Im Blickpunkt: Strafrechtliche Risiken der übertragenden Sanierung

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Der nachfolgende Beitrag beschäftigt sich mit strafrechtlichen Risiken einer „übertragenden Sanierung“, also einem Assetdeal zur Übertragung von Vermögensgegenständen im Rahmen einer Insolvenz. Der Beitrag soll die Beteiligten einer solchen Transaktion (im Vorfeld) entsprechend sensibilisieren und frühzeitig eine entsprechende Aufmerksamkeit in diesem Zusammenhang fördern. Der daraus erwachsende Beratungsbedarf sollte in solchen Situationen frühzeitig erkannt werden. Der Kauf von Unternehmen oder Unternehmensteilen aus der Insolvenz oder in Krisensituationen im Wege eines Assetdeals stellt ein wichtiges Sanierungsinstrument dar. Dieser Beitrag gibt einen kurzen Überblick über die regelmäßig wiederkehrenden strafrechtlichen und haftungsrechtlichen Risiken im Rahmen von „Distressed-Transaktionen“ am Beispiel der „übertragenden Sanierung“ und des Assetdeals [der Begriff der übertragenden Sanierung geht auf Karsten Schmidt zurück, Karsten Schmidt, ZIP 1980, 328 (337)].

Die „übertragende Sanierung“ aus strafrechtlicher Sicht

Bei einer übertragenden Sanierung werden das Unternehmen vom Unternehmensträger der juristischen oder auch natürlichen Person getrennt und das Unternehmen oder Unternehmensteile beziehungsweise entsprechend ausgewiesene Vermögensgegenstände im Wege eines Assetdeals verkauft. Dabei werden die (oder ausgewählte) zum Unternehmen gehörenden Wirtschaftsgüter und Vermögenswerte vom ursprünglichen Rechtsträger auf Verkäuferseite auf den neuen Rechtsträger (Auffang- oder Erwerbergesellschaft) auf der Käuferseite übertragen. Die bestehenden Verbindlichkeiten, Risiken und Rückstellungen verbleiben typischerweise beim alten Rechtsträger, und die Gläubiger des alten Rechtsträgers können mit dem gezahlten Kaufpreis (wenigstens teilweise) befriedigt werden.

Hierbei ergeben sich verschiedene insolvenzstrafrechtliche Risiken: Auf Verkäuferseite sind insbesondere der Straftatbestand des Bankrotts (§ 283 StGB) sowie der der Gläubigerbegünstigung (§ 283c StGB) zu beachten. Daneben kann bei einer solchen Transaktion die Verwirklichung des Untreuetatbestands nach § 266 StGB gegeben sein. Auch für den Käufer können sich im Rahmen von Distressed-M&A-Transaktionen insolvenzstrafrechtliche Risiken ergeben, die nachfolgend kurz dargestellt werden.

Bankrottdelikte

Tatbestandsvoraussetzung für die Verwirklichung von Bankrottdelikten ist grundsätzlich, dass das in der Krise befindliche Unternehmen überschuldet (§ 19 InsO), drohend zahlungsunfähig (§ 18 InsO) oder zahlungsunfähig (§ 17 InsO) ist. Darüber hinaus ist zur Verwirklichung des objektiven Tatbestands notwendig, dass Bestandteile des Vermögens beiseitegeschafft, verheimlicht oder in einer den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft widersprechenden Weise zerstört, beschädigt oder unbrauchbar gemacht werden (§ 283 Abs. 1 StGB).

Strafbewehrt ist auch das vorsätzliche Herbeiführen der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung (§ 283 Abs. 2 StGB).

Das Beiseiteschaffen von Vermögensgegenstände im Sinne des § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB kann bei einem Assetdeals gerade im Übertragen der Vermögensgegenständen auf den neuen Rechtsträger gegeben sein, wenn dies während einer bereits bestehenden (oder im Nachhinein gerade aufkeimenden und sich entwickelnden) Krise erfolgt oder wenn dadurch (sogar) eine Krise der übertragenden juristischen Person herbeigeführt wird. Bedeutsam ist, dass kein tatbestandsmäßiges Beiseiteschaffen anzunehmen ist, wenn der durch die übertragende Sanierung erhaltene Erlös dem Wert der veräußerten Vermögenswerte entspricht. Im Fokus – insbesondere für den begleitenden Berater – steht also, zu welchem Wert die Assets auf den neuen Rechtsträger übertragen werden.

Eine umfassende und sachlich schwer angreifbare Bewertung (und ihre Dokumentation, idealerweise durch mit Expertise ausgewiesene externe Sachverständige) der Vermögenswerte im Rahmen der Vorbereitung des Assetdeals ist zur Vermeidung strafrechtlicher Risiken insofern unentbehrlich.

Bei einer übertragenden Sanierung ergeben sich für die handelnden Organe (aber auch die beteiligten Berater) die angesprochenen Strafbarkeitsrisiken. Im Fall einer Verurteilung ergeben sich im Zusammenhang mit den Insolvenzstraftaten zudem berufsrechtliche Folgen (Berufsverbot) aus § 76 Abs. 3 AktG und § 6 Abs. 2 GmbHG und eine potentielle zivilrechtliche Haftung. Bei strafrechtlichen Vorwürfen versagt auch oft die D&O-Versicherung oder die Berufshaftpflichtversicherung die Deckung.

Die am häufigsten in Betracht kommende Tathandlung ist das beschriebene „Beiseiteschaffen von Vermögensbestandteilen“, die im Fall der Insolvenzeröffnung Bestandteil der Insolvenzmasse wären. Nach ständiger Rechtsprechung ist dieses Tatbestandsmerkmal weit auszulegen und erfasst jede rechtliche und tatsächliche Handlung, die einen Vermögensbestandteil durch räumliches Verschieben oder Veränderung der rechtlichen Lage dem Zugriff der Gläubiger entzieht oder diesen Zugriff erheblich erschwert (grundlegend: BGH NJW 2010, 2894). Hier werden bereits Fälle als tatbestandliche Verwirklichung des Bankrotttatbestands angesehen, wenn in einem Assetdealvertrag kein fester Kaufpreis vereinbart, sondern auf ein noch zu erstellendes Wertgutachten Bezug genommen wird und Stundungsmöglichkeiten vereinbart werden, insbesondere, wenn dem Erwerber Forderungen zur Einziehung übertragen werden und es eines Rechtsstreits bedarf, um eine Kompensation für die übertragenen Vermögenswerte durchzusetzen. Hier müssen auch die Berater Vorsicht walten lassen, da eine solche Vertragsgestaltung als Beihilfehandlung zu einer Bankrottstraftat des Organs angesehen werden kann (Bärenz, EWiR 2004, 1245; „AG Ingolstadt“, Urteil vom 28.05.2004 – 8 Ls 31 Js 5828/04).

Die Gläubigerbegünstigung nach § 283c StGB

Ein weiteres Risiko einer Strafbarkeit ergibt sich auf Verkäuferseite aus § 283c StGB, wonach sich derjenige strafbar macht, der in Kenntnis seiner Zahlungsunfähigkeit einem Gläubiger eine Sicherheit oder Befriedigung gewährt, die dieser nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hat, und ihn dadurch absichtlich oder wissentlich vor den übrigen Gläubigern begünstigt. Im Rahmen eines Assetdeals kann dies dann der Fall sein, wenn das Unternehmen beispielsweise an einen Gläubiger, einen Lieferanten oder Hauptkunden verkauft wird und mit dem Kaufpreis eine bereits bestehende Verbindlichkeit ganz oder teilweise ausgeglichen wird. Ob eine Strafbarkeit im Sinne des § 283 StGB vorliegt, entscheidet sich dadurch, ob Insolvenzgründe bereits zum Zeitpunkt der Durchführung der Verfügung bestanden haben. Solche Gestaltungen sind tunlichst zu vermeiden. Hier besteht auch bereits in einem sehr frühen Planungsstadium Bedarf an Beratung durch ausgewiesene Experten. Denn es existieren überraschende Haftungskonstellationen: In Fällen, in denen ein Assetdeal mit einem Gläubiger abgeschlossen wird und diesem gegenüber eine Verbindlichkeit bestand, die zumindest teilweise mit dem Kaufpreis ausgeglichen wird, kommt sogar seitens des Gläubigers eine Anstiftung oder Beihilfe zur Gläubigerbegünstigung gemäß § 283 c StGB in Betracht.

Untreue nach § 266 StGB

Daneben kann die Übertragung von Aktiva durch ein Organ der Gesellschaft während einer Krise und vor Insolvenzantragstellung oder Eröffnung des Verfahrens in besonderen Konstellationen eine Strafbarkeit nach § 266 StGB (Untreue) begründen. Das vorwerfbare Verhalten besteht dann zum Beispiel in der Herbeiführung eines Vermögensschadens bei gleichzeitiger Verletzung einer Vermögensbetreuungspflicht. Eine Verletzung dieser Vermögensbetreuungspflicht muss sich in der Gestalt verwirklicht haben, dass dem zu sanierenden Unternehmen ein tatsächlicher Vermögensnachteil entstanden ist. Insofern muss durch die Tathandlung (den Vertragsschluss der dinglichen Einigung zur Eigentumsübertragung) eine Minderung des Vermögens eintreten, die nach dem Prinzip der Gesamtsaldierung durch einen Vergleich des Vermögensstands vor und nach der Tat unter lebensnaher wirtschaftlicher Betrachtungsweise festzustellen ist (BGH NStZ-RR 2011 313). Ein Nachteil ist regelmäßig dann anzunehmen, für Vermögensgegenstände unter Preis verkauft, verschleudert oder wenn für Leistungen unangemessen hohe Preise gezahlt werden.

Ein Tatbestandsausschluss wird dagegen angenommen, wenn der Verkaufserlös in einem äquivalenten Verhältnis zu dem veräußerten Recht oder Gegenstand steht und einem Drittvergleich im Sinne eines „Fair-Value-Trades“ standhält und die Gläubiger des Verkäufers nicht in ihren Rechten beschnitten werden. Die Voraussetzungen des Bargeschäfts nach § 142 InsO sind hier anzuwenden, um auch insolvenzrechtliche Anfechtungstatbestände, insbesondere die komplexe Kasuistik zur Schenkungsanfechtung nach § 134 InsO, auszuschließen. Eine ganzheitliche Gestaltung der entsprechenden (Kauf-)Verträge muss daher aus dem zivilrechtlichen, strafrechtlichen und insolvenzrechtlichen Blickwinkel erfolgen und bedarf einer sorgfältigen Vorbereitung.

Insbesondere sind ein Augenmerk auf die Bewertung der zu übertragenden Gegenstände beziehungsweise Rechte zu richten und eine sachverständige Bewertung der Kaufpreisfindung zugrunde zu legen.

Strafbarkeitsrisiken des Käufers

Auch für den Käufer können sich im Rahmen von Distressed-M&A-Transaktionen und der übertragenden Sanierung im Wege eines Assetdeals insolvenzstrafrechtliche Risiken ergeben: Im Rahmen einer Transaktion kann sich, abhängig von der Struktur des Deals und dem Wissensstand des Käufers, ein „Mitverschulden“ an den Insolvenzstraftaten des Verkäufers für den Käufer realisieren.

Der Käufer kann durchaus Teilnehmer an Bankrottstraftaten sein, wenn der Verkäufer mit dem Wissen des Käufers mittels der Unternehmenstransaktion Vermögenswerte dem Zugriff von Gläubigern entzieht. Hieraus entsteht dann folgerichtig auch eine eigene Haftung des Käufers und seiner Organe.

Fazit

Die Zahl der beantragten Regelinsolvenzen in Deutschland ist nach vorläufigen Angaben des Statistischen Bundesamts (Destatis) im März 2022 um 27% gegenüber Februar 2022 gestiegen. Die Inflation und die derzeit bestehenden gesamtwirtschaftlichen Risikofaktoren werden zu einer zunehmenden Zahl von krisenbehafteten Unternehmen führen, und in der Folge wird auch ein Anstieg von Strafverfahren gegen verantwortliche Organe und damit die Parteien von Distressed-M&A-Transaktionen visibel werden. Die Restrukturierung eines Unternehmens und eine übertragende Sanierung bergen mehrschichtige Risiken sowohl für den Verkäufer als auch für den Käufer, so dass Transaktionen auf beiden Seiten umfassend und frühzeitig von Beratern mit insolvenzrechtlicher und strafrechtlicher Expertise begleitet werden sollten, um Strafbarkeitsrisiken zu minimieren und eine Transaktion erfolgreich umzusetzen. Dies insbesondere auch deshalb, weil festzustellen ist, dass im Nachgang einer M&A-Transaktion und im Zusammenhang von zivilrechtlichen Auseinandersetzungen immer häufiger Strafanzeigen erstattet werden, um zivilrechtlichen Forderungen Nachdruck zu verleihen oder eine Rückabwicklung durchsetzen zu können. Auch aus diesem Grund ist eine ganzheitliche Beratung von Beginn an unerlässlich – gerade in diesen Zeiten.

Hinweis der Redaktion: Der Beitrag stellt eine Ergänzung aus strafrechtlicher Perspektive dar zu dem Artikel des Seniorpartners der Sozietät Wellensiek, Rechtsanwalt Dr. Jobst Wellensiek, Heidelberg. Vgl. dazu NZI 2002, 233 ff. (tw)

 

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