Einführung
Der Bundesfinanzhof (BFH) befasst sich mit der rechtlichen Einordnung von sogenannten Kryptowährungen, die auch virtuelle Währungen oder „Currency Token“ genannt werden.
Nachdem das Bundesfinanzministerium (BMF) im vergangenen Jahr ein umfangreiches Schreiben zu Fragen der Besteuerung von Kryptowerten veröffentlicht hat, hat der BFH nun zu einer Grundsatzfrage Stellung genommen (Urteil vom 14.02.2023, Az. IX R 3/22).
Das Urteil beantwortet die Frage, ob private Veräußerungen von Kryptowerten überhaupt steuerbar sein können oder solche Geschäfte mit Kryptowerten vom Einkommensteuergesetz in seiner derzeitigen Fassung gar nicht erfasst werden.
Damit ein privates Veräußerungsgeschäft gemäß § 23 Abs. 1 EStG einkommensteuerpflichtig wird, muss es sich bei dem „Etwas“, das veräußert wird, um ein Wirtschaftsgut handeln. Würde es sich dagegen nicht um ein Wirtschaftsgut handeln, könnte die Veräußerung nicht besteuert werden. Im letzteren Fall wäre es auch irrelevant, ob die Veräußerung binnen eines Jahres nach der Anschaffung oder aber erst nach Ablauf der sogenannten Spekulationsfrist (und damit steuerfrei) erfolgt.
Das BMF wie auch die Literatur und die bisherige finanzgerichtliche Rechtsprechung gingen beinahe einhellig davon aus, dass Kryptowerte Wirtschaftsgüter darstellen. (Rest-)Unsicherheit bestand aber, weil es auch kritische Entscheidungen, wie etwa einen Beschluss des FG Nürnberg (Beschluss vom 08.04.2020 – 3 V 1239/19, DStR 2020, 1243), gab und sich der BFH noch nicht zu diesem Thema geäußert hatte.
Sachverhalt
Der Kläger erwarb verschiedene Kryptowährungen (Bitcoin, Ethereum und Monero). Innerhalb eines Jahres veräußerte er diese teilweise wieder, und teilweise tauschte er Kryptowährungen gegen andere Kryptowährungen. Aus diesen Vorgängen erzielte der Kläger insgesamt einen Gewinn in Höhe von 3,4 Millionen Euro.
Die Kryptowährungen verwaltete er jeweils in einer Wallet, in einer digitalen Geldbörse sozusagen, auf die nur er mittels eines allein ihm bekannten Schlüssels, dem
„Private Key“, zugreifen konnte. Durch Mining – das heißt als eine Art Gegenleistung für die Erstellung neuer Blöcke auf der Blockchain – erhielt er dagegen keine Token. Auf diesen Aspekt musste daher im Urteil nicht eingegangen werden.
Nachdem der Kläger in seiner Steuererklärung dies entsprechend angegeben hatte, behandelte das Finanzamt den Gewinn als Gewinn aus privaten Veräußerungen und unterwarf diesen der Einkommensteuer.
Das Finanzgericht Köln hat die dagegen gerichtete Klage im Ausgangsverfahren weitgehend abgewiesen. Der Kläger drang beim Finanzgericht auch nicht mit dem Argument durch, dass die Besteuerung verfassungswidrig sei, da ein sogenanntes strukturelles Vollzugsdefizit vorliege. Ein solches sollte nach seiner Auffassung vorliegen, da aufgrund der fehlenden Nachverfolgbarkeit von Kryptotransaktionen die Besteuerung von anderen Steuerpflichtigen so lückenhaft erfolgt, dass unter Gleichheitsgesichtspunkten niemand besteuert werden darf.
Das Urteil des BFH
Der BFH weist die Revision gegen das Urteil zurück und vertritt die Auffassung, dass es sich bei diesen Kryptowerten jeweils um ein anderes Wirtschaftsgut im Sinne des
§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG handelt.
Nach der ebenfalls vom BFH aufgegriffenen Definition erfasst der Begriff des Wirtschaftsguts neben Sachen und Rechten auch tatsächliche Zustände sowie konkrete Möglichkeiten und Vorteile, deren Erlangung sich ein Steuerpflichtiger etwas kosten lässt und die nach der Verkehrsauffassung einer gesonderten selbständigen Bewertung zugänglich sind.
Im Ergebnis reicht es daher aus Sicht des BFH aus, dass eine Rechtsposition als verkehrsfähig angesehen wird. Dass eine solche Verkehrsfähigkeit gegeben ist, sei hier bereits daran ersichtlich, dass über Plattformen ein Handel mit Kryptowährungen stattfindet.
Strukturell seien Currency Token auch mit Fremdwährungen zu vergleichen. Gewinne im Zusammenhang mit Fremdwährungen können ebenfalls Gegenstand von (steuerpflichtigen) privaten Veräußerungsgeschäften sein.
Das Argument des Klägers, es handele sich nur um verschlüsselte Datenpakete beziehungsweise „Signaturketten“ ohne eigenen Wert, drang aufgrund dieses weiten Verständnisses des Begriffs des Wirtschaftsgutes nicht durch. Diese Token seien dem Kläger ebenfalls zuzurechnen. Da nur er mittels „Private Key“ über die Kryptowährungen verfügen könne, sei er als Eigentümer im Sinne des § 39 Abs. 1 Abgabenordnung anzusehen.
Der Veräußerungsvorgang erfolge dabei jeweils dadurch, dass der Kläger – unter Verwendung seines „Private Key“ – die Möglichkeit, weiter über die ihm zugewiesenen Kryptowährungen zu verfügen, auf einen anderen übertrage. Aus diesen Gründen sah der BFH daher sowohl den Tausch als auch den Verkauf als steuerpflichtig an.
Der Besteuerung stehen nach Auffassung des BFH auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken entgegen. Das Vorliegen eines sogenannten normativen Vollzugsdefizits verneint der BFH. Ein solches führe nur zu Verfassungswidrigkeit, wenn die Regelung selbst bereits so angelegt sei, dass es zu einem Umsetzungsdefizit kommt oder aber gehäufte Verstöße nicht konsequent geahndet werden. Dies sei hier deshalb nicht der Fall, weil der Gesetzgeber jedenfalls bemüht sei, den anonymen Handel mit Meldepflichten transparenter zu machen und so die Besteuerung sicherzustellen.
Anmerkung
Mit dem Urteil unterstreicht der BFH, worüber schon zuvor weitgehend Einigkeit herrschte, nämlich dass auch Bits und Bytes als Wirtschaftsgut gelten können. Klar ist nun auch, dass der Anknüpfungspunkt für die Zurechnung eines Tokens zu einer Person die Verfügungsmacht mittels „Private Key“ ist.
Die Auffassung des BMF in seinem Schreiben zu Kryptowährungen wird vom BFH (in Bezug auf private Veräußerungsgeschäfte) ohne Einschränkungen unterstützt.
Weitere im Zusammenhang mit dem Schreiben des BMF stark umstrittene Fragen der Besteuerung im Zusammenhang mit Kryptowährungen waren dagegen in diesem Verfahren nicht relevant. Diese betreffen insbesondere die Behandlung des „Mining“. Dieses wird in dem Schreiben stets als gewerblich angesehen, so dass jede Veräußerung unabhängig von einer Jahresfrist steuerpflichtig wird.
Als Randnotiz bleibt festzuhalten, dass der BFH ausdrücklich Bezug auf die „Whitepaper“ der Kryptowährungen nimmt, also auf die von den Initiatoren erstellten Leitfäden zu den jeweiligen Token. Diesen wird insofern für die Einordnung erhebliche Bedeutung beigemessen.
Der für die Besteuerungspraxis wohl bedeutendere Teil des Urteils dürfte die Ablehnung eines Vollzugsdefizits betreffen. Der Kläger sah sich bereits dadurch, dass er überhaupt besteuert wird, ungleich behandelt. Er werde nur zur Steuer herangezogen, weil er sich rechtstreu verhalten habe – wer dagegen in der Steuererklärung keine Angaben gemacht habe, „dürfe“ den Gewinn unversteuert behalten.
Hier behält der BFH die vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in anderer Sache vorskizzierte Linie bei, wonach der Gesetzgeber nicht jeden neuen Sachverhalt sofort umfassend regeln muss – er muss sich jedoch darum bemühen. Dabei reichen dem BFH die derzeitigen Anstrengungen des Gesetzgebers offenbar aus. Dies erscheint auch vor dem Hintergrund der notwendigen internationalen Koordinierung – beispielsweise bei der Erarbeitung der sogenannten DAC-8-Richtlinie, mit der die Verwaltungszusammenarbeit innerhalb Europas verbessert werden soll, oder im Zuge der OECD-Initiative für einen Melderahmen für Kryptowerte – nachvollziehbar.