Legal-Project-Management (LPM) als Spezialdisziplin des Projektmanagements gibt es bereits seit 15 Jahren. Viele Kanzleien haben sich bei der Einführung von LPM auf Fortbildungsangebote beschränkt, einheitliche Methoden durchzusetzen versucht und das Veränderungsmanagement vernachlässigt. Die Ergebnisse waren oft enttäuschend. Es ist daher höchste Zeit, neben den Werkzeugen und Methoden des LPMs selbst auch die Best Practices für deren Einführung und praktische Umsetzung zu verfeinern. Dieser Artikel gibt einen Überblick über die treibenden Kräfte und Herausforderungen bei der Einführung von LPM sowie Tipps, wie die Umsetzung in den Arbeitsalltag und in den Modus Operandi von Kanzleien gelingt.
Was sind die Treiber für LPM?
Lange Zeit war die treibende Kraft für LPM hauptsächlich der steigende Kostendruck, den eine wachsende Zahl von Mandanten auf ihre externen Rechtsberater ausübten („More for Less“). In der Praxis äußerte sich dieser Druck in dem Wunsch nach vielfältigen Alternativen zur laufenden Stundenabrechnung (Fixed Fees, Fee-Caps, Blended Rates, Fee-Collars etc.) oder nach verlässlichen Kostenschätzungen, die dann von Mandanten als bindend angesehen wurden. Dies führte auf Kanzleiseite zu einer Fokusverschiebung, in der die effiziente Rechtsberatung im Rahmen des Kostenbudgets ins Blickfeld genommen werden musste. Denn wer das vereinbarte oder erwartete Kostenbudget durch unzureichende Planung und Koordination überschreitet, muss entweder gearbeitete Stunden abschreiben oder riskiert, Mandanten zu vergraulen. Für Kanzleien, die überwiegend nach RVG abrechnen, ist der Blick auf das verbindliche Kostenbudget schon längst eine Notwendigkeit.
Dieser Kostendruck besteht dort, wo er Fuß gefasst hat, natürlich weiterhin. Er ist jedoch recht ungleich in der Rechtsberatungslandschaft verteilt: In manchen Rechtsgebieten ist er fast allgegenwärtig, in anderen dagegen noch selten, wobei die Tendenz jedoch langsam steigt.
Zusätzlich erwarten Mandanten heute nicht nur „More for Less“, sondern auch „No Surprises“. Damit meinen sie Transparenz und Vorhersehbarkeit in der Rechtsberatung, aktuelle Informationen über wesentliche Änderungen im Mandat sowie handlungsorientierte Beratung zu aktuellen Entscheidungspunkten.
In den vergangenen Jahren sind noch weitere treibende Kräfte hinzugekommen:
• Der Einsatz digitaler Technologien in der Rechtsberatung wird von Mandaten gefordert und ist zunehmend selbstverständlich. Dazu gehören in erster Linie digitale Plattformen für Kommunikation und Kollaboration – Worksites für juristische Projekte als „Single Source of Truth“ ersetzen unstrukturierte Berge von E-Mails und Labyrinthe unterschiedlicher Dokumentversionen. Dazu gehören auch die durch künstliche Intelligenz (KI) unterstützte Analyse und Erstellung von Dokumenten sowie digitale Expertensysteme. Wann und auf welche Weise der Einsatz dieser Technologien Sinn macht, erschließt sich erst, wenn die dazugehörenden Arbeitsprozesse gut strukturiert und effizient sind („Do not digitalize a bad Process“).
• Gute Nachwuchskräfte zu finden – und vor allem: zu behalten – ist für die meisten Kanzleien eine stetig wachsende Herausforderung, wie die Spirale steigender Associate-Gehälter eindrucksvoll zeigt. Die Ansprüche der High Potentials an ihre Arbeitgeber wachsen daher, nicht zuletzt die Ansprüche an eine effektive und effiziente Organisation der Arbeit. Kanzleien tun daher gut daran, auf Fragen wie zum Beispiel „Welches Kanban-Werkzeug benutzen wir denn?“ eine Antwort zu haben. Kanban ist eine von vielen bewährten Projektmanagementmethoden und eignet sich besonders gut für juristische Projekte, etwa in Form von Matter-Management-Boards. Die im Text zitierte Frage wurde Anfang 2022 bei einem Auftraggeber der Verfasserin gestellt. Gleichzeitig sinkt die Frustrationstoleranz. Ineffiziente Arbeitsweisen, Ad-hoc-Management ohne Vorausschau und unzureichende Hintergrundinformationen sind enorme Quellen der Frustration bei jungen Juristinnen und Juristen. LPM ist sicherlich nicht die alleinige Lösung gegen die hohen Abwanderungsraten von Kanzleien, aber ein wichtiger Beitrag.
• Mandanten im High-End Bereich des Rechtsberatungsmarkts haben ihren Mitarbeiterstab um die Disziplin Legal-Operations erweitert. Die hierfür zuständigen Spezialistinnen und Spezialisten für das Management von Rechtsabteilungen und ihrer externen Berater zählen unter anderem Projektmanagement zu ihren Kernkompetenzen und sind nicht selten als solche zertifiziert und sehr erfahren. Lautete die Frage nach dem Projektmanagement in der Ausschreibung bisher oft: „Wie stellen Sie ein effizientes Management unserer Mandate sicher?“, so lauten die Fragen der Legal-Operations-Manager nun in etwa: „Wer ist Ihre Projektmanagerin/Ihr Projektmanager für dieses Mandat? Welche Werkzeuge und Methoden setzen Sie ein? Wie sieht das Reporting aus? Unsere KPIs für dieses Mandat sind XYZ“ [Key Performance Indicators (KPIs) = Leistungskennzahlen].
Was sind die Herausforderungen bei der Einführung von LPM?
Die größte Herausforderung bei der Einführung von LPM in Kanzleien besteht in der Einbindung in die Praxis im anwaltlichen Arbeitsalltag. Dies erfordert, dass liebgewordene Gewohnheiten und eingespielte Arbeitsabläufe einer kritischen Prüfung unterzogen werden. Dabei stellen sich manche als sinnvoll und erhaltenswert und viele als nicht (mehr) zielführend und zweckmäßig heraus. „What got you here, won´t get you there“.
Dieser Herausforderung begegnet man am besten mit einer zweigleisigen Botschaft:
Vor allem müssen die drei klassischen Fragen – Warum LPM? Warum jetzt? Warum so? – adressiert werden. Für die Antworten sollten die obengenannten treibenden Kräfte in Form einer Kraftfeldanalyse untersucht werden: Welche sind wie stark ausgeprägt? Mit welchen Daten kann ich das belegen? Das dabei entstehende Profil ist je nach Mandantenstruktur und Marktposition für jede Kanzlei anders.
Gleichzeitig müssen vorhandene Bedenken in der Kanzlei adressiert und ausgeräumt werden. Zu den am häufigsten geäußerten gehören diese:
Best Practices für die Einführung und praktische Umsetzung von LPM in der Kanzlei
Zur Bewältigung der Herausforderungen hat sich folgende Vorgehensweise in der Praxis gut bewährt:
Kraftfeldanalyse
Auf der Basis einer Analyse der jeweils stärksten treibenden Kräfte werden ein Business-Case formuliert sowie Sweet Spots und Pain-Points identifiziert. Darauf wird die Veränderungskommunikation aufgebaut.
Untersuchung des Status quo
Wie und vom wem werden Mandate zurzeit definiert, geplant, gesteuert und ausgewertet? Welche Checklisten, Muster, IT-Werkzeuge etc. gibt es bereits? Wo liegen die Stärken und die Entwicklungsgebiete in Bezug auf das Projektmanagement?
One Size fits One
Die Werkzeugkiste LPM ist prinzipiell für ganz verschiedene Rechtsgebiete, Praxisgruppen, Kanzleigrößen sowie Mandatstypen und -größen geeignet. Welche Werkzeuge den meisten Mehrwert und die besten Resultate liefern, hängt jedoch stark von diesen Faktoren ab.
Aktive und anhaltende Veränderungskommunikation
Die Botschaften „Warum wir dies tun“ und „Was wir bisher erreicht haben“ müssen regelmäßig gesendet werden. Daher sollten Fortschritte – zum Beispiel eine positivere Bewertung des Projektmanagements durch Mandanten und/oder Mitarbeiter oder ein höherer Anteil von Mandaten, die im Budgetrahmen bleiben – gemessen und kommuniziert werden.
Unterstützung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Phase der praktischen Umsetzung von LPM im Arbeitsalltag
LPM ist nicht schwierig umzusetzen, aber die Änderung von Gewohnheiten ist schwer, da unser Gehirn sehr gern wieder in den energiesparenden Automatismus zurückfallen möchte. Die aktive Unterstützung von Individuen und Arbeitsgruppen in der Umsetzungsphase unmittelbar nach dem Erlernen von LPM ist daher der Schlüssel zum Erfolg.
marion.ehmann@venturisconsulting.com