Im Blickpunkt: Fünf Tipps für den erfolgreichen Umgang mit einer Krise

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Einleitung
Unabhängig von Friedrich Dürrenmatts Bonmot „Je planmäßiger Menschen vorgehen, desto wirksamer trifft sie der Zufall“ bleibt die Krisenkommunikation eine Erfahrungswissenschaft. Krisen lassen sich zwar nicht vorhersehen, aber vorbereiten. Dies ist das A und O der Krisenkommunikation. Sie profitiert von früheren Fehlschlägen, denn diese vermitteln die elementaren Erfahrungen für zukünftige Herausforderungen.
Unternehmen werden auf vielfältige Art und Weise mit schwierigen Situationen konfrontiert, die sich zu einer „Krise“ entwickeln können. Krisen können überraschend beginnen oder sich über eine Zeit aufbauen. Mitunter sind die eigentlichen Anlässe oder Auslöser so gering, dass sie eine Zeitlang „unter dem Radar“ bleiben und erst später eskalieren. Unternehmen sind also darauf angewiesen, auch die „Soft Signals“ im Blick zu haben. Der Vorstand eines Unternehmens darf sich nicht nur auf die Informationen verlassen, die ihm auf den Tisch gelegt werden, er hat eine klare Holschuld.
Auslöser können externer Natur sein, technische Gründe haben oder ein Naturereignis sein. So erging es der deutschen Energiewirtschaft im Frühjahr 2011, als die deutsche Politik eine Kehrtwende in ihrer Energiepolitik vollzog und den Ausstieg aus der Kernenergie beschleunigte, nachdem es im japanischen Fukushima zu einem Störfall kam. Berlin und Fukushima sind 8.750 Kilometer voneinander entfernt und waren dennoch – gefühlt – ganz nahe beieinander.

Grundsätzlich gilt: Unternehmen müssen in Krisen kommunizieren können. Wer schweigt, hat in einer medial aufgeheizten Stimmung schon verloren. Die Stakeholder des Unternehmens – Arbeitnehmer, Aktionäre, Geschäftspartner, Öffentlichkeit und Behörden – erwarten klare Antworten. Wenn mehrere Unternehmen betroffen sind, sollte die Kommunikation am besten eng abgestimmt verlaufen, denn nichts lieben Medien mehr, als die Unternehmen mit unterschiedlichen Aussagen vor sich her zu treiben. Hier ist auch die Kommunikation mit und durch die Verbände wichtig: Unternehmen, die nicht die Rückendeckung „ihres“ Verbands haben oder die in Krisenzeiten untereinander streiten, haben es besonders schwer. Und nichts verfängt in der Öffentlichkeit besser als der Hinweis, dass die Mitarbeiter eines Unternehmens ob der Nichtkommunikation des Hauses „besorgt“ seien. Die umfassende Sicherung der Reputation eines Unternehmens ist die „harte Währung“ der Krisenkommunikation.
Dies gilt in besonderem Maße für neue Risiken, die aus Cyberangriffen von außen entstehen und in letzter Zeit eine Reihe von Unternehmen vor erhebliche Probleme gestellt haben. Wenn sich Angreifer wichtige Daten aus einem Unternehmen beschaffen, sind Unternehmen wie bei Restrukturierungen, gerichtlichen Auseinandersetzungen oder bei Produkthaftungsfällen in einer besonderen Situation, für die es im konkreten Fall sowohl IT-technische Antworten wie auch ein überzeugendes Kommunikationskonzept braucht.
Natürlich sind Informationspflichten eines Unternehmens auch rechtlich normiert, vor allem wenn die Gesundheit der Allgemeinheit berührt ist, sich die Ertragslage eines Unternehmens verschlechtert oder Arbeitsplätze gefährdet sind. Gleichzeitig müssen Informationen auch in Krisenzeiten belastbar sein, ein Unternehmen darf sich nicht von den Medien treiben lassen.

Richtige Kommunikation
Im Kern geht es also um die „richtige“ Information zur „richtigen“ Zeit und die „richtige“ Interaktion mit Medien, Behörden und Öffentlichkeit.
Beispiele aus der Vergangenheit wie Volkswagen, Shell, BP, Starbucks oder Lufthansa zeigen, dass Unternehmenskrisen einen milliardenschweren Einfluss auf den Börsenwert haben können und die Reputation sowie die Glaubwürdigkeit eines Unternehmens massiv beeinflussen können. Deshalb ist eine frühe, abgestimmte und konsistente Kommunikation in der Krise besonders wichtig. Dafür sind die folgenden fünf Guidelines maßgebend:

Auf einen vorhandenen Krisenstab setzen
Unternehmen müssen im Vorfeld klären, wer Teil des Krisenstabs ist und wie dieser – bei größeren Unternehmen – kaskadenartig mit den entsprechenden Teams der Tochtergesellschaften ineinandergreift. In der Krise darf hier keine Zeit verlorengehen. Gefragt sind eingespielte Teams, die regelmäßig Krisen miteinander durchgespielt und „geübt“ haben. Idealerweise entstehen dadurch standardisierte, definierte Prozessschritte, auf die im Krisenfall immer wieder schnell zurückgegriffen werden kann, um schnellstmöglich zu reagieren. Hierbei sind die immer enger gezogenen Grenzen dessen, was im konkreten Fall aus Rechts- und Compliancesicht kommuniziert werden kann, von erheblicher Bedeutung. Der Chefjustitiar ist ein geborenes Mitglied jedes Krisenstabs. Internationale Unternehmen verwenden häufig einige Tage pro Jahr für das Training der Krisenstäbe auf mögliche Schadensszenarien. Krisenkommunikationspläne lassen sich vorbereiten und Ablaufpläne verbindlich regeln. Dies ist gut investierte Zeit. Analog zu Warren Buffets „Bei Ebbe sieht man, wer ohne Hose zur Party erschienen ist“ zeigt sich in der Krise der Wert der „einfachen“ Hausaufgaben wie der der Liste der „richtigen“ Ansprechpartner bei Aufsichtsbehörden, im Unternehmen und in der Öffentlichkeit.

Verantwortlichkeiten klar zuweisen
Jeder Krisenstab braucht eine(n) Hauptverantwortliche(n). Dieser Krisenmanager – oder diese Krisenmanagerin – muss Durchgriffsrechte haben und die Möglichkeit, auch relevante Informationen von Tochter- und Enkelgesellschaften schnellstmöglich einzufordern. Firmeninterne Warteschleifen können Risiken erheblich vergrößern. Der Fall „Brent Spar“ ist ein Musterbeispiel dafür, wie in der Gemengelage zwischen operativen Einzelunternehmen eines weitverzweigten internationalen Konzerns vermeintliche Widersprüche in der Kommunikation des Gesamtkonzerns entstanden sind, die das Unternehmen Royal Dutch Shell massiv Geld und Wertschätzung in der Öffentlichkeit gekostet haben. Gleiches gilt für „Deepwater Horizon“ bei BP. Deshalb sollten die Verantwortlichkeiten für einzelne definierte Prozessschritte schon vor einer möglichen Krise feststehen und nicht erst, wenn diese bereits große Wellen schlägt.

Eine One-Voice-Strategie implementieren
Krisenstäbe brauchen einen Sprecher, denn Unternehmen müssen mit einer Stimme und einem „Gesicht“ nach außen – aber auch nach innen – kommunizieren. Widersprüche in der Kommunikation einzelner Organe eines Unternehmens werden sofort wahrgenommen und gegen das Unternehmen gewendet. VW musste im Dieselskandal verschiedene „Häutungen“ durchleben, nachdem der Aufsichtsrat im ersten Schritt dem damaligen Konzernchef Winterkorn noch einen Vertrauensvorschuss gab – nur um ihn dann am kommenden Tag abzusetzen. Gleichzeitig muss man Vorkehrungen treffen, wer im Ernstfall – zum Beispiel bei einem technischen Versagen – als Third Party Rückendeckung geben kann. Unternehmen im Feuer brauchen Support von außen. Je stärker erklärungspflichtig der Sachverhalt ist, umso mehr muss auf der Unternehmenshomepage und in der internen Kommunikation Platz gemacht werden für die Erklärung der Krise. Wer aufklärt, wird besser verstanden – von Kunden, Mitarbeitern, Aktionären und der Öffentlichkeit. Und grundsätzlich gilt: Nichts wirkt besser gegen Mythen und Gerüchte als klare und nachvollziehbare Fakten. Sie sind meist der „Game-Changer“ in einer Krise.

Transparent und ehrlich handeln, Fehler eingestehen
Unternehmen werden Fehler zugestanden. Dies setzt voraus, dass das Unternehmen transparent und offen zugibt, was schlecht gelaufen ist und wie sich Fehler abstellen und wieder gutmachen lassen. Nur so lassen sich Gerüchte über vermeintlich weitere Schäden entkräften. Medien lieben diese „Never ending Stories“ mit „Cliffhangern“ wie bei einer Netflix-Serie. Das zu unterbinden muss zentrales Anliegen sein. Starbucks hat gezeigt, wie einer aufgeheizten öffentlichen Stimmung in den sozialen Medien wirksam durch eine erklärende Position, die nichts verharmlost, aber dennoch der Kritik die Spitze nimmt, rechtzeitig begegnet werden kann. Im konkreten Fall ging es um die vermeintliche Benachteiligung eines Kunden aufgrund der Hautfarbe. Starbucks’ Reaktion zeigte, dass man die Kritik ernst nahm und mit Aufklärungsarbeit sowohl die Öffentlichkeit beruhigen als auch den beschuldigten Mitarbeiter aus dem Schussfeld nehmen konnte.

Ruhe bewahren
Krisen bedeuten Stress und Anspannung. Das muss man selbst erlebt haben, um es beurteilen zu können. Die Öffentlichkeit und mitunter auch die Belegschaft reagieren emotionaler als sonst. Das gilt es in der Kommunikation zu berücksichtigen: keine Wunden aufreißen, sachlich kommunizieren und dennoch ehrlich und authentisch die wirklichen Fragen ansprechen. Vor allem darf man sich nicht treiben lassen und muss den Takt der Kommunikation möglichst selbst bestimmen. Ein Musterbeispiel für eine offene, ehrliche und „ruhige“ Kommunikation unter schwerstem psychischem Druck ist die Aufklärung, die Lufthansa nach dem Absturz der Eurowings-Maschine 2015 betrieb.

Fazit
Abschließend: Gute Krisenkommunikation ist vor allem eins: Teamwork. Einzelkämpfer haben keinen Platz. Friedrich Dürrenmatt hat es in den „Physikern“ wie folgt formuliert: „Jeder Versuch eines Einzelnen, für sich zu lösen, was alle angeht, muss scheitern“.

volker.heck@deekeling-arndt.com

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