Die Bildergeschichte „Plisch und Plum“ von Wilhelm Busch beginnt mit einer unerwarteten Wendung des Geschehens. Das gibt’s im Rechtsleben auch: Ein Mensch (§ 1 BGB) – etwas Spannung muss sein, wer will, mag ihn Schlich nennen – kauft und saniert eine Immobilie, um sie an vier Parteien zu vermieten und damit langfristige Mieteinnahmen zu erwirtschaften, was ihm auch gelingt. Wegen der Mieteinnahmen optiert er zur Umsatzsteuer. Den Kauf finanziert er durch Aufnahme eines Immobiliendarlehens bei einer Bank. Jahre später zahlt er das Darlehen gegen Vorfälligkeitsentschädigung vorzeitig zurück. Knapp zweieinhalb Jahre danach verlangt er Erstattung der Vorfälligkeitsentschädigung; dazu widerruft er seine auf den Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung mit der Begründung, die Bank habe ihm keine gehörige Widerrufsbelehrung erteilt. Die Bank wendet ein, der Mensch – mittlerweile zum Kläger mutiert – habe den Darlehensvertrag nicht als Verbraucher, sondern als Unternehmer geschlossen, was sich daran zeige, dass er zur Umsatzsteuer optiert habe; auf die unrichtige Widerrufsbelehrung komme es deshalb nicht an. So gelangt der Fall zum BGH (Urteil vom 03.03.2020 – XI ZR 461/18).
„Aber hier, wie überhaupt, kommt es anders, als man glaubt“.*
Die Bank muss sich belehren lassen, dass der Mensch Verbraucher war: Die Verwaltung eigenen Vermögens sei grundsätzlich keine gewerbliche Tätigkeit, das gelte auch für den Erwerb oder die Verwaltung einer Immobilie und die Aufnahme eines Darlehens zur Finanzierung dieses Erwerbs. Gewerblich – und damit unternehmerisch – werde die Verwaltung eigenen Vermögens erst dann, wenn ihr Umfang einen planmäßigen Geschäftsbetrieb, wie etwa die Unterhaltung eines Büros oder einer Organisation, erfordere. Die Höhe der verwalteten Werte oder des Kreditbetrags sei dabei nicht maßgebend. Handele es sich um die Vermietung oder Verpachtung von Immobilien, sei dementsprechend nicht deren Größe entscheidend, sondern Umfang, Komplexität und Anzahl der damit verbundenen Vorgänge. Die Finanzierung der Anschaffung einer Immobilie zum Zweck der Vermietung an bloß vier Parteien mit langfristigen Mietverträgen sei danach keine gewerbliche Tätigkeit im Sinne des § 14 BGB, sondern als private Vermögensverwaltung und damit als Verbraucherhandeln im Sinne des § 13 BGB einzuordnen.
Und was ist mit der Option zur Umsatzsteuer? Nach einem Urteil des V. Senats des BGH [vom 26.02.2016 – V ZR 208/14 = WM 2016, 1758, 1761 (Rn. 29)] soll das doch das Handeln zu gewerblichen Zwecken belegen.
Der XI. Senat folgt dem nicht, und der V. gibt seine frühere Rechtsauffassung auf: „Stets findet Überraschung statt. Da, wo man’s nicht erwartet hat.“ (aus: Wilhelm Busch, „Bildergeschichten“). Die Option zur Umsatzsteuer spiele im Zusammenhang der §§ 3, 14 BGB keine Rolle. Sie setze zwar nach § 4 Nr. 12 Satz 1a, § 9 Abs. 1 UStG voraus, dass die Umsätze aus der Vermietung und Verpachtung von einem „Unternehmer“ im Sinne des UStG generiert würden. Wer umsatzsteuerrechtlich „Unternehmer“ sei, bestimme sich aber ausschließlich nach § 2 UStG und insoweit autonom ohne Rückgriff auf andere Definitionen in anderen Rechtsvorschriften, etwa in § 14 BGB: Nach der Rechtsprechung des BFH umfasse der umsatzsteuerrechtliche Unternehmerbegriff auch die private Vermögensverwaltung durch Vermietung und Verpachtung von Grundstücken. [Tatsächlich ist nach ihr insoweit eine „Zuordnungsentscheidung“ des Vermieters maßgebend; die Geltendmachung des Vorsteuerabzugs ist regelmäßig ein gewichtiges Indiz für, die Unterlassung des Vorsteuerabzugs ein ebenso gewichtiges Indiz gegen die Zuordnung eines Gegenstands zu einem Unternehmen (BFH, Urteil vom 08.10.2008 – XI R 58/07 – juris RdN 15 = BFHE 223, 487, 489)]. Für das Zivilrecht ergebe sich die Abgrenzung zwischen unternehmerischer und nicht unternehmerischer Tätigkeit aus den §§ 13 und 14 BGB. Erfordere die Vermietung oder Verpachtung keinen planmäßigen Geschäftsbetrieb, verliere der Vermieter oder Verpächter, der einen Darlehensvertrag schließe, seine Eigenschaft als Verbraucher im Sinne des Verbraucherdarlehensrechts nicht dadurch, dass er auf der Grundlage des Unternehmerbegriffs des Umsatzsteuerrechts für die Umsätze aus Vermietung oder Verpachtung zur Umsatzsteuer optiere. Infolgedessen hätte die beklagte Bank eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung erteilen müssen, was sie versäumt habe.
Ein Verbrauchergeschäft also, mit dem auch Wilhelm Buschs „Plisch und Plum“ endet? – Fast.
Der Rückzahlungsklage stattgegeben hat der BGH nämlich nicht: Dem Rückzahlungsbegehren könne der Einwand der Verwirkung entgegenstehen, bei dessen Prüfung zu berücksichtigen sei, dass die beklagte Bank im Zuge der vorzeitigen Beendigung des Vertrags die ihr eingeräumten Sicherheiten zurückgegeben habe, worin regelmäßig die Ausübung beachtlichen Vertrauens im Sinne des § 242 BGB liege.
*Zitat aus: Wilhelm Busch, Bildergeschichten, Hernach (1908)