Im Blickpunkt: EUIPO zu Eintragungs­kriterien

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Kann ein mehrere Sekunden langer Animationsfilm als Marke eingetragen werden? Wenn es nach dem European Intellectual Property Office (EUIPO) geht, ist das möglich. So hat es zumindest dessen Fünfte Beschwerdekammer jüngst in einem recht ungewöhnlichen Fall entschieden – mit wichtigen Erkennt­nissen für Anmelder von Multimediamarken.

Die Multimediamarke – eine junge Markenart

Die Möglichkeit, sogenannte Multimediamarken ins Marken­register eintragen zu lassen, gibt es noch nicht allzu lange: Erst als mit Inkrafttreten der Unionsmarkenverordnung (UMV) am 01.10.2017 das Kriterium der „grafischen Darstellbarkeit“ für zur Eintragung angemeldete Zeichen abgeschafft wurde, war der Weg frei für neue Markenformen. Mit der Abkehr von der grafischen Darstellbarkeit wollte der europäische Gesetzgeber den Bedürfnissen des Marktes, der durch die Entwicklung neuer Technologien und des digitalen Marketings entscheidend geprägt wird, nach neuen Darstellungsformen Rechnung tragen. Seither sind neue Markenformen wie unter anderem Hör-, Hologramm-, Bewegungs- oder eben Multimediamarken möglich, die nur schwer oder gar nicht grafisch dargestellt werden können. Eine Multi­mediamarke ist ein Zeichen, das aus einer Kombination von visuellen und akustischen Elementen, also von Bild und Klang, besteht. Sie kann daneben aber auch Wörter, Bildelemente und Ähnliches beinhalten.

In den Markenregistern in Deutschland und der EU gibt es aktuell nur wenige Multimediamarken – wohl auch, weil (noch) nicht klar ist, unter welchen Voraussetzungen eine Multimediamarke als Herkunftshinweis dienen kann und damit eintragungsfähig ist. Mit dem Fall „Super Simon“ hatte die Fünfte Beschwerdekammer des EUIPO im März 2023 nun Gelegenheit, sich zu den Anforderungen an die Unterscheidungskraft einer Multi­mediamarke zu äußern.

Wer oder was ist „Super Simon“?

„Super Simon“ ist der Held eines 22-Sekunden-Animationsfilms im Comicstil. Eine niederländische Marken­agentur hatte den Film – nach eigenen Aussagen als Testfall, um die Kriterien für die Schutzfähigkeit von Multimediamarken zu klären – als (Unions-)­Marke für Bücher (Klasse 16 gemäß Nizza-Klassifikation; ­siehe hier), Wein (Klasse 33) und Unterhaltung/kulturelle ­Aktivitäten (Klasse 41) beim EUIPO zur Eintragung ange­meldet. Das Video war nicht eigens dafür erstellt worden, ­sondern existierte bereits zuvor: Es war eine Hommage an den scheidenden Direktor des Benelux Office of Intellectual Property (BOIP), Edmond Simon. Dieser ging im Jahr 2019 in den Ruhestand und ist der fiktive Superheld des Films. „Super Simon“ ver­abschiedet sich darin von seinem Nachfolger Ragnar Gustafsson und fliegt in den Urlaub, wo er am Pool sitzt und einen Drink und „Lekkere Eieren“ (eine Anspielung auf eine Vorliebe für Eier?) genießt. Auch eine Anspielung auf den BOIP-Klassifizierungsexperten Rémy Kohlsaat ist in den ersten Sequenzen des Films enthalten: „Kohlsaat Classification Corner“ prangt als Schild über einem Schaufenster. ­Unterlegt ist der Film mit Musik sowie den Worten: „Thank you, Super Simon“.

EUIPO: Keine Eintragung wegen mangelnder Unterscheidungskraft

Die Anmeldung hatte zunächst keinen Erfolg: Die ­Prüfungsabteilung des EUIPO wies diese mit der ­Begründung zurück, es handele sich lediglich um einen netten und lustigen Film, der keinen Herkunftshinweis auf ein Unternehmen enthalte und daher keine Unterscheidungskraft habe. Es fehle an einem ausreichenden Bezug zu den angemeldeten Waren und Dienst­leistungen, zudem enthalte der Clip weder die Identität des Herstellers noch den Namen eines Unternehmens, so dass man nicht wisse, von wem er stamme. Die ­Prüfungsabteilung verglich den Clip mit einem Fernsehspot und vertrat die Auffassung, dass wie bei Letzterem unter anderem der Hersteller beziehungsweise Eigen­tümer genannt werden müsse, damit ein solcher Filmclip als Herkunftshinweis verstanden würde. Der Film sei ­außerdem zu komplex, um als Marke fungieren zu können. Im Ergebnis fehle ein klarer Hinweis auf die betriebliche Herkunft der ­betreffenden Waren und Dienstleistungen, so dass die ­Marke wegen mangelnder Unterscheidungskraft nicht ­eingetragen werden könne.

Beschwerdekammer: Clip doch als Multimediamarke eintragungsfähig

Die Anmelderin legte Beschwerde ein und hatte damit nun Erfolg: Die mit dem Fall befasste Fünfte Beschwerde­kammer des EUIPO entschied, dass der Animationsfilm sehr wohl als Multimediamarke eingetragen werden könne (Entscheidung vom 07.03.2023, R 1490/2022-5).
Dabei stellte die Beschwerdekammer zunächst klar, dass an die Eintragungsfähigkeit einer Multimediamarke keine strengeren Anforderungen gestellt werden dürften als an andere Markenformen. „Super Simon“ sei, anders als die Prüfungsabteilung meinte, unterscheidungskräftig.

Im Einzelnen stützte sich die Beschwerdekammer auf ­folgende Begründungen:

  • Eine Multimediamarke sei kein Werbe-/Fernsehspot und könne auch nicht mit einem solchen verglichen werden: Ein Fernsehspot diene der Werbung für ein Produkt und stelle Informationen dazu bereit, während eine (Multi­media-)Marke üblicherweise keine Produkt­informationen enthalte, sondern als Herkunftshinweis zur Unterscheidung von anderen Produkten diene. ­Daher müsse eine Multimediamarke auch keine Informationen über die Identität des Herstellers der Waren oder des Dienstleistungserbringers liefern, wie es beim Werbespot regelmäßig der Fall sei.
  • Es reiche aus, wenn sich die Verbraucher an ein wesentliches, unterscheidungskräftiges Element der Multi­mediamarke erinnern, um das Video von Animationsvideos anderer Unternehmen zu unterscheiden. Nicht erforderlich sei es hingegen, dass die maßgeblichen ­Verkehrskreise sich alle Einzelheiten des Films ein­prägen. Vorliegend sei die Hauptfigur des Videos, „Super Simon“, unterscheidungskräftig. Das Publikum werde sich darüber hinaus vor allem daran erinnern, dass dieser zu seinem Urlaubsort fliegt. Dies reiche für eine Unterscheidungskraft aus.
  • Die Komplexität des Films spreche nicht gegen eine ­Unterscheidungskraft: Eine Multimediamarke sei von Natur aus komplex. Die Länge oder die Komplexität der einzelnen Elemente seien daher unerheblich, solange die Verbraucher und Verbraucherinnen die Multimedia­marke als Herkunftshinweis erkennen können.
  • Die angemeldeten Waren und Dienstleistungen ­müssen – entgegen der Auffassung der Prüfungsabteilung – nicht Teil der Marke sein. Es sei, so die Beschwerdekammer, nicht auszuschließen, dass in Zukunft auch multimediale Marken wirksam auf Produkten platziert werden ­können. So sei es zum Beispiel bei Weinen durchaus denkbar, das Weinetikett selbst, also nicht nur einen QR-Code, per Smartphone scannen und so den Kurzfilm abspielen zu können.
  • Schließlich seien auch das Motiv und etwaige Absichten der Anmeldung für die Bewertung der Unterscheidungskraft irrelevant. Insbesondere sei nach dem Unions­markenrecht bei Einreichung der Anmeldung keine Benutzungsabsicht erforderlich. Die Tatsache, dass die Marke lediglich als Test angemeldet worden sei, stehe der Eintragung daher nicht entgegen.

Was bedeutet das für Markenanmelder?

Die Einführung neuer Markenarten wie der Multimediamarke ist eine Chance für Unternehmen, wirft zugleich ­jedoch immer die Frage auf, wie Produkte und Dienstleistungen über den durch „normale“ Marken gewährten Schutz hinaus weiter geschützt werden können beziehungsweise welche Kriterien für die Eintragungsfähigkeit der neuen Markenarten gelten.

Mit der Entscheidung „Super Simon“ hat sich nun zum ­ersten Mal eine Beschwerdekammer zu den Kriterien für die Eintragung von Multimediamarken geäußert. Wichtigstes Ergebnis: Es sind keine strengeren Anforderungen zu stellen als an die bereits seit langem „etablierten“ Marken­arten. Sofern die Marke vom angesprochenen Verkehrskreis unmittelbar als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der Waren und Dienstleistungen verstanden wird, ist sie eintragungsfähig. Markenanmelder, die beabsichtigen, animierte Videos und Kurzfilme in ihr Markenportfolio aufzunehmen, haben mit dieser Entscheidung daher nun etwas mehr Gewissheit über den Ausgang einer Anmeldung.

 

t.herzog@taylorwessing.com

i.kamps@taylorwessing.com

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