Einführung
Diversen Politikern war es ein Dorn im Auge, dass vordergründig Immobilienunternehmen Grunderwerbsteuer bei der Übertragung von großvolumigen Immobilien oder gar Immobilienportfolios vermeiden können, während Privatpersonen bei dem Kauf einer Eigentumswohnung ohne Gestaltungsmöglichkeiten vollumfänglich Grunderwerbsteuer zahlen müssen, die je nach Bundesland zwischen 3,5% und 6,5% betragen kann. Dass eine Grunderwerbsteuervermeidung auch anderweitige positive Folgen haben kann, indem etwa der Aspekt der möglichen „Abwälzung“ einer Grunderwerbsteuerbelastung auf Mieter von vornherein nicht virulent wird, stand bei den politischen Erwägungen nicht im Vordergrund.
Grundgedanke der legalen Grunderwerbsteuerminimierung ist dabei, dass nicht die Immobilien selbst, sondern Gesellschaftsanteile an grundbesitzenden Gesellschaften in einem bestimmten Quantum übertragen werden.
Vollumfänglich grunderwerbsteuerfrei möglich ist dies bislang zum Beispiel über einen sogenannten GmbH-Clubdeal: Der Verkäufer überträgt 100% der Anteile an einer grundbesitzenden GmbH an einen „Club“ von
Investoren, nämlich gleichzeitig 94,9% an Käufer 1 und die übrigen 5,1% an einen (von Käufer 1 unabhängigen) Käufer 2.
Eine andere Gestaltung erfolgt als sogenannter gestreckter KG-Sharedeal. Der Verkäufer überträgt zunächst 94,9% der Anteile an einer grundbesitzenden GmbH & Co. KG auf den Käufer. Nach dem Ablauf von fünf Jahren werden die übrigen 5,1% der Anteile übertragen. Die Position des Käufers für die Zwischenzeit wird dann oft über eine sogenannte Call-Option abgesichert (Recht des Käufers zum Ankauf der restlichen 5,1% nach Ablauf der fünf Jahre), wobei die Beteiligung des Minderheitsgesellschafters nicht wirtschaftlich ausgehöhlt werden darf. Die Grunderwerbsteuer entsteht dann nur in Bezug auf die Übertragung der 5,1% der Anteile, zu 94,9% ist also die Gesamttransaktion grunderwerbsteuerfrei.
Derartige Strukturen zur Vermeidung der Grunderwerbsteuer werden nunmehr künftig deutlich erschwert, denn der Bundestag hat am 21.04.2021 eine entsprechende Gesetzesänderung beschlossen, und der Bundesrat hat dieser am 07.05.2021 zugestimmt.
Bisherige Rechtslage
Das Gesetz sieht bei Sharedeals bisher im Kern drei Tatbestände der Entstehung der Steuer vor:
(1) An einer Personengesellschaft, zum Beispiel einer GmbH & Co. KG, gehen innerhalb von fünf Jahren mindestens 95% der Anteile („Erwerbschwelle“) von Altgesellschaftern auf Neugesellschafter über („Personengesellschaftsregel“).
(2) Mindestens 95% der Anteile an einer Kapital- oder Personengesellschaft vereinigen sich rechtlich „in einer Hand“ („zivilrechtliche Anteilsvereinigung“).
(3) An einer Kapital- oder Personengesellschaft werden mindestens 95% der wirtschaftlichen Beteiligung in „einer Hand“ vereinigt („wirtschaftliche Anteilsvereinigung“).
In dem oben skizzierten Beispiel des Clubdeals fällt mithin keine Grunderwerbsteuer an, da die Personengesellschaftsregel bei einer GmbH als grundbesitzender Gesellschaft nicht anwendbar ist, denn diese ist keine Personengesellschaft. Da weder Käufer 1 noch Käufer 2 die Erwerbsschwelle von 95% für eine zivilrechtliche oder wirtschaftliche Anteilsvereinigung erhalten, ist letztlich keiner der Tatbestände verwirklicht und der Clubdeal grunderwerbsteuerfrei.
Im Beispiel des gestreckten KG-Sharedeals fällt zunächst keine Grunderwerbsteuer an, da nicht zumindest 95% der Anteile übergehen. Nach fünf Jahren kommt es zwar zur Anteilsvereinigung mit 100%, allerdings profitiert der Käufer dann zu 94,9% von einer besonderen Befreiungsvorschrift für Altgesellschafter einer Personengesellschaft.
Wesentliche Änderungen
Die Reform sieht insbesondere folgende Änderungen vor:
• Die Erwerbsschwellen bei allen Sharedealtatbeständen werden von 95% auf 90% reduziert.
• Grunderwerbsteuerliche Fristen, wie etwa bei der obengenannten Personengesellschaftsregel, werden von fünf auf zehn (zum Teil sogar auf 15, insbesondere bezüglich des gestreckten KG-Sharedeals) Jahre verlängert. Die neuen Fristen gelten auch für Altfälle, wodurch insbesondere gestreckte Sharedeals ab dem 01.07.2016 betroffen sein können. Clubdeals sind aber in der Regel nicht betroffen.
• Analog zu der obengenannten Personengesellschaftsregel wird auch eine Kapitalgesellschaftsregel eingeführt: Danach wird Grunderwerbsteuer ausgelöst, wenn innerhalb von zehn Jahren mindestens 90% der Anteile an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft auf neue Gesellschafter übergehen. Für börsennotierte Unternehmen gilt dies unter bestimmten Umständen jedoch nicht.
Diese Änderungen sollen grundsätzlich zum 01.07.2021 in Kraft treten.
Unter neuem Recht wäre dann ein Clubdeal der obengenannten Art deutlich erschwert, aber mit entsprechender zeitlicher Streckung etwa wie folgt noch grunderwerbsteuerfrei möglich: Der Verkäufer überträgt 89,9% der Anteile an einer grundbesitzenden GmbH zum 01.10.2021 an Käufer 1 und die übrigen 10,1% zum 01.11.2031 an
Käufer 2.
Auch die Variante des gestreckten KG-Sharedeals bleibt grundsätzlich weiter möglich. Hierfür müssen künftig 10,1% der Anteile für 15 Jahre beim Verkäufer verbleiben (mit möglicher Grunderwerbsteuerreduktion auf 10,1%), wenn der Käufer letztlich zu 100% beteiligt sein soll (alternativ könnten 10,1% bereits nach zehn Jahren grunderwerbsteuerfrei an einen Dritten übertragen werden). Die Gestaltung kommt also insbesondere in Fällen in Betracht, in denen auch Raum für eine langfristige Projektpartnerschaft mit dem Verkäufer besteht. In allen anderen Fällen sollte anhand wirtschaftlicher Faktoren genau analysiert werden, ob sich eine Vermeidung lohnt oder ob die finanziellen Nachteile der verminderten Beteiligung nicht überwiegen. Gerade bei großvolumigen Transaktionen überwiegen aber häufig noch die Vorteile.
Verbleibende Gestaltungsspielräume
Wem es bis 30.06.2021 gelingt, eine Immobilientransaktion als Sharedeal vollständig durchzuführen, kann noch von den alten Erwerbsschwellen profitieren. Schnelligkeit kann sich insofern auszahlen, jedoch sollte eine sorgfältige steuerliche und rechtliche Prüfung stets gewährleistet bleiben, denn es drohen auch Risiken.
Immobiliensharedeals können im Übrigen je nach Einzelfall auch ohne eine Befreiung von der Grunderwerbsteuer weiterhin rentabel sein. Selbst wenn die Steuer dem Grunde nach entsteht, ist bei dieser nicht der Kaufpreis Grundlage für die Bemessung der Steuer, sondern diese berechnet sich anhand der steuerlichen Bedarfswerte für die Immobilie. Diese typisierten Werte sind nicht identisch mit dem Verkehrswert oder Werten nach der Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV), und es ergeben sich häufig niedrigere Werte. Sie sind daher gegebenenfalls im Einzelfall deutlich attraktiver als die tatsächlich gezahlten Kaufpreise im Assetdeal und führen dann zu einer niedrigeren Steuer.
Bei besonders großvolumigen Transaktionen kann auch der sogenannte Unit-Deal lohnenswert sein, bei dem unter bestimmten Umständen selbst bei Übertragung von 100% der Anteilsscheine an einem offenen Immobilienfonds keine Grunderwerbsteuer ausgelöst wird. Je nach Voraussetzungen des Einzelfalls kann auch das sogenannte Stiftungsmodell vorteilhaft sein, bei welchem ein Anteil längerfristig von einer Stiftung gehalten wird und eine Entstehung der Grunderwerbsteuer durch die Stiftung als „RETT-Blocker (Grunderwerbsteuerblocker)“ vermieden werden kann.
Fazit
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass auch die neue Rechtslage zahlreiche Chancen zur Vermeidung der Grunderwerbsteuer offenhält. Es bestehen aber auch Risiken, teilweise sogar für Altfälle. Eine genaue Überprüfung der Möglichkeiten von Immobilientransaktionen im Wege des Sharedeals im Einzelfall rückt noch stärker als bisher in den Vordergrund.
Zudem bleibt abzuwarten, ob die Reform selbst Korrekturen erfährt. Führende Wirtschaftsverbände wie der Zentrale Immobilienausschuss kritisieren zu Recht insbesondere die fehlende Anwendungsbreite der grundsätzlich zu begrüßenden Börsenklausel, die dem Grunde nach Anteilsübertragungen an börsennotierten Unternehmen von der Grunderwerbsteuerbarkeit ausnimmt. Diese Börsenklausel ist aber leider einer Überwachung durch die Finanzverwaltung unzugänglich und klammert vom Börsenbegriff her viele Handelsplätze außerhalb der Europäischen Union aus. Auch gilt diese Börsenklausel beispielsweise nur für die Personengesellschafts- und die Kapitalgesellschaftsregel, nicht aber für die zivilrechtliche und die wirtschaftliche Anteilsvereinigung in einer Hand. Daher steht es derzeit zu befürchten, dass die Verschaffung der Mehrheit der für einen Squeeze-out erforderlichen Stimmrechte an einer Aktiengesellschaft (in Deutschland 95%, in Österreich und im Vereinigten Königreich 90%) in „einer Hand“ zur Entstehung von Grunderwerbsteuer für den gesamten inländischen Grundbesitz führt.
Insofern bliebt zu hoffen, dass durch die Rechtsprechung und gegebenenfalls den Gesetzgeber Korrekturen zugunsten der Steuerpflichtigen erfolgen, auch um verfassungsrechtlichen Bedenken Rechnung zu tragen. Zu der Handhabung durch die Finanzverwaltung wäre ein zeitnaher gemeinsamer Erlass der obersten Finanzbehörden der Länder hilfreich, der Auslegungsfragen aus behördlicher Sicht verbindlich, konkret und mit Augenmaß regelt. Bis dahin sollte bei einer Gestaltung mit besonderer Vorsicht vorgegangen werden, um die verbleibenden Gestaltungsspielräume optimal zu nutzen. Denn bei Grunderwerbsteuersätzen von bis zu 6,5% und Berücksichtigung weiterer steuerlicher Aspekte (etwa keine Abzugsfähigkeit der Grunderwerbsteuer als Betriebsausgabe bei einem Assetdeal) kann die Minimierung der Grunderwerbsteuer immer noch wirtschaftlich sehr attraktiv sein.