Seit dem 01.07.2020 besteht (ungeachtet der auch für Deutschland zu erwartenden Verschiebung des Zeitpunkts der ersten Meldung) die Mitteilungspflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungen (DAC 6). Danach sind insbesondere die sogenannten Intermediäre verpflichtet, bestimmte von ihnen konzipierte, zur Umsetzung bereitgestellte oder verwaltete grenzüberschreitende Steuergestaltungen dem Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) mitzuteilen.
Mitteilungspflichtige Intermediäre können grundsätzlich insbesondere steuerliche und rechtliche Berater des Steuerpflichtigen sein. Diese Mitteilungspflicht kann Rechts- und Steuerberatungskanzleien vor erhebliche Schwierigkeiten stellen. Der neue Entwurf des BMF-Schreibens aus Juni 2020 konkretisiert erfreulicherweise die Mitteilungspflicht insbesondere für Anwaltskanzleien, wodurch der Umgang mit dieser Mitteilungspflicht erleichtert werden dürfte.
Gesetzeslage
Nach § 138d Abs. 1 Abgabenordnung (AO) hat, „wer eine grenzüberschreitende Steuergestaltung […] vermarktet, für Dritte konzipiert, organisiert oder zur Nutzung bereitstellt oder ihre Umsetzung durch Dritte verwaltet (Intermediär), […] die grenzüberschreitende Steuergestaltung dem Bundeszentralamt für Steuern […] mitzuteilen.“ Damit ist festgeschrieben, dass die primäre Mitteilungspflicht dem sogenannten Intermediär und nur subsidiär und in bestimmten Fällen dem Nutzer der Steuergestaltung die Mitteilungspflicht obliegt.
Zur detaillierten Beantwortung der Frage, wann eine mitteilungspflichtige Steuergestaltung vorliegt, verweisen wir auf den Beitrag von Fabry/Duderstadt, Deutscher AnwaltSpiegel 05/2020, Seite 3 ff., siehe hier. An dieser Stelle reicht ein Hinweis darauf aus, dass das Verständnis einer solchen Steuergestaltung aus Sicht des Gesetzgebers und der Verwaltung sehr weitreichend ist, so dass insbesondere unternehmensinterne (gesellschaftsrechtliche) Umstrukturierungen, der Erwerb und Verkauf von Gesellschaften und Vermögensgegenständen und Ähnliches grundsätzlich zu einer Mitteilungspflicht führen können.
Dies bedeutet, dass rechtliche und steuerliche Berater, die mit Blick auf diese (mitteilungspflichtigen) Vorgänge beratend tätig geworden sind, grundsätzlich als Intermediäre eingestuft werden müssen und ihnen damit die Mitteilungspflicht für diesen Vorgang obliegt.
„Konzipieren“ meint nach den Vorstellungen des Gesetzgebers dabei das Planen, Entwerfen oder Entwickeln einer konkreten Steuergestaltung. „Vermarktet“ wird eine Steuergestaltung, sobald sie auf den Markt gebracht und dort gegenüber Dritten angeboten wird. „Zur Nutzung bereitstellen“ bedeutet, dass der Intermediär einem potentiellen Nutzer die für die Umsetzung einer Steuergestaltung erforderlichen Informationen oder (Vertrags-)Unterlagen ausgehändigt oder anderweitig individuell zugänglich gemacht hat. „Organisieren“ umfasst die systematische Vorbereitung und Planung der Steuergestaltung, das Bereitstellen zur Nutzung und das Zurverfügungstellen für eine konkrete Verwendung.
Eindeutig ist dies für Vorgänge, die von einem Berater steuerlich optimiert wurden, etwa indem er, steuerlich motiviert, eine besondere Vorgehensweise oder eine gesellschaftsrechtliche Struktur zur Umsetzung empfiehlt. In diesem Fall bestehen keine Zweifel daran, dass dieser Berater die Steuergestaltung konzipiert hat und ihm als Intermediär die Mitteilungspflicht obliegt. Schwieriger zu beurteilen sind hingegen solche Konstellationen, in denen a) ein (steuerlicher) Berater das Konzept steueroptimiert vorbereitet und die Umsetzung durch einen anderen Berater erfolgt, und wenn b) die steuerliche Optimierung durch den Steuerpflichtigen erarbeitet und durch den Berater lediglich gesellschaftsrechtlich umgesetzt wird.
In der Praxis von Anwaltskanzleien kommt es regelmäßig vor, dass Mandanten bei der Erarbeitung und Umsetzung von Vorgängen, etwa beim Erwerb einer Gesellschaft, unterschiedliche Kanzleien für verschiedene Aufgabengebiete mandatieren, zum Beispiel, weil diese über eine besondere Expertise auf einem bestimmten Rechtsgebiet verfügen.
So wird das steuerliche Konzept etwa von einer Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft A erarbeitet, die dazu erforderlichen Verträge stammen von der Anwaltskanzlei B, die erforderlichen internen gesellschaftsrechtlichen Beschlüsse von der Kanzlei C, und für besondere branchenspezifische Fragestellungen im Rahmen des Vorgangs wird eine Boutiquekanzlei D hinzugezogen.
Diese Arbeitsteilung zwischen den verschiedenen Beratern führt dazu, dass die beteiligten Berater in der Regel nur den für sie relevanten Teil des Vorgangs kennen, nicht jedoch das volle Bild. Insbesondere sind den nichtsteuerlichen Beratern in der Regel die steuerlichen Erwägungen, die hinter der Umgestaltung oder der gewählten Ausgestaltung/Durchführung stehen, nicht bekannt. Auch können diese steuerlichen Themen von einem nicht auf Steuerrecht spezialisierten Berater häufig nicht überblickt werden.
Daher können die nicht mit den steuerrechtlichen Themen befassten Berater in der Regel nicht beurteilen, ob eine DAC-6-Mitteilungspflicht für den Vorgang besteht. Müssten auch die an einer Transaktion beteiligten nichtsteuerlichen Berater als Intermediäre angesehen werden, so würde dies zu erheblichen Problemen bei der kanzleiinternen Aufarbeitung dieser Vorgänge sowie der Erstellung der Mitteilung führen: Zur Feststellung, ob eine Mitteilungspflicht ihrerseits besteht, wäre die nicht mit der steuerrechtlichen Gestaltung der Transaktion befasste Kanzlei selbst gezwungen, die betreffende Transaktion steuerrechtlich vollumfänglich zu prüfen. Das kann zumindest in der Theorie bei Großkanzleien, die in der Regel über Steuerrechtsspezialisten verfügen, funktionieren, nicht jedoch bei kleinen Kanzleien oder Boutiquen ohne Steuerexperten. Diese wären gehalten, diese Prüfung für nicht unerhebliches Honorar an externe Steuerberater zu vergeben. Aber auch bei Großkanzleien verfügen die mit dem Mandat befassten nichtsteuerrechtlichen Berater in der Regel nicht über die für eine steuerliche Analyse erforderlichen Informationen, so dass diese zunächst häufig mühsam von den Mandanten oder weiteren Beratern erfragt werden müssten. Selbst beim Vorliegen der Informationen müssten die Steuerexperten die Steuergestaltung dann steuerrechtlich vollständig durchdringen und analysieren. Dazu müsste die Kanzlei letztlich ein eigenes steuerliches Gutachten zu dem Mandat erstellen, wobei dieses nicht nur eine Prüfung nach deutschem Steuerrecht, sondern auch eine nach dem Steuerrecht der anderen beteiligten Mitgliedsstaaten umfassen müsste, da es nach deutschem Recht ausreicht, wenn ein Steuervorteil aus der Gestaltung in einem anderen Staat eintritt. Eine solche Beurteilung bindet erhebliche Kapazitäten im Steuerteam, die für die eigentliche Mandatsarbeit nicht mehr zur Verfügung stehen.
Daher wäre es begrüßenswert, wenn die Intermediärseigenschaft und damit im Ergebnis die Mitteilungspflicht auf die Berater beschränkt würden, die den Steuerpflichtigen bei der mitteilungspflichtigen Steuergestaltung tatsächlich steuerlich beraten haben.
Entwurf des BMF-Schreibens (Juni 2020)
Während die früheren Entwürfe des BMF-Schreibens zu DAC 6 aus Januar und März 2020 keine dahingehende Klarstellung vorgenommen haben, geht der aktualisierte Entwurf aus Juni 2020 nunmehr in eine entsprechende Richtung.
So soll nach Rz. 48 des Entwurfs jemand nicht als Intermediär angesehen werden, dem
„die steuerliche Bedeutung des Schaffensprozesses nicht bewusst ist, z.B. weil er lediglich eingesetzt wird, den in der Gestaltung vorgesehenen Betriebsübergang arbeitsrechtlich zu begleiten oder er für Umsetzungsfragen etwa des Gesellschaftsrechts oder des Kapitalmarktrechts eingeschaltet wird.“
Zudem soll auch eine Person, die
„nicht wusste, dass für den Nutzer oder einen potentiellen Nutzer einer der Hauptvorteile die Erzielung eines steuerlichen Vorteils i.S.d. § 138d Abs. 3 AO ist, und keine objektiven Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass dies der Fall ist“,
kein Intermediär sein.
Zur Beurteilung sind dabei
„alle vorliegenden relevanten Fakten, d.h. alle Sachverhaltsinformationen, die für die rechtliche Beurteilung der Steuergestaltung und die Prüfung einer Mitteilungspflicht erforderlich sind, sowie das einschlägige Fachwissen und Verständnis, das für die Erbringung der Beratungsleistung erforderlich ist, zu berücksichtigen.“
Weitergehende Ermittlungen des Beraters sind nach Auffassung der Finanzverwaltung jedoch nicht erforderlich. Darüber hinaus soll die Intermediärseigenschaft auch dann nicht gegeben sein, wenn der Berater lediglich an der Verwirklichung einzelner Teilschritte einer grenzüberschreitenden Steuergestaltung mitgewirkt hat.
Ferner wird im überarbeiteten Entwurf des BMF-Schreibens klargestellt, dass unter Konzipieren der Steuergestaltung nicht
„die bloße Beurteilung einer vom Nutzer oder von einem Dritten geplanten, entworfenen oder entwickelten steuerlichen Konzeption (z.B. Erstellung von Gutachten allein zu den steuerrechtlichen Rechtsfolgen einer vorgegebenen Gestaltung)“
zu verstehen ist.
Gleiches gelte auch
„für die bloße Wiedergabe oder Darstellung des Gesetzeswortlauts, der Auffassung der Finanzverwaltung, der Rechtsprechung der (Finanz-)Gerichte etc. zu abstrakten einzelnen Rechtsfragen“ (Rz. 55).
Auch
„die Beratung zum Bestehen oder Nichtbestehen einer Mitteilungspflicht für eine vom Nutzer oder einem Dritten konzipierte Steuergestaltung erfüllt nicht den Tatbestand des Konzipierens i.S.d. § 138d Abs. 1 AO“ (Rz. 56).
Die Finanzverwaltung stellt bei dem Merkmal „Organisieren der Steuergestaltung“ insbesondere auf administrative Aspekte ab. Das Organisieren beinhalte insbesondere die „umfassende und systematische Vorbereitung und Planung einer möglichen Umsetzung der Steuergestaltung in Bezug auf einen bestimmten Nutzer oder eine Mehrzahl von Nutzern bis hin zur Bereitstellung zur Nutzung“ (Rz. 57).
Das bloße Präsentieren möglicher Gestaltungsvarianten, etwa im Rahmen eines Mandantengesprächs oder eines Pitchs, soll für die Intermediärseigenschaft nicht ausreichen, es sei denn, der Mandant wird dadurch bereits in die Lage versetzt, die konkrete Steuergestaltung zu nutzen.
Konsequenzen für Anwaltskanzleien
Nach unserem Verständnis des aktuellen Entwurfs des BMF-Schreibens unterliegen daher solche Berater/Kanzleien nicht der Mitteilungspflicht, die im konkreten Mandat
- die steuerlichen Auswirkungen der von ihnen beratenen Struktur nicht überblicken, insbesondere da die Kanzlei nicht in die steuerliche Strukturierung des Vorgangs eingebunden ist oder aufgrund einer anderen fachlichen Ausrichtung die erforderliche steuerliche Expertise insoweit nicht besitzt,
- die Transaktion nur in Teilen und in Bezug auf andere Rechtsgebiete als das Steuerrecht beraten,
- nur eine steuerrechtliche Second Opinion zu einer bereits konzipierten Steuergestaltung erarbeiten (ohne selbst Gestaltungs-/Optimierungsvorschläge zu geben),
- nur einen Sachverhalt auf seine steuerlichen Folgen hin beurteilen oder
- Antworten zu allgemeinen steuerlichen Fragestellungen geben.
So sollte bei einem arbeitsteiligen Mandat, das durch verschiedene Kanzleien betreut wird – bestes Beispiel hierfür ist eine klassische M&A-Transaktion –, nur die Kanzlei als Intermediär einzustufen sein, die die steuerliche Struktur des Mandats (hier: der M&A-Transaktion) entwickelt hat. Im eingangs beschriebenen Beispiel wäre danach also nur die Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft A als Intermediär anzusehen, sollte es sich bei der Transaktion um eine mitteilungspflichtige Steuergestaltung handeln. Die anderen beteiligten Kanzleien wären daher auch nicht in der Mitteilung von A an das Bundeszentralamt für Steuern zu erwähnen.
In Fällen, in denen die steuerliche Struktur vom Mandanten vorgegeben wird (Inhouse-Gestaltung), würde dieses Verständnis der Intermediärseigenschaft dazu führen, dass – ungeachtet der Einbindung eines rechtlichen Beraters in die Transaktion – aufgrund des Umstands, dass die steuerliche Gestaltung durch den Mandanten selbst konzipiert wurde, kein mitteilungspflichtiger Intermediär gegeben ist. Vielmehr obliegt die Mitteilungspflicht in einer solchen Konstellation dem Mandanten als Nutzer der von ihm entwickelten Steuergestaltung selbst. Soweit der Mandant nicht selbst Nutzer der von ihm selbst entwickelten Steuerstruktur ist, sondern diese etwa für eine andere Konzerngesellschaft als Nutzer entwickelt, wäre der Mandant wiederum selbst als Intermediär anzusehen mit der sich daraus ergebenden Mitteilungspflicht.
Allerdings gibt es auch bei einem solchen engen Verständnis des Intermediärbegriffs nach wie vor Beratungstätigkeiten von Kanzleien, bei denen – auch nach Maßgabe des aktuellen Entwurfs des BMF-Schreibens – derzeit nicht abschließend bestimmt werden kann, ob diese eine Mitteilungspflicht der Kanzlei begründen. So stellt sich zum Beispiel die Frage, ob eine Kanzlei, die eine Steuerklausel für einen M&A-Vertrag entwirft, nicht auch im Rahmen des Mandats steuergestalterisch tätig wird. So können über die Steuerklausel steuerliche Rechte und Pflichten der Vertragsparteien mit steuerlicher Wirkung gestaltet werden. Wir vertreten insoweit die Auffassung, dass der Entwurf einer „klassischen“ Steuerklausel für sich genommen nicht zu einer Mitteilungspflicht der insoweit steuerlich beratenden Kanzlei führen sollte. Die Steuerklausel ist Teil des Vertrags. Dieser Vertrag ist ein Mittel zur Etablierung einer bereits vorher konzipierten Gesellschafts- oder Akquisitionsstruktur. Die Mitteilungspflicht zielt nach unserem Verständnis auf die Konzeption dieser umfassenden Struktur ab und nicht auf die damit verbundenen einzelnen Teilschritte, wie die im Vertrag enthaltene Steuerklausel. Daher sollte die Mitteilungspflicht in diesen Fällen nicht bei dem Konzeptionisten der klassischen vertraglichen Steuerklausel liegen, sondern bei dem steuerlichen Berater, der sich die Gesamtstruktur überlegt hat. Etwas anderes kann jedoch dann gelten, wenn die Steuerklausel über ihren „klassischen“ Inhalt (steuerliche Lastenverteilung vor und nach der Transaktion, Mitwirkungs-/Informationsrechte und -pflichten, Haftungsregelungen) hinausgeht. Insgesamt wäre eine entsprechende Klarstellung im BMF-Schreiben insoweit wünschenswert.
Fazit
Auch wenn sich die Mitteilungspflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungen für Anwaltskanzleien nicht vollständig erübrigen sollte, so dürfte das im aktuellen Entwurf des BMF-Schreibens dargelegte Verständnis der Finanzverwaltung zum Begriff des Intermediärs für Erleichterung sorgen. Letztlich dürfte demnach eine Mitteilungspflicht auf die Kanzleien/Berater beschränkt werden, die die Transaktion steuerlich beraten haben. Die Kanzleien/Berater, deren Mitwirkung an der Transaktion sich auf nichtsteuerliche Themen beschränkt oder die das Transaktionsmanagement übernommen haben, dürften hingegen nicht mehr als Intermediär anzusehen sein. Diese Interpretation ist auch aus Sicht der Finanzverwaltung nicht nachteilig, denn es wird über die bestehende Mitteilungspflicht des steuerlichen Beraters der Transaktion oder bei Inhouse-Steuergestaltungen des Nutzers nach wie vor sichergestellt, dass die Steuergestaltung zur Mitteilung gebracht wird. Gleichzeitig wird dies die bei der Behörde eingehende Zahl der Doppelmitteilungen erheblich reduzieren. Für Kanzleien bedeutet dieses Verständnis eine erhebliche Entlastung, so dass sie sich auf die ordnungsgemäße Mitteilung der Gestaltungen konzentrieren können, die diese tatsächlich steuerlich konzipiert hat.
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