Im Blickpunkt: Internationale Vollstreckung von Schiedssprüchen

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In Deutschland erstrittene Schiedssprüche können oder müssen häufig im Ausland vollstreckt werden, weil sich Schuldnervermögen dort befindet. Der große Vorteil eines Schiedsspruchs im Vergleich zu einem Gerichtsurteil sind die erleichterten Vollstreckungsvoraussetzungen in den 168 Ländern, die das New Yorker Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10.06.1958 („New Yorker Übereinkommen“) ratifiziert haben. Gemäß Art. V des New Yorker Übereinkommens kann die Anerkennung und Vollstreckung eines ausländischen Schiedsspruchs nur unter sehr engen Voraussetzungen abgelehnt werden.

Das New Yorker Übereinkommen regelt die Verjährung des Schiedsspruchs oder die Zeitspanne, in welcher ein ausländischer Schiedsspruch in einer bestimmten Jurisdiktion anerkannt und vollstreckt werden darf, aber nicht. Diese Frage unterliegt daher dem nationalen Recht der Vollstreckungsjurisdiktionen.

Das Risiko der Verjährung eines Schiedsspruchs wird von Titelgläubigern in der Praxis allerdings häufig übersehen. Dazu mag beitragen, dass nach deutschem Recht Schiedssprüche mangels anderweitiger Regelung nach der großzügigen allgemeinen Verjährungsfrist erst nach 30 Jahren verjähren. Gläubiger warten – meist in der Hoffnung, dass der Schuldner doch freiwillig zahlt – mit der Einleitung von Vollstreckungsmaßnahmen zu, während die jeweils anwendbaren Verjährungsfristen zugunsten des Titelschuldners laufen.

Wie lange der Gläubiger eines Schiedsspruchs die Vollstreckung aufschieben kann, bevor die Vollstreckung aufgrund von Verjährung scheitert, unterscheidet sich in den einzelnen Vollstreckungsjurisdiktionen stark. Die diesbezüglichen Verjährungsregime variieren von zwei bis 30 Jahren. Vor diesem Hintergrund hilft eine frühzeitige Vollstreckungsstrategie, kurze Verjährungsfristen zu erkennen und, wo notwendig, zu unterbrechen.

New Yorker Übereinkommen: keine internationale Regelung

Nach Art. III des New Yorker Übereinkommens lässt jeder Vertragsstaat ausländische Schiedssprüche nach seinen eigenen Verfahrensvorschriften zu. Anerkannt ist diesbezüglich, dass nach dem New Yorker Übereinkommen Verjährungsvorschriften „Verfahrensvorschriften“ sind und die Verjährungsproblematik damit prozessual qualifiziert wird. Damit beinhaltet das New Yorker Übereinkommen keine inhaltliche Regelung des Verjährungsregimes und reicht diese Frage an das nationale Recht weiter. Das nationale Recht regelt die Frage der Verjährung daher auch dann, wenn dieses – wie das deutsche Recht oder andere Länder mit Civil-Law-Tradition – die Frage der Verjährung abweichend als materiellrechtliche Rechtsfrage einordnet. Zu diesem Ergebnis kam der kanadische Supreme Court beispielhaft in seiner berühmten „Yugraneft“-Entscheidung. Der kanadische Supreme Court hat dabei die Fragestellung sehr ausführlich und unter Berücksichtigung der Vertragshistorie und von Sinn und Zweck des New Yorker Übereinkommens sowie der Übung der Staaten und der herrschenden internationalen Literaturmeinung erörtert [„Yugraneft Corp. vs. Rexx Management Corp.“, 2010 SCC 19, (2010) 1 S.C.R. 649, Rn. 14 ff.].

Verjährung nach nationalem Recht: starke Abweichungen

Ein kleiner, selektiver Überblick zeigt, dass sich die nationalen Rechtsordnungen sowohl bei der Verjährungsdauer als auch dem Verjährungsbeginn und der Frage, unter welchen Voraussetzungen der Verjährungslauf gehemmt werden kann, stark unterscheiden. Rechtsprechung findet sich dabei vor allem in den Jurisdiktionen, in denen eine – oftmals explizite – kurze Verjährungsfrist oder ein früher Verjährungsbeginn gilt.

Verjährungsdauer: eklatante zeitliche Unterschiede

Eine kurze Verjährungsfrist gilt etwa nach US-amerikanischem Recht. So verjährt gemäß Art. 207, Kap. 2 des Federal Arbitration Act (9 U.S. Code § 207) das Recht, die Anerkennung eines ausländischen Schiedsspruchs anzufragen, bereits drei Jahre ab dem Datum des Schiedsspruchs.

In Kanada haben alle zehn Provinzen ihre eigenen Verjährungsvorschriften, wobei einige eine zweijährige, andere eine zehnjährige Verjährungsfrist vorsehen. Auch nach russischem und chinesischem Recht sind die Verjährungsfristen kurz, nämlich drei sowie zwei Jahre ab dem Zeitpunkt, zu dem ein Schiedsspruch in Kraft tritt [Art. 246 (2) Commercial Procedure Code of the Russian Federation; Art. 409 (3) Civil Procedure Code of the Russian Federation] oder wirksam wird [Art. 239 (3) des chinesischen Zivilprozessrechts].

Nach französischem Recht dürfte die allgemeine Verjährungsfrist für alle zivilrechtlichen Ansprüche von immerhin fünf Jahren gelten (Art. 2224 Code Civil).

Nach vielen Rechtsordnungen des Common Law, wie zum Beispiel in England und Wales (Limitation Act 1980, Abschnitt 7), Singapur [Limitation Act, Chapter 163, Abschnitt 6(1)(c)] oder Hongkong [Limitation Ordinance, Chapter 347, Abschnitt 4(1)(c)], können Schiedssprüche nach Ablauf von sechs Jahren ab dem „Zeitpunkt des Entstehens des Klagegrundes“ nicht mehr vollstreckt werden.

Am „langen“ Ende der Skala der Verjährungsvorschriften stehen sicherlich das deutsche Recht mit einer Frist von 30 Jahren (§ 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB) sowie das niederländische Recht mit einer Frist von 20 Jahren [Art. 3:324 (1) Burgerlijk Wetboek].

Verjährungsbeginn: Erlass Schiedsspruch, Zustellung, Rechtskraft

Weitere Unterschiede gibt es, weil nach dem nationalen Recht auch gewichtige Unterschiede bezüglich des Verjährungslaufs bestehen. Dies betrifft etwa den die Verjährung auslösenden Zeitpunkt.

Diesbezüglich sieht das US-amerikanische Recht in 9 U.S. Code § 207 FAA beispielsweise eine sehr einfache Regelung vor, nach der das Datum des Schiedsspruchs für den Beginn der Verjährung ausschlaggebend ist. Das französische Recht stellt in Bezug auf den Verjährungsbeginn auf die (mögliche) Kenntnis des Gläubigers ab, was in der Regel dem Zeitpunkt der Zustellung des Schiedsspruchs gleichkommen dürfte.

Die bereits obengenannten Formulierungen wie etwa „in Kraft treten“ (Russland) oder „Wirksamkeit“ (China) eines Schiedsspruchs können hingegen komplexere Fragen in Bezug auf den Beginn des Verjährungslaufs aufwerfen.

Der englische High Court kam in der Sache „Agromet Motoimport Ltd vs. Maulden Engineering Co (Beds) Ltd“ [(1985) 2 All ER 436, 525 (Eng.)] noch zu einer anderen Lösung und entschied, dass die Verjährungsfrist mit dem „Versäumnis des Beklagten, dem Schiedsspruch nach Aufforderung nachzukommen“, zu laufen beginnt. Hintergrund dieser Entscheidung ist, dass sich nach englischem Recht aus dem Schiedsspruch eine neue Anspruchsgrundlage ergibt. Aufbauend auf einer ähnlichen gesetzlichen Regelung, führt die Rechtsprechung in Hongkong aus, dem Beklagten stehe eine „angemessene Frist“ nach der Veröffentlichung des Schiedsspruchs und der „Aufforderung zur Zahlung“ zu, bevor der Verjährungsbeginn startet. Die Länge der „angemessenen Frist“ ist dabei einzelfallbezogen zu bestimmen [„CL vs. SCG“ (2019) HKCFI 398, Rn. 16].

Erwähnenswert ist zuletzt, dass der kanadische Supreme Court dem Gläubiger in der Rechtssache „Yugraneft“ einen wichtigen Aufschub des Verjährungsbeginns zugesprochen hat. Denn nach der „Discoverability Rule“ beginnen die Verjährungsfristen erst zu laufen, wenn der Titelgläubiger feststellt oder hätte feststellen können, dass die Vollstreckung in dem betreffenden Rechtsgebiet aufgrund von Belegenheit von Schuldnervermögen überhaupt möglich und sinnvoll ist. Ähnlich hat ein chinesischer Richter in „Shanghai Jwell Machinery Co. Ltd. vs. Retech Aktiengesellschaft“ (Chinese Supreme People’s Court, 18.12.2014) entschieden, dass die Verjährung erst zu laufen beginnt, nachdem sich der entsprechende Vollstreckungsgegenstand am Vollstreckungsort vorfand und der Gläubiger davon wusste.

Hemmung: keine aufschiebende Wirkung von Aufhebungsverfahren

In Bezug auf die Vollstreckung von Schiedssprüchen ist Vorsicht auch dann angebracht, wenn der Schuldner am Ort des Schiedsverfahrens ein Aufhebungsverfahren einleitet. Nach den meisten Rechtsordnungen ist ein Schiedsspruch mit seiner Verkündung rechtskräftig und verbindlich, so dass die Einleitung des Aufhebungsverfahrens der Vollstreckung nicht entgegensteht und entsprechend auch die Verjährung nicht hemmt. Ein Gläubiger, der mit der Vollstreckung eines Schiedsspruchs wartet, bis das Aufhebungsverfahren abgeschlossen ist, läuft daher Gefahr, dass der Schiedsspruch in einer Jurisdiktion mit kurzen Verjährungsfristen schon nicht mehr vollstreckbar ist.

Neubeginn der Verjährung: Exequatur der Exequatur?

In manchen Jurisdiktionen steht dem Gläubiger zudem eine Umgehungslösung zur Verfügung, wenn ein Schiedsspruch verjährt ist. So kann in den USA der Anspruch aus einem Schiedsspruch über den Umweg der Anerkennung eines ausländischen Gerichtsurteils auch noch nach Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist vollstreckt werden, wenn das Schiedsurteil durch ein ausländisches Gerichtsurteil zum Beispiel im Wege der Exequatur anerkannt worden ist [„Seetransport Wiking Trader Schiffahrtsgesellschaft mbH & Co vs. Navimpex Centrala Navala“, 29 F.3d 79, 81 (2d Cir. 1994) und „Import Export S.A. vs. Republik Kongo“, 757 F.3d 321, 333 (2014)]. So kann nicht nur von den oft wesentlich längeren Verjährungsfristen zur Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen in anderen Jurisdiktionen (siehe oben) profitiert werden, sondern auch von den – wesentlich längeren – US-amerikanischen Verjährungsvorschriften zur Anerkennung ausländischer Urteile (in den obengenannten Fällen zum Beispiel 15 beziehungsweise 20 Jahre). In den meisten Civil-Law-Rechtsordnungen dürfte dieser Ansatz hingegen keinen Erfolg haben, da er am Verbot der „Exequatur der Exequatur“ scheitert. Hintergrund ist, dass der Vollstreckbarerklärung nach Civil-Law-Lesart nur eine territorial begrenzte Wirkung zukommt. Sie ist zwar eine Sachentscheidung und verleiht das Vollstreckungsrecht für den betreffenden Staat, stellt aber keinen neuen Leistungstitel dar. Infolgedessen stellt die Vollstreckbarerklärung auch keine Grundlage für eine Vollstreckung dar.

Zusammenfassung: Nutzen einer internationalen Vollstreckungsstrategie

Aufgrund der aufgezeigten Unterschiede bei der Verjährung des Rechts auf Anerkennung und Vollstreckung eines ausländischen Schiedsspruchs in den verschiedenen Jurisdiktionen sollte der Titelgläubiger bereits zum Zeitpunkt des Erlasses des Schiedsspruchs über eine internationale Vollstreckungsstrategie nachgedacht haben. Das gilt vor allem in den Fällen, in welchen der Klagegegner ankündigt oder anderweitig erkennen lässt, dass er nicht freiwillig zahlen wird. Ein solcher Gegner hat gegebenenfalls bereits die Zeit bis zum Schiedsspruch genutzt, um sich vor Zwangsvollstreckungsmaßnahmen zu schützen. Spätestens jedoch ab Erlass des Schiedsspruchs wird ein findiger Gegner Maßnahmen ergreifen, um sein Vermögen zu schützen, indem er es physisch oder rechtlich dem Zugriff durch den Gläubiger entzieht.

Die Entwicklung einer Vollstreckungsstrategie verhindert dabei keine gütliche Einigung oder die freiwillige Zahlung auf den Schiedsspruch. Im Gegenteil kann dem Gegner durch die Ankündigung von Anerkennung oder Vollstreckung des Schiedsspruchs die Dringlichkeit einer „freiwilligen“ Zahlung aufgezeigt werden. Vor allem aber warnt die Vollstreckungsstrategie den Gläubiger rechtzeitig vor der Verjährung des Anspruchs in einer ausländischen Vollstreckungsjurisdiktion.

Der Ausgangspunkt aller strategischen Überlegungen sollte dabei die Ermittlung des Schuldnervermögens sein, wobei der Einsatz von Vollstreckungsspezialisten und Asset-Trace-Dienstleistern anzuraten ist. Auf Basis der so erlangten Informationen sind die aussichtsreichsten Vollstreckungsjurisdiktionen zu bestimmen. Dabei sind neben dem Verjährungsrecht auch weitere Aspekte zu berücksichtigen, etwa die Möglichkeit, einstweiligen Rechtsschutz zu erlangen, die jeweils anfallenden Vollstreckungskosten sowie die Zuverlässigkeit des jeweiligen Justizsystems. Für all dies ist der Rat von nationalen Rechtsexperten unabdingbar. Wenn der Titelgläubiger auf dieser Grundlage eine internationale Vollstreckungsstrategie entwickelt, erhöht dies seine Aussichten bedeutend, einen einmal erfolgreich erstrittenen Schiedsspruch schlussendlich auch zu realisieren.

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