Warum Sie mit den jeweils wichtigsten Kanzleien und Unternehmensklienten Reviews durchführen sollten

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Am Ende jeden Kalenderjahres geht es in den Kanzleien und Rechtsabteilungen von Unternehmen regelmäßig hoch her. Vieles muss „last minute“ noch schnell erledigt werden. Dabei kommt die Frage auf: Sollten wir uns nicht mit den wichtigsten unserer Klienten zusammensetzen – für einen Rückblick oder Ausblick? Vom General Counsel darauf angesprochen, geben sich die Leiter der verschiedenen Abteilungen oft ganz überzeugt: „Völlig unnötig – wir kennen die Leute bestens. Wir arbeiten mit ihnen regelmäßig zusammen, sprechen wöchentlich oder sogar täglich mit ihnen am Telefon oder via Videokonferenz.“ Ein Meeting brauche es daher nicht, es schaffe keinen Mehrwert und verschwende nur wertvolle Zeit, heißt es. Auch in den Kanzleien stoßen Partnerinnen und Partner mit ihrer zeitlichen Verfügbarkeit an ihre Grenzen und möchten daher diese oft nicht verrechenbare Zeit gerne einsparen.

Warum ein Jahresgespräch?

Für ein regelmäßiges, jährliches oder – wie bei einigen globalen Kanzleien bereits etabliert – sogar halbjährliches Gespräch spricht vieles. Wir sehen immer wieder, dass eine in bestimmten Abständen stattfindende Review für Kanzleien und die sie beauftragenden Rechtsabteilungen sinnvoll und die so investierte Zeit den Aufwand wert ist – ähnlich wie bei Jahresgesprächen mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, in denen das vergangene Jahr und die Erwartungen an das kommende Jahr besprochen werden. Für Rechtsabteilungen von Unternehmen liegt der Hauptfokus darin, die Beratungsqualität sicherzustellen und zu validieren, ob die Arbeit im vergangenen Jahr effizient und effektiv ausgeführt worden ist. In diesem Zusammenhang ermöglicht ein abteilungsübergreifendes Vorgehen, die Kaufkraft der Rechtsabteilung zu bündeln: Sie tritt als ein Kunde auf und kann sich so Mengenrabatte und günstigere Konditionen sichern, die sie nicht verlangen könnte, wenn jede Abteilung oder Region allein aufträte. Dieses Vorgehen fördert zudem die Vereinheitlichung der allgemeinen Rechnungskonditionen und -praktiken und deren Durchsetzung.

Darüber hinaus ist eine Review die ideale Gelegenheit, um Themen anzusprechen, die im Alltag nicht oder nur selten zur Sprache kommen – etwa Diversity & Inclusion oder Datensicherheit. Für die Kanzleien wiederum ermöglicht ein Jahresgespräch, die erbrachten Dienstleistungen und deren Qualität in Erinnerung zu rufen und sich für neue Aufträge zu positionieren. Damit bietet sich vor allem die Gelegenheit für ein Brainstorming mit Blick auf das Folgejahr. Was sind die wichtigsten strategischen Überlegungen und Risiken, die sich abzeichnen? Was kann gemeinsam getan werden, um sich bestmöglich darauf vorzubereiten?

Wer schlägt die Jahresreview vor?

Die Review kann vom General Counsel oder der Kanzlei vorgeschlagen werden. Proaktives Vorgehen in der Kundenbeziehung wird von Inhouse-Juristen sehr geschätzt und sollte daher von Partnern in Kanzleien als Mittel der Beziehungspflege genutzt werden. Wer sich freiwillig möglicher Kritik stellt, erscheint sympathisch und kann, wenn aus der Vergangenheit gelernt wird, in Zukunft noch besser und kundenorientierter arbeiten. Ein wenig Überwindung lohnt sich also.

Kriterien für eine Jahresreview

Für welche Kunden beziehungsweise Kanzleien bieten sich Jahresgespräche besonders an? Die Antwort auf diese Frage wird jeden Juristen freuen: Es kommt darauf an! Wichtige Hinweise sowohl für Inhouse-Juristen als auch für Kanzleien liefern bei dieser Entscheidung vor allem der historische und der im kommenden Jahr zu erwartende Umsatz des Unternehmens. Für Inhouse-Juristen gehört ein Jahresgespräch besonders mit denjenigen Kanzleien zum Pflichtprogramm, die für die Firma eine strategische Bedeutung oder ein Spezialwissen haben, das nicht einfach bei einer anderen Kanzlei beschafft werden kann. Die zeitliche Verfügbarkeit der jeweils leitenden juristischen Mitarbeiter ist zwar ein weiterer Parameter für die Einplanung einer Review, sollte aber, wie eingangs erwähnt, nicht zum alleinigen Kriterium erhoben werden. In diesem Zusammenhang sollte die Rechtsabteilung zu Themen wie Vendor Management intern oder extern geschult werden. Auch bei der Agenda und der Durchführung kann auf externe Hilfe zurückgegriffen werden.

Ein Jahresgespräch erlaubt der Kanzlei über die juristische Beratung hinaus, mehr über den Kunden zu erfahren und ihr Interesse an der Tätigkeit des Unternehmens und dessen Business zu zeigen. Wer fühlt sich nicht geschmeichelt, wenn sich jemand für seine Tätigkeit interessiert? Für das Unternehmen auf der anderen Seite ist es eine gute Gelegenheit, der Kanzlei etwas über sich selbst mitzuteilen. Oft wird von Inhouse-Juristen beklagt, dass Kanzleien das Business ihrer Klientinnen und Klienten nicht kennen oder nicht verstehen. Das Jahresgespräch ist daher eine gute Möglichkeit, die externen Juristen über die eigene Industrie, die Strategie des Unternehmens und dessen Marschrichtung aufzuklären. Im Gegenzug dazu hilft dies den Mitarbeitern der Kanzlei, ihre Arbeit besser am strategischen Kontext des Unternehmens auszurichten. Vorgängiges Client-Listening-Training, externe Unterstützung bei der Themensetzung und für das Treffen im Vorfeld bereitgestellte Daten können die Effizienz solcher Meetings erheblich steigern.

An dem Gespräch sollte von Seiten der Rechtsabteilung ein im Voraus benannter Lead Lawyer des Unternehmens teilnehmen. Sie oder er koordiniert, wo notwendig, auch den Input von verschiedenen Abteilungen und/oder Regionen. Vertreter dieser Bereiche können ebenfalls an der Jahresreview mitwirken und sich gegebenenfalls im Anschluss an das allgemeine Meeting separat mit anderen Teilnehmern austauschen. Auf Seiten der Kanzlei nimmt unter anderem selbstverständlich der jeweilige mandatsführende Partner teil. Es empfiehlt sich, auch andere wichtige Mitarbeiter der Kanzlei teilnehmen zu lassen, um die Klientin so besser kennenzulernen. Oftmals sind sie es sogar, die in der Praxis den Großteil der Beratung durchführen. Ihre Teilnahme ist daher nicht nur sinnvoll für die Motivation der Mitarbeiter, sondern auch für die künftige Zusammenarbeit. Wenn der Nutzen eines Gesprächs den Aufwand einer Reise zum Unternehmen nicht rechtfertigt, kann die Review online stattfinden. Ein persönlicher Austausch des Lead Lawyers und der Partnerin oder des Partners ist hingegen dann empfehlenswert, wenn im vergangenen Jahr nicht alles positiv gelaufen ist oder wenn es zur Vertiefung der Kundenbindung zweckmäßig erscheint.

Vorbereitung und benötigte Informationen

Soll das Gespräch produktiv und effizient sein, ist Vorbereitung notwendig. Diese kann an das Legal-Operations-Team delegiert werden, das alle erforderlichen Informationen beschafft, gemäß den Bedürfnissen aufbereitet und zur Verfügung stellt. Ein Mitglied des Legal-Operations-Teams beider Seiten sollte daher an dem Gespräch ebenfalls teilnehmen.

Folgende wesentlichen Informationen sollten im Vorfeld bereitgestellt werden:

– Die Finanz- und Stundenzahlen des vergangenen Jahres und die Vergleichszahlen der vorherigen ein bis zwei Jahre. Dabei ist es sinnvoll, diese auf das Wesentliche zu reduzieren. Oftmals arbeiten in großen Kanzleien viele Mitarbeiter an großen Mandaten mit, die nur für Spezialfragen hinzugezogen werden und lediglich wenige Stunden verrechnen. Es lohnt sich daher, sich auf die „regular billers“ zu konzentrieren.

– Weitere wichtige Kennzahlen sind:

  • der höchste Partner-Stundensatz
  • der zeitgewichtete Partner-Stundensatz, also die Summe aller verrechneten Partnerstunden in Euro geteilt durch die Anzahl der Stunden – dieser unterscheidet sich vom durchschnittlichen Stundensatz, welcher nicht viel Aussagekraft hat. Er ermöglicht den finanziellen Vergleich zwischen Kanzleien. Diese Zahl soll auch verhindern, dass der Eindruck entsteht, man arbeite mit einer vergleichsweise günstigen Kanzlei zusammen, nur weil mehrere „günstige“ Partner auf der Liste der Time-Keeper stehen, diese aber tatsächlich nur sehr wenige Stunden verrechnen
  • der höchste Associate-Stundensatz
  • der zeitgewichtete Associate-Stundensatz

– eine Liste der Key Matters, jeweils mit dem Hinweis, ob es sich um Rechtsberatung oder eine Rechtsstreitigkeit handelt und gegebenenfalls mit kurzer Beschreibung

– eine Liste der internen Schlüsselpersonen, die im letzten Jahr mit der Kanzlei/der Kundin gearbeitet haben

– eine konkrete Agenda

Agenda beziehungsweise Diskussionsthemen

Diskutiert werden sollten zuerst die Arbeiten des vergangenen Jahres. Was lief gut, was lief nicht so gut? Was kann daraus gelernt werden? Servicelevel und Servicequalität sowie Kosten stehen natürlich im Fokus. Falls Alternative Fee Arrangements (AFA) vereinbart worden sind, sollten diese gesondert betrachtet werden, denn daraus lassen sich Lehren für künftige Vereinbarungen ziehen. Weiterhin sollte die Klientin einen Ausblick auf das kommende Geschäftsjahr geben. Welche Aufgaben sind am Horizont bereits erkennbar? Was bedeutet das für die Kanzlei? Welche Kompetenzen werden von der Kanzlei erwartet? Wo besteht Handlungsbedarf? Schließlich sollten die künftigen finanziellen Modalitäten diskutiert werden. Diese werden aber oft noch im Vorjahr festgelegt, es empfiehlt sich daher, diesen Teil auszugliedern und im Oktober/November des Vorjahres anzugehen und an der Jahresbesprechung die Ergebnisse nur noch kurz zu wiederholen. Auch „ex gratia“-Arbeiten wie kostenlose Templates, Training und weitere kostenlose Dienstleistungen können bei dieser Gelegenheit angesprochen werden. Darüber hinaus sollte die Zusammensetzung der Teams auf beiden Seiten besprochen werden. Bleiben die Ansprechpartner dieselben? Stehen Beförderungen oder Versetzungen an? Was soll geschehen, wenn eine Schlüsselperson plötzlich ausfällt? Notfall- und Nachfolgeplanung ist ein gerne vermiedenes Thema, aber daraus können in den unpassendsten Momenten sehr unangenehme Situationen resultieren. Zu guter Letzt sollten Themen wie Diversity & Inclusion und Datensicherheit angesprochen werden – Themen, die Kanzleien gern umgehen, die aber für Klienten immer wichtiger werden. Auch in diesen Bereichen können Kanzleien erfolgreich extern beraten werden.

Conclusio: Es lohnt sich!

Jahresbesprechungen lohnen sich für beide Seiten. Sind die Jahresgespräche gut vorbereitet, erlauben sie eine konstruktive Diskussion selbst in schwierigen Lagen. Die Kanzlei kann ihre Leistungen präsentieren und erklären und diese in einen weiteren Kontext stellen. Zudem ermöglicht das Gespräch mit der Klientin, herauszufinden, wie sie ihr in Zukunft noch besser dienlich sein und allgemein dazulernen kann. Das In-House Law Department hat mit der Jahresreview ein Instrument der Führung und der Kontrolle seiner wichtigsten externen Berater zur Hand. Dies erleichtert zusätzlich das Sammeln und Aufbereiten von Informationen darüber, an welchen Stellen Geld ausgegeben worden ist – Daten, die für den Austausch mit dem CFO und dem CEO des Unternehmens sehr wertvoll sind.

 

alexander.rohde@venturisconsulting.com

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