Wortlaut nach geringfügige Möglichkeiten der Einflussnahme grundsätzlich nicht besonders berücksichtigt werden. Die Regelung ist an Art. 4 Abs. 2a der EU-Screening-Verordnung angelehnt, die als kontrollbegründende Faktoren die Eigentümerstruktur oder eine beträchtliche Finanzausstattung nennt. Solche Faktoren sind auch im Rahmen der AWV-Regelung zu prüfen, es kann aber – laut der Begründung der AWV-Novelle – auch jeder andere kontrollbegründende Umstand herangezogen werden.

Klarstellung zur Prüfung von Assetdeals und zur Meldepflicht

Die Novelle wurde auch genutzt, um klarzustellen, dass auch ein„Assetdeal“, also der Erwerb von wesentlichen Betriebsmitteln oder eines abgrenzbaren Betriebsteils eines Unternehmens, die für die Aufrechterhaltung des Betriebs oder Betriebsteils erforderlich sind, als Erwerb im Sinn der AWV gilt. Dies entspricht der bisherigen Auslegung des BMWi, so dass insofern nur die geltende Rechtspraxis kodifiziert wurde. Darüber hinaus wurde die Klarstellung aufgenommen, dass der unionsfremde Erwerber oder das für den Zweck der Transaktion in der EU gegründete Erwerbsvehikel dieses Erwerbers dem BMWi den Erwerb unverzüglich nach dem Abschluss des schuldrechtlichen Vertrags melden muss.

Zukünftige Änderungen

Neben den vorgezogenen Maßnahmen zum Schutz des Medizin- und Gesundheitssektors, die durch die 15. Verordnung zur Änderung der AWV beschlossen wurden, sollen dieses Jahr noch weitere Änderungen der AWV und des AWG folgen, um Vorgaben der EU-Screening-Verordnung im nationalen Recht umzusetzen. Ein erster Entwurf der AWG-Novelle, deren Besprechung den Rahmen dieses Artikel übersteigen würde, wurde am 23.04.2020 bereits in erster Lesung im Bundestag beraten und soll – nachdem der Bundestag die abschließende Beratung zunächst von der Tagesordnung am 28.05.2020 abgesetzt hatte – am 18.06.2020 diskutiert und beschlossen werden. Danach sollen auch weitere Änderungen der AWV folgen.

Übergangsregelungen

Weder die Novelle der AWV noch der Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des AWG vom 21.04.2020 sehen ausdrückliche Regelungen für Transaktionen vor, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens zwischen Signing und Closing stehen und angesichts der neuen Schwellenwerte nunmehr zu melden wären. Es bleibt abzuwarten, ob die Frage, wie mit solchen Transaktionen umzugehen ist, noch aufgegriffen wird, oder ob zu deren Beantwortung allgemeine verwaltungs- und verfassungsrechtliche Grundsätze heranzuziehen sind.

stephan.mueller@oppenhoff.eu

mareike.heesing@oppenhoff.eu

Aktuelle Beiträge