BGH: Goldener Lindt-Schokohase hat Markenschutz erlangt

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Der Schokohase von Lindt-Sprüngli, eingewickelt in Goldfolie und mit einer roten Schleife samt Glöckchen um den Hals, ist seit Jahrzehnten fester Bestandteil der deutschen Ostertradition: Mit einem Absatz von mehr als 500 Millionen Stück in den letzten 30 Jahren und einem Marktanteil von 40% ist er der mit Abstand meistverkaufte Osterhase Deutschlands. Auch andere Schokoladenhersteller versuchen auf diesem Erfolgsrezept aufzusetzen und mit ähnlichen Hasen die Verkaufsregale zu füllen.

Es ist daher nicht das erste Mal, dass Lindt-Sprüngli gerichtlich gegen die goldenen Schokohasen von Konkurrenten vor Gericht zieht. 2013 endete ein mehr als zehn Jahre währender Rechtsstreit nach einem bemerkenswerten Instanzenpingpong mit beachtlichen drei Stationen beim BGH schlussendlich mit einer Niederlage für Lindt-Sprüngli. Im damaligen Verfahren ging Lindt-Sprüngli unter anderem aus einer dreidimensionalen Marke vor – das Erscheinungsbild des Goldhasen als Ganzes war also maßgeblich. In einem nun kürzlich vom BGH entschiedenen Verfahren (Urteil vom 29.07.2021 – 1 ZR 139/20) setzte Lindt-Sprüngli auf eine andere Strategie.

Der Goldton als Benutzungsmarke

Geklagt hatten die schweizerische Konzernobergesellschaft der Lindt-Sprüngli-Gruppe und deren für den Vertrieb in Deutschland verantwortliche deutsche Tochter. Auf der Beklagtenseite stand wiederum eine Schokoladenherstellerin, die Schokohasen in Goldfolie verkauft hatte. Anders als im vorangegangenen Verfahren behaupteten die Klägerinnen nun, Rechte an dem konkreten Goldton zu haben, mit dem sich der Schokohase seit 1994 schmückt, ohne sich hierbei auf eine eingetragene Marke zu beziehen. Die Klägerinnen vertreten vielmehr die Auffassung, dass dieser Goldton mittlerweile so bekannt ist, dass er Markenschutz in Gestalt einer Benutzungsmarke erlangt habe.

Benutzungsmarken erlangen markenrechtlichen Schutz nicht durch ihre Eintragung in das Markenregister, sondern dadurch, dass sie infolge ihrer Benutzung im geschäftlichen Verkehr „Verkehrsgeltung“ erworben haben. Die jeweilige Marke muss also innerhalb der für den wirtschaftlichen Verkehr relevanten Kreise so bekannt sein, dass sie als Herkunftszeichen für ein Unternehmen wahrgenommen wird. Dementsprechend argumentierten die Klägerinnen, der Goldton ihrer Goldhasen sei derart bekannt, dass er dem Unternehmen Lindt-Sprüngli zugeordnet werde.

Bekanntheit des Goldtons durch Verkehrsbefragung nachgewiesen

Als Beweis legten die Klägerinnen eine Verkehrsbefragung vor, bei der den Befragten eine Farbkarte mit einem Goldton vorgelegt wurde. 91,7% der Befragten war die Farbe im Zusammenhang mit dem Schokohasen bekannt, und 72,3% ordneten die Farbe konkret Lindt-Sprüngli zu.

Eine einfache Verkehrsgeltung wird mitunter bereits bei 20% bis 25% Zuordnungsgrad angenommen. In bestimmten Fällen fordern die Gerichte eine qualifizierte Verkehrsgeltung mit mehr als 50%. So auch hier: Nach Auffassung des BGH hat die Allgemeinheit in Bezug auf Farbmarken ein Freihaltungsinteresse. Grund dafür sei die begrenzte Verfügbarkeit von Farben. Es müsse verhindert werden, dass Unternehmen die wenigen tatsächlich verfügbaren Farben mit Farbmarken monopolisierten. Die Hürden für die Verkehrsgeltung bei Farbmarken müssten daher höher als bei anderen Markenformen sein. Im hiesigen Fall sah der BGH aufgrund der deutlichen Überschreitung der 50% jedoch keine Probleme.

Farbmarken müssen nicht Hausfarbe sein

Der wesentliche Streit entzündete sich daran, wie genau die Verkehrsbefragung und der Zuordnungsgrad zu interpretieren seien. Die Vorinstanz, das OLG München, war der Ansicht, dass die befragten Personen die vorgelegte Goldfarbe nicht mit dem Unternehmen, sondern schlicht mit dem Schokohasen assoziiert hätten. Das Ergebnis der Verkehrsbefragung sei also lediglich der überragenden Bekanntheit des Lindt-Goldhasen geschuldet. Auf Lindt-Sprüngli falle das deshalb zurück, weil dieses Unternehmen Marktführer sei. Rückschlüsse darauf, dass der Goldton allgemein als Herkunftshinweis auf das dahinterstehende Unternehmen Lindt-Sprüngli wahrgenommen werde, könnten daraus aber nicht gezogen werden. Einen goldenen Schokohasen, der ansonsten anders gestaltet sei als der klassische Lindt-Hase, würde der Verkehr nicht als Produkt von Lindt-Sprüngli erkennen.

Dieser Argumentation folgte der BGH nicht. Zu Ende gedacht, hätte das rechtlich zur Folge, dass eine Farbmarke nur dann Markenschutz als Benutzungsmarke erlangen könnte, wenn sie als Hausfarbe genutzt würde. Dann müsste Lindt-Sprüngli die Farbe nicht nur für die Schokohasen benutzen, sondern als Unternehmen im geschäftlichen Verkehr unter dem Goldton auftreten. Das setzt der hier einschlägige § 4 Nr. 2 MarkenG aber nicht voraus. Danach sei allein maßgeblich, „dass das Zeichen als Hinweis auf die Herkunft eines Produkts dient und nicht – darüber hinaus – als ‚Hausfarbe‘ für sämtliche oder zahlreiche Produkte des Unternehmens und damit produktlinienübergreifend verwendet wird.“

Andere Gestaltungselemente bei hohem Zuordnungsgrad unbeachtlich

Irrelevant ist nach Auffassung des BGH auch, dass der Lindt-Hase neben dem Goldton über andere markante Merkmale verfüge, zum Beispiel die rote Schleife und das Glöckchen. Denn eine markenmäßige Benutzung einer Farbmarke setze nicht zwangsläufig voraus, dass diese in Alleinstellung erfolge. Auch in Verbindung mit anderen Zeichen könne Verkehrsgeltung erlangt werden.

Ebenso gehe das Marktführerargument des OLG München fehl. Bei der Verkehrsbefragung wurde den Befragten auf erster Stufe lediglich ein konturloser Farbton vorgehalten. Anhand dessen wurde zunächst die Bekanntheit des Farbtons im Zusammenhang mit dem Schokoladenhasen ermittelt. Erst auf zweiter Stufe wurde versucht herauszufinden, ob sich ein Unternehmen hinter diesem Zeichen verbirgt und, wenn ja, welches. . Bei einem solchen zweistufigen Vorgehen komme der Marktführereffekt laut BGH überhaupt nicht zum Tragen. Wenn die Befragten beim bloßen Vorhalten einer Farbe den Marktführer identifizieren würden, dann sei das schlicht ein Anhaltspunkt für die überragende Bekanntheit der Farbmarke.

Sache noch nicht entscheidungsreif und zurückverwiesen

Im Ergebnis hob der BGH das Berufungsurteil des OLG München auf und verwies die Sache zurück. Das OLG München muss nun unter anderem die Frage der Verletzungsgefahr klären. Darüber hinaus wies der BGH auf Folgendes hin: Die Ansprüche gegen den konkurrierenden Schokoladenhersteller stehen den beiden Klägerinnen nur gemeinsam zu, wenn sie beide Inhaberinnen einer Benutzungsmarke sind. Das allein ist nach Auffassung des BGH nicht zwingend problematisch: „Benutzen mehrere Unternehmen eine Kennzeichnung und sehen die beteiligten Verkehrskreise diese Unternehmen als eine wirtschaftliche Einheit oder als Mitglieder eines Konzerns an, kann kraft Verkehrsgeltung die Benutzungsmarke für jedes der Unternehmen entstehen.“ Der BGH hat jedoch Zweifel daran, dass dies auf die hiesige Konstellation übertragbar ist. Denn Benutzungsmarken müssen ihre Verkehrsgeltung durch Benutzung im inländischen Geschäftsverkehr erlangen. Da es sich aber bei einer der Klägerinnen um die schweizerische Konzernobergesellschaft handele, müssten gegebenenfalls vom OLG München noch Feststellungen getroffen werden, ob sich die relevanten Benutzungshandlungen ausnahmsweise nur auf die deutsche Vertriebsgesellschaft beschränken.

Für Lindt-Sprüngli dürfte das Urteil Erinnerungen an andere Verfahren wecken. Nicht zum ersten Mal konnte im Ringen um den Goldhasen vor dem BGH ein Teilsieg erreicht werden, um dann letztlich doch an der Verwechslungsgefahr zu scheitern. Es bleibt daher abzuwarten, wie das OLG München mit den im Anschluss an die Entscheidungsgründe sehr ausführlich dargelegten Hinweisen des BGH umgehen wird. Da Entscheidungen zu Farbmarken – noch dazu als Benutzungsmarke – naturgemäß rar sind, ist das Urteil aus rechtlicher Sicht zu begrüßen.

 

robin.schmitt@cms-hs.com

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