Aus der Praxis für die Praxis

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Als Inhouse-Arbeitsrechtler in einem pharmazeutischen Konzern mit einem globalen Footprint sind wir Teil von People & Culture und arbeiten mit vielen internen Schnittstellen zusammen. Gerne teilen wir unsere Einblicke in arbeitsrechtliche Trends:

① Arbeitszeiterfassung – quo vadis?

Seit 2019 wartet die Arbeitsrechtswelt gespannt auf einen Gesetzentwurf, der Klarheit schafft, ob und – wenn ja – welche Arbeitszeit zu erfassen ist, wessen Aufgabe das ist und in welcher Form die Erfassung zu erfolgen hat. Seitdem ist deutschen Arbeitsrechtlern jedenfalls nicht langweilig geworden, die erfolgte Rechtsprechung auszulegen. Zumindest gab das BAG ja noch den freundlichen Hinweis, dass bei der Erarbeitung eines Gesetzentwurfs auch ein Blick ins Arbeitsschutzgesetz hilfreich sei. So sind wir Arbeitsrechtler eben: vorausdenkend und pragmatisch.

② Predictive Analytics – Tech-Trends bringen die IT-Mitbestimmung an ihre Grenzen

IT-Mitbestimmung ist ja schon lange nichts Neues, und der den Arbeitgeber beratende Jurist hat sich damit abgefunden, dass die Rechtsprechung die Mitbestimmung über den Wortlaut des Gesetzes hinaus auslegt. Prozesse sind etabliert, und größere Unternehmen haben E-Workflows eingerichtet, damit sie der Masse an Einreichungen überhaupt noch hinterherkommen. Das nächste Level in diesem Themengebiet steht an und nennt sich Predictive Analytics. Das Synchronisieren von Daten und das Verknüpfen ihrer Aussagen, um daraus Thesen für die Zukunft abzuleiten, bietet genügend Gelegenheit für Betriebsräte, Datenschützer, HR-Data-Analysten und Arbeitsrechtler, um all diese die nächsten zehn Jahre zu beschäftigen. Die Hoffnung: die Antworten von übermorgen auf die Fragen von morgen finden.

③ Arbeits- und Fachkräftemangel – von der Transformation zur Evolution

Das ist zwar kein unmittelbares arbeitsrechtliches Thema, und doch kann man hier mit kreativen arbeitsrechtlichen Ansätzen Erleichterungen bewirken. Berührungspunkte könnte es geben mit einem flexiblem und unternehmensübergreifendem Personaleinsatz, ferner mit der Ausgestaltung von Benefits auch für befristet Beschäftigte, dem Einsatz von Recruitingtools unter Nutzung künstlicher Intelligenz und mit einer am Bewerber ausgerichteten Flexibilisierung der zeitlichen und örtlichen Bedingungen des Arbeitsverhältnisses. Da wir längst nicht mehr nur über einen Fachkräftemangel, sondern inzwischen in einigen Branchen auch bereits über einen Arbeitskräftemangel sprechen, wird ein Umdenken erforderlich werden. Personalabbau war gestern, Transformation ist heute, morgen wird es um die Evolution der Belegschaft entlang der – sich stetig verändernden – Anforderungen an Arbeitsplätze gehen.

④ New Work im „New Normal“

New-Work-Konzepte haben seit Pandemiebeginn einen regelrechten Boom erlebt. Längst geht es nicht mehr nur um die Ausgestaltung von Büroarbeitsflächen wie zum Beispiel beim Activity-based-Working und Desk-Sharing sowie um die technische Unterstützung von hybriden Meetings. Inzwischen hat die Ortsflexibilisierung für (künftige) Mitarbeitende mehr Bedeutung gewonnen, da der Wunsch nach Vereinbarkeit der Lebensbereiche, nach Autonomie und Flexibilität zugenommen hat. Dabei wird auch künftig die arbeitsrechtliche Ausgestaltung, sei es auf individueller oder auf kollektiver Ebene, mehr Bedeutung gewinnen. Hoffen wir, dass die gesetzlichen Rahmenbedingungen weiterhin den Gestaltungsspielraum auf betrieblicher und tariflicher Ebene erlauben, dass ferner klare Abgrenzungskriterien zu anderen Arbeitstätigkeiten außerhalb der betrieblichen Arbeitsstätte definiert werden und dass das Prinzip der doppelten Freiwilligkeit im Rahmen des Direktionsrechts erhalten bleibt.

⑤ Elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung – stolpernd in die Digitalisierung

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist Zeit, Abmahnungstemplates zu überarbeiten. Auch in der Welt der elektronischen Krankmeldung sind Anzeige- und Nachweispflicht weiterhin ein Thema und voneinander zu trennen – so weit, so gut. Wie der Mitarbeiter aber seinen jeweiligen Pflichten nachkommt, und was eigentlich passiert, wenn die Daten falsch übermittelt worden und deshalb nicht auffindbar sind, das sind ganz neue Fragestellungen, denen wir uns in diesem Jahr stellen dürfen.

 

adrienne.ekopf@roche.com

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